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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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gewählt hatte, ruft Segen auf den herab, der die jungen Kinder der Feinde
nehmen und an dem Stein zerschmettern wird, aber von dieser orientalischen
Glut des Hasses ist keine Spur in dem Bilde, es sind nicht einmal Orientalen,
die Bendemann gemalt hat, sondern es ist eine düsseldorfer Familie in orien¬
talischem Costüm, die in sehr anständiger Haltung ein Unglück betrauert, das
sie betroffen hat. Man begreift den Enthusiasmus, den dieses und ähnliche
Bilder damals erweckten, nur, wenn man sich an die jahrhundertlange Pause
erinnert, in der es eigentlich gar keine deutsche Malerei gegeben hatte; nach ihr
gehörten diese Bilder zu den ersten Regungen der wiedererwachenden Kunst,
wenigstens für Norddeutschland. Aber jetzt ist die Zeit der düsseldorfer und der von
ihr abgeleiteten dresdner historischen Schule vorüber und das ist gut. Es macht
einen wehmüthigen Eindruck, wenn man in einer Sammlung, wie die des
Consul Wagner in Berlin umhergeht, die von den bedeutendsten Malern der
Schule Bilder enthält, die kaum ein Menschenalter vor unsern Tagen gemalt
und bewundert wurden. Und welches Publicum haben sie jetzt? All diese
trauernden Königspaare, edeln Räuber, zur Kirche gehenden Jungfrauen, sen¬
timentalen Tassos und Prinzessinnen, todten Heiligen, gemüthlichen Krieger -- die
jetzige Generation wirft ihnen kaum noch einen Blick zu. Die Männer, die
dieser Richtung angehören, sind durchweg von dem edelsten Streben erfüllt ge¬
wesen und manche, vor allen Lessing, sind hochbegabte Naturen, die gewiß
unter günstigern Umständen eine erfreulichere Entwicklung gehabt und vielleicht
Unvergängliches geleistet hätten'; aber ihre Begabung ist nicht zur vollen Aus¬
bildung gelangt. So ist der Charakter der düsseldorfer Historienmalerei der
eines gebildeten Dilettantismus geblieben; etwas Bleibendes hat sie nicht
hervorgebracht.

Viel besser sind die Leistungen der Düsseldorfer im Genre gewesen. so-
wol die technischen als die innern Eigenschaften, die ihnen für die höhere Gat¬
tung fehlten, können hier bis auf einen gewissen Grad entbehrt werden; und
sie haben theils in ernster, theils humoristischer Auffassung des Lebens Vor¬
zügliches geschaffen. Für die erstere Richtung dürfte der Norweger Tidemanv
als das bedeutendste Talent der Schule gelten, für die letztere ist es unbestritten
Krauß. Tidemands einfache und wahre Darstellungen norwegischen Landlebens
gehen ebensosehr zum Herzen, als sie vom Herzen kommen. Die Bilder von Krauß
(wenigstens die frühern) sind zum Theil von einem wahrhaft unwiderstehlichen
Humor und bei der feinsten, lebendigsten Charakteristik von Caricatur weil ent¬
fernt, es sind Productionen, denen man es ansteht, daß sie nicht gemacht, son¬
dern frei aus einem'Geiste entsprungen sind, der mit einer höchst glücklichen
Auffassung für das Komische begabt ist. Wenn man ihren Werth vollkommen
schätzen will, muß man sie neben hasencleverschen sehn, wo einige nicht zahl¬
reiche, in der That komische Erfindungen in allen möglichen Variationen immer


gewählt hatte, ruft Segen auf den herab, der die jungen Kinder der Feinde
nehmen und an dem Stein zerschmettern wird, aber von dieser orientalischen
Glut des Hasses ist keine Spur in dem Bilde, es sind nicht einmal Orientalen,
die Bendemann gemalt hat, sondern es ist eine düsseldorfer Familie in orien¬
talischem Costüm, die in sehr anständiger Haltung ein Unglück betrauert, das
sie betroffen hat. Man begreift den Enthusiasmus, den dieses und ähnliche
Bilder damals erweckten, nur, wenn man sich an die jahrhundertlange Pause
erinnert, in der es eigentlich gar keine deutsche Malerei gegeben hatte; nach ihr
gehörten diese Bilder zu den ersten Regungen der wiedererwachenden Kunst,
wenigstens für Norddeutschland. Aber jetzt ist die Zeit der düsseldorfer und der von
ihr abgeleiteten dresdner historischen Schule vorüber und das ist gut. Es macht
einen wehmüthigen Eindruck, wenn man in einer Sammlung, wie die des
Consul Wagner in Berlin umhergeht, die von den bedeutendsten Malern der
Schule Bilder enthält, die kaum ein Menschenalter vor unsern Tagen gemalt
und bewundert wurden. Und welches Publicum haben sie jetzt? All diese
trauernden Königspaare, edeln Räuber, zur Kirche gehenden Jungfrauen, sen¬
timentalen Tassos und Prinzessinnen, todten Heiligen, gemüthlichen Krieger — die
jetzige Generation wirft ihnen kaum noch einen Blick zu. Die Männer, die
dieser Richtung angehören, sind durchweg von dem edelsten Streben erfüllt ge¬
wesen und manche, vor allen Lessing, sind hochbegabte Naturen, die gewiß
unter günstigern Umständen eine erfreulichere Entwicklung gehabt und vielleicht
Unvergängliches geleistet hätten'; aber ihre Begabung ist nicht zur vollen Aus¬
bildung gelangt. So ist der Charakter der düsseldorfer Historienmalerei der
eines gebildeten Dilettantismus geblieben; etwas Bleibendes hat sie nicht
hervorgebracht.

Viel besser sind die Leistungen der Düsseldorfer im Genre gewesen. so-
wol die technischen als die innern Eigenschaften, die ihnen für die höhere Gat¬
tung fehlten, können hier bis auf einen gewissen Grad entbehrt werden; und
sie haben theils in ernster, theils humoristischer Auffassung des Lebens Vor¬
zügliches geschaffen. Für die erstere Richtung dürfte der Norweger Tidemanv
als das bedeutendste Talent der Schule gelten, für die letztere ist es unbestritten
Krauß. Tidemands einfache und wahre Darstellungen norwegischen Landlebens
gehen ebensosehr zum Herzen, als sie vom Herzen kommen. Die Bilder von Krauß
(wenigstens die frühern) sind zum Theil von einem wahrhaft unwiderstehlichen
Humor und bei der feinsten, lebendigsten Charakteristik von Caricatur weil ent¬
fernt, es sind Productionen, denen man es ansteht, daß sie nicht gemacht, son¬
dern frei aus einem'Geiste entsprungen sind, der mit einer höchst glücklichen
Auffassung für das Komische begabt ist. Wenn man ihren Werth vollkommen
schätzen will, muß man sie neben hasencleverschen sehn, wo einige nicht zahl¬
reiche, in der That komische Erfindungen in allen möglichen Variationen immer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/334>, abgerufen am 27.07.2024.