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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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Ein preußischer Diplomat.

A us Dcinema rk. Bornholm und die B o r n h o l in e r. llr. Sören Kierke¬
gaard: Wider die dänische Staatskirche; mit einem Hinblick auf Preußen.
Von R. Q uedl, königl. preuß . Generalconsul für die dänische Monarchie:c.
Mit drei Abbildungen und einer Karte. Berlin, Decker. --

"Weit entfernt," sagt Herr Ryno Quedl in der Borrede S. 37, "sich
für einen würdigen Repräsentanten seiner Nation auszugeben, erklärt der Ver¬
sasser dennoch ganz rückhaltlos :c." -- Da Bescheidenheit auch für den Staats¬
mann eine Tugend ist, der. man nicht entgegenarbeiten soll, so wollen wir
diese Selbstkritik nicht bestreiten. -- Der Verfasser hält sich in seiner amtlichen
Stellung für vorzugsweise geeignet, zwischen den Dänen und Preußen ein
Verständniß anzubahnen. So weit sich das darauf beschränkt, den blinden
Nationalhaß zu bekämpfen, stimmen wir mit dieser Tendenz vollkommen über¬
ein. Auch wir haben mehre liebenswürdige Dänen kennen gelernt, und die
Gerechtigkeit auch gegen einen Feind zwingt uns zuzugestehen, daß das dä¬
nische Volk im Kriege im Ganzen sich tüchtig und brav benommen hat. Gern
wollen wir zugeben, daß in den politischen Einrichtungen Dänemarks vieles
ist, was Preußen wol nachahmen könnte, und dazu rechnen wir mit dem Verfasser
die religiöse Toleranz und einzelne demokratische Einrichtungen. Wenn da¬
gegen gesagt wird, die dänische Frage sei praktisch gelöst worden, der preußische
Staat hätte nicht das geringste Interesse, nach der Trennung Holsteins von
Dänemark zu streben, und die dänische Regierung verdiene keinen Vorwurf,
wenn sie in den Herzogthümern "in eindringlichster Weise auf Reformen hin¬
arbeite, die sie im Interesse dieses Landes für nothwendig oder wünschenswert!)
hält;" so können wir dieser höhern Staatsweisheit nicht folgen. Man wird
uns ferner erlassen, die Empfindungen zu schildern, welche die weitere Moti-
virung der dänischen Reformen in uns erregt. ,,Eine solche Masse von ritter-
schaftlichen Autoritäten, von Nermengungen zwischen Verwaltung und Justiz,
von Usancen und Observanzen, ständischer Gliederung und Ausschließlichkeit:
daß die Verehrer der Grundzüge der konservativen Politik nur nach. Holstein
zu reisen brauchten, um eine Verwirklichung ihres christlichen Staates zu
sehen ..... daß bei aller Abneigung der Holsteiner, sich einer dänischen
Reichsrathmajorität untergeordnet zu sehen, die Fortdauer solcher Zustände
in den Wünschen der Mehrheit der holsteinischen Bevölkerung liegen sollte,
darf bezweifelt werden." -- Daß ein preußischer Generalconsul so etwas darf
drucken lassen, ist viel. Freilich läßt er noch anderes drucken, was auch ziem¬
lich auffällig ist, z. B. S. 333. "Wir haben sicherlich keine zu kleine Mei¬
nung von der Macht Preußens und keine zu große von derjenigen Oestreichs,


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Ein preußischer Diplomat.

A us Dcinema rk. Bornholm und die B o r n h o l in e r. llr. Sören Kierke¬
gaard: Wider die dänische Staatskirche; mit einem Hinblick auf Preußen.
Von R. Q uedl, königl. preuß . Generalconsul für die dänische Monarchie:c.
Mit drei Abbildungen und einer Karte. Berlin, Decker. —

„Weit entfernt," sagt Herr Ryno Quedl in der Borrede S. 37, „sich
für einen würdigen Repräsentanten seiner Nation auszugeben, erklärt der Ver¬
sasser dennoch ganz rückhaltlos :c." — Da Bescheidenheit auch für den Staats¬
mann eine Tugend ist, der. man nicht entgegenarbeiten soll, so wollen wir
diese Selbstkritik nicht bestreiten. — Der Verfasser hält sich in seiner amtlichen
Stellung für vorzugsweise geeignet, zwischen den Dänen und Preußen ein
Verständniß anzubahnen. So weit sich das darauf beschränkt, den blinden
Nationalhaß zu bekämpfen, stimmen wir mit dieser Tendenz vollkommen über¬
ein. Auch wir haben mehre liebenswürdige Dänen kennen gelernt, und die
Gerechtigkeit auch gegen einen Feind zwingt uns zuzugestehen, daß das dä¬
nische Volk im Kriege im Ganzen sich tüchtig und brav benommen hat. Gern
wollen wir zugeben, daß in den politischen Einrichtungen Dänemarks vieles
ist, was Preußen wol nachahmen könnte, und dazu rechnen wir mit dem Verfasser
die religiöse Toleranz und einzelne demokratische Einrichtungen. Wenn da¬
gegen gesagt wird, die dänische Frage sei praktisch gelöst worden, der preußische
Staat hätte nicht das geringste Interesse, nach der Trennung Holsteins von
Dänemark zu streben, und die dänische Regierung verdiene keinen Vorwurf,
wenn sie in den Herzogthümern „in eindringlichster Weise auf Reformen hin¬
arbeite, die sie im Interesse dieses Landes für nothwendig oder wünschenswert!)
hält;" so können wir dieser höhern Staatsweisheit nicht folgen. Man wird
uns ferner erlassen, die Empfindungen zu schildern, welche die weitere Moti-
virung der dänischen Reformen in uns erregt. ,,Eine solche Masse von ritter-
schaftlichen Autoritäten, von Nermengungen zwischen Verwaltung und Justiz,
von Usancen und Observanzen, ständischer Gliederung und Ausschließlichkeit:
daß die Verehrer der Grundzüge der konservativen Politik nur nach. Holstein
zu reisen brauchten, um eine Verwirklichung ihres christlichen Staates zu
sehen ..... daß bei aller Abneigung der Holsteiner, sich einer dänischen
Reichsrathmajorität untergeordnet zu sehen, die Fortdauer solcher Zustände
in den Wünschen der Mehrheit der holsteinischen Bevölkerung liegen sollte,
darf bezweifelt werden." — Daß ein preußischer Generalconsul so etwas darf
drucken lassen, ist viel. Freilich läßt er noch anderes drucken, was auch ziem¬
lich auffällig ist, z. B. S. 333. „Wir haben sicherlich keine zu kleine Mei¬
nung von der Macht Preußens und keine zu große von derjenigen Oestreichs,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/323>, abgerufen am 22.06.2024.