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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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aufs neue schablonenartig benutzt sind und in verschiedenen Scenen, in andern
Costümen doch immer dieselben Gesichter und Motive wiederkehren, während
bei Krauß sich eine solche Fülle von überschwenglich komischen, dabei stets wahren
und charakteristischen Gestalten drängt, wie sie die Wirklichkeit nur dem Auge
eines echten Humoristen bietet. Indeß Krauß ist ein ziemlich einzeln stehendes
Talent (und auch er hat später das Gebiet des eigentlichen Humors ver¬
lassen) , wogegen die gemüthliche Auffassung des Genre zahlreiche erfreuliche
Erscheinungen hervorgebracht hat.

Bei weitem das Beste haben die Düsseldorfer in der Landschaft geleistet,
hier ist die Schule in der That epochemachend gewesen und dies ist auch das
Feld, wohin sie ihre ganze Richtung aufs entschiedenste hingewiesen hat. Hier
war sie nicht durch ihre Mängel behindert und hier kam ihr ihre Auffassungs¬
weise im hohen Grade zu Statten. Die Natur, die sie darstellte, war zunächst
hauptsächlich die deutsche und oberitalienische, sodann die der Alpen und der
norwegischen Gebirge, weit weniger die eigentliche südliche mit ihren glühenden
Farben und scharf begrenzten charakteristischen Formen. Alle Erscheinungen in
der mittel- und nordeuropäischen Landschaft, bei denen das' Auge des Natur¬
freundes gern verweilt, sind wieder und wieder dargestellt worden; in der Mehr¬
zahl sind diese Bilder erfreulich und zum nicht geringen Theil vortrefflich. Die
norwegische Holzflößerhütte im Wassersturz, dies trauliche Dunkel der deutschen
Eichenwälder, die grünen Alpenseen zwischen schroffen Felsen, die schwarzen
Cypressengruppeit, die neben weißen lombardischen Villen stehn; der Zauber des
Mondlichts und die Glut des Abendroths auf Wasser, Wald und Gebirge ^--
solche Bilder hat die düsfeldorfer Schule in so großer Menge geliefert, daß es
hier unmöglich wäre, auch nur das Vorzüglichste herauszuheben. Diese Pro-
ductionen sind echt deutsch, hervorgegangen aus dem unwiderstehlichen Hange
des deutschen Gemüths, sich in die Natur zu versenken, ihre Stimmungen zu
erlauschen und in ihre Erscheinungen eine Verwandtschaft mit den Zuständen
des eignen Innern zu träumen. Sie haben deshalb ihre volle Berechtigung
und werden ihren Werth behalten. Nur gehören sie doch immer nicht der
höchsten Gattung der bildenden Kunst an; deren größte Aufgabe der Gipfel der
organischen Natur bleibt, der Mensch. Die Bildungen der Vegetation und
der unorganischen Natur sind unendlich leichter darzustellen, als das Meister¬
stück der Schöpfung; und die großartigsten landschaftlichen Productionen wird
es doch wol niemandem einfallen neben die größten historischen zu setzen, Ruvö-
dael und Claude Lorrain neben Michel Angelo und Rafael. Die Elemente d.er
landschaftlichen Darstellung braucht der Künstler nnr aus der Natur zu ent¬
nehmen, zu ordnen und zu copiren; und wenn dies auch nicht ohne Gefühl
und Geschmack geschehen darf, so ist es doch einer beschränkter" Begabung und
Bildung möglich, als sie die künstlerische Verklärung der menschlichen Erschei-


aufs neue schablonenartig benutzt sind und in verschiedenen Scenen, in andern
Costümen doch immer dieselben Gesichter und Motive wiederkehren, während
bei Krauß sich eine solche Fülle von überschwenglich komischen, dabei stets wahren
und charakteristischen Gestalten drängt, wie sie die Wirklichkeit nur dem Auge
eines echten Humoristen bietet. Indeß Krauß ist ein ziemlich einzeln stehendes
Talent (und auch er hat später das Gebiet des eigentlichen Humors ver¬
lassen) , wogegen die gemüthliche Auffassung des Genre zahlreiche erfreuliche
Erscheinungen hervorgebracht hat.

Bei weitem das Beste haben die Düsseldorfer in der Landschaft geleistet,
hier ist die Schule in der That epochemachend gewesen und dies ist auch das
Feld, wohin sie ihre ganze Richtung aufs entschiedenste hingewiesen hat. Hier
war sie nicht durch ihre Mängel behindert und hier kam ihr ihre Auffassungs¬
weise im hohen Grade zu Statten. Die Natur, die sie darstellte, war zunächst
hauptsächlich die deutsche und oberitalienische, sodann die der Alpen und der
norwegischen Gebirge, weit weniger die eigentliche südliche mit ihren glühenden
Farben und scharf begrenzten charakteristischen Formen. Alle Erscheinungen in
der mittel- und nordeuropäischen Landschaft, bei denen das' Auge des Natur¬
freundes gern verweilt, sind wieder und wieder dargestellt worden; in der Mehr¬
zahl sind diese Bilder erfreulich und zum nicht geringen Theil vortrefflich. Die
norwegische Holzflößerhütte im Wassersturz, dies trauliche Dunkel der deutschen
Eichenwälder, die grünen Alpenseen zwischen schroffen Felsen, die schwarzen
Cypressengruppeit, die neben weißen lombardischen Villen stehn; der Zauber des
Mondlichts und die Glut des Abendroths auf Wasser, Wald und Gebirge ^—
solche Bilder hat die düsfeldorfer Schule in so großer Menge geliefert, daß es
hier unmöglich wäre, auch nur das Vorzüglichste herauszuheben. Diese Pro-
ductionen sind echt deutsch, hervorgegangen aus dem unwiderstehlichen Hange
des deutschen Gemüths, sich in die Natur zu versenken, ihre Stimmungen zu
erlauschen und in ihre Erscheinungen eine Verwandtschaft mit den Zuständen
des eignen Innern zu träumen. Sie haben deshalb ihre volle Berechtigung
und werden ihren Werth behalten. Nur gehören sie doch immer nicht der
höchsten Gattung der bildenden Kunst an; deren größte Aufgabe der Gipfel der
organischen Natur bleibt, der Mensch. Die Bildungen der Vegetation und
der unorganischen Natur sind unendlich leichter darzustellen, als das Meister¬
stück der Schöpfung; und die großartigsten landschaftlichen Productionen wird
es doch wol niemandem einfallen neben die größten historischen zu setzen, Ruvö-
dael und Claude Lorrain neben Michel Angelo und Rafael. Die Elemente d.er
landschaftlichen Darstellung braucht der Künstler nnr aus der Natur zu ent¬
nehmen, zu ordnen und zu copiren; und wenn dies auch nicht ohne Gefühl
und Geschmack geschehen darf, so ist es doch einer beschränkter» Begabung und
Bildung möglich, als sie die künstlerische Verklärung der menschlichen Erschei-


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[0335] aufs neue schablonenartig benutzt sind und in verschiedenen Scenen, in andern Costümen doch immer dieselben Gesichter und Motive wiederkehren, während bei Krauß sich eine solche Fülle von überschwenglich komischen, dabei stets wahren und charakteristischen Gestalten drängt, wie sie die Wirklichkeit nur dem Auge eines echten Humoristen bietet. Indeß Krauß ist ein ziemlich einzeln stehendes Talent (und auch er hat später das Gebiet des eigentlichen Humors ver¬ lassen) , wogegen die gemüthliche Auffassung des Genre zahlreiche erfreuliche Erscheinungen hervorgebracht hat. Bei weitem das Beste haben die Düsseldorfer in der Landschaft geleistet, hier ist die Schule in der That epochemachend gewesen und dies ist auch das Feld, wohin sie ihre ganze Richtung aufs entschiedenste hingewiesen hat. Hier war sie nicht durch ihre Mängel behindert und hier kam ihr ihre Auffassungs¬ weise im hohen Grade zu Statten. Die Natur, die sie darstellte, war zunächst hauptsächlich die deutsche und oberitalienische, sodann die der Alpen und der norwegischen Gebirge, weit weniger die eigentliche südliche mit ihren glühenden Farben und scharf begrenzten charakteristischen Formen. Alle Erscheinungen in der mittel- und nordeuropäischen Landschaft, bei denen das' Auge des Natur¬ freundes gern verweilt, sind wieder und wieder dargestellt worden; in der Mehr¬ zahl sind diese Bilder erfreulich und zum nicht geringen Theil vortrefflich. Die norwegische Holzflößerhütte im Wassersturz, dies trauliche Dunkel der deutschen Eichenwälder, die grünen Alpenseen zwischen schroffen Felsen, die schwarzen Cypressengruppeit, die neben weißen lombardischen Villen stehn; der Zauber des Mondlichts und die Glut des Abendroths auf Wasser, Wald und Gebirge ^— solche Bilder hat die düsfeldorfer Schule in so großer Menge geliefert, daß es hier unmöglich wäre, auch nur das Vorzüglichste herauszuheben. Diese Pro- ductionen sind echt deutsch, hervorgegangen aus dem unwiderstehlichen Hange des deutschen Gemüths, sich in die Natur zu versenken, ihre Stimmungen zu erlauschen und in ihre Erscheinungen eine Verwandtschaft mit den Zuständen des eignen Innern zu träumen. Sie haben deshalb ihre volle Berechtigung und werden ihren Werth behalten. Nur gehören sie doch immer nicht der höchsten Gattung der bildenden Kunst an; deren größte Aufgabe der Gipfel der organischen Natur bleibt, der Mensch. Die Bildungen der Vegetation und der unorganischen Natur sind unendlich leichter darzustellen, als das Meister¬ stück der Schöpfung; und die großartigsten landschaftlichen Productionen wird es doch wol niemandem einfallen neben die größten historischen zu setzen, Ruvö- dael und Claude Lorrain neben Michel Angelo und Rafael. Die Elemente d.er landschaftlichen Darstellung braucht der Künstler nnr aus der Natur zu ent¬ nehmen, zu ordnen und zu copiren; und wenn dies auch nicht ohne Gefühl und Geschmack geschehen darf, so ist es doch einer beschränkter» Begabung und Bildung möglich, als sie die künstlerische Verklärung der menschlichen Erschei-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/335>, abgerufen am 22.06.2024.