Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.könnte nur in der consequenten parlamentarischen Behandlung dieser Zustände Was ist dann die natürliche Folge? Daß die unabhängige Presse in 39"
könnte nur in der consequenten parlamentarischen Behandlung dieser Zustände Was ist dann die natürliche Folge? Daß die unabhängige Presse in 39"
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0315" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101842"/> <p xml:id="ID_813" prev="#ID_812"> könnte nur in der consequenten parlamentarischen Behandlung dieser Zustände<lb/> liegen. Sie tritt jedoch bekanntlich blos sehr ausnahmsweise ein. Offen gesagt,<lb/> wie sie geführt wird, ist wenig praktischer Nutzen davon zu erwarten. Denn<lb/> in der That muß es schmerzlich verwundern und aufs äußerste bestürzen, daß<lb/> die Vertreter des Landes fast überall eine wunderbare Unkenntniß der intimeren<lb/> Geschichte ihrer Landespresse bewähren. An ein, zwei Beispiele hängt sich eine<lb/> tagelange Debatte, während hundert andre Beispiele, oftmals von viel höherer<lb/> Principieller Bedeutung gar nicht zur Erwähnung kommen. So bleibt den Ver¬<lb/> theidigern der Polizei- und Administrativpraris stets die bequeme Ausrede, es<lb/> handle sich blos um Uebergriffe des einen oder andern Beamten, nicht um<lb/> , ein durchgehendes Princip, die ganze parlamentarische Erregung sei nichts als<lb/> keine, as drnir ponr, uns c-mststte. Die Presse darf und kann freilich nicht<lb/> sprechen, während die unabhängigen Elemente der Ständeversammlungen so<lb/> traurige Belege dafür geben, daß sie mit den journalistischen Organen ihrer<lb/> Principien wirklich nur in sehr lockerem Verbände stehen. Etwas engere Be¬<lb/> ziehungen knüpfen sich freilich gewöhnlich während der parlamentarischen Session,<lb/> werden aber dann mehr persönlicher Natur und lösen sich meistens sofort nach<lb/> dem Landtagsschlusse. „Der Mohr hat seine Pflicht gethan, der Mohr kann<lb/> gehen".</p><lb/> <p xml:id="ID_814" next="#ID_815"> Was ist dann die natürliche Folge? Daß die unabhängige Presse in<lb/> den Zwischenzeiten der Sessionen, welche sich überdies gewöhnlich durch ver¬<lb/> mehrte Strenge gegen die Zeitungen kennzeichnen, ihr Princip meistens eben<lb/> nur theoretisch vertreten kann. Denn bis zu einem gewissen Punkte fehlt ihr<lb/> die Zuführung des Materials von solchen Seiten her, die in die Intimitäten<lb/> der dahin bezüglichen Thatsachen eingeweiht oder durch ihr parlamentarisches<lb/> Mandat wenigstens auf genaue Beobachtung der Zustände gewiesen sind. Sie<lb/> hat an selbststcmdigen thatsächlichen Mittheilungen kein Gegengewicht gegen<lb/> die ihr octroyirten Darstellungen; seien dieselben direct octroyirt oder einzig aus<lb/> den Originalmittheilungen der inspirirter und tendenziösen Federn erreichbar.<lb/> Theoretische Erörterungen, und wenn es die besten sind, dringen jedoch auf<lb/> die Länge durchaus nicht ins große Publicum, sobald ihnen die immer er¬<lb/> neuerte Illustration durch Thatsachen fehlt. Es ist daher — mit wenigen<lb/> Ausnahmen — eine illusorische Phrase, wenn man in Deutschland von poli¬<lb/> tischen Parteiblättern redet. Nicht blos die polizeilichen und gesetzlichen Hemm¬<lb/> nisse verhindern ihre Entwicklung, ja nicht einmal vorzugsweise; sondern weit<lb/> mehr die Unbekümmertheit derjenigen Elemente um die- Presse, welche zur<lb/> gesetzlichen Vertretung bestimmter politischer Principien berufen sind. Journale,<lb/> die sich von ihren politischen Freunden blos in den einzelnen Momenten und<lb/> Fällen benutzt, unterstützt und beachtet sehen, wo man sie grade braucht,<lb/> werden unter den heutigen Preßverhältnissen in den langen Intervallen, was-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 39"</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0315]
könnte nur in der consequenten parlamentarischen Behandlung dieser Zustände
liegen. Sie tritt jedoch bekanntlich blos sehr ausnahmsweise ein. Offen gesagt,
wie sie geführt wird, ist wenig praktischer Nutzen davon zu erwarten. Denn
in der That muß es schmerzlich verwundern und aufs äußerste bestürzen, daß
die Vertreter des Landes fast überall eine wunderbare Unkenntniß der intimeren
Geschichte ihrer Landespresse bewähren. An ein, zwei Beispiele hängt sich eine
tagelange Debatte, während hundert andre Beispiele, oftmals von viel höherer
Principieller Bedeutung gar nicht zur Erwähnung kommen. So bleibt den Ver¬
theidigern der Polizei- und Administrativpraris stets die bequeme Ausrede, es
handle sich blos um Uebergriffe des einen oder andern Beamten, nicht um
, ein durchgehendes Princip, die ganze parlamentarische Erregung sei nichts als
keine, as drnir ponr, uns c-mststte. Die Presse darf und kann freilich nicht
sprechen, während die unabhängigen Elemente der Ständeversammlungen so
traurige Belege dafür geben, daß sie mit den journalistischen Organen ihrer
Principien wirklich nur in sehr lockerem Verbände stehen. Etwas engere Be¬
ziehungen knüpfen sich freilich gewöhnlich während der parlamentarischen Session,
werden aber dann mehr persönlicher Natur und lösen sich meistens sofort nach
dem Landtagsschlusse. „Der Mohr hat seine Pflicht gethan, der Mohr kann
gehen".
Was ist dann die natürliche Folge? Daß die unabhängige Presse in
den Zwischenzeiten der Sessionen, welche sich überdies gewöhnlich durch ver¬
mehrte Strenge gegen die Zeitungen kennzeichnen, ihr Princip meistens eben
nur theoretisch vertreten kann. Denn bis zu einem gewissen Punkte fehlt ihr
die Zuführung des Materials von solchen Seiten her, die in die Intimitäten
der dahin bezüglichen Thatsachen eingeweiht oder durch ihr parlamentarisches
Mandat wenigstens auf genaue Beobachtung der Zustände gewiesen sind. Sie
hat an selbststcmdigen thatsächlichen Mittheilungen kein Gegengewicht gegen
die ihr octroyirten Darstellungen; seien dieselben direct octroyirt oder einzig aus
den Originalmittheilungen der inspirirter und tendenziösen Federn erreichbar.
Theoretische Erörterungen, und wenn es die besten sind, dringen jedoch auf
die Länge durchaus nicht ins große Publicum, sobald ihnen die immer er¬
neuerte Illustration durch Thatsachen fehlt. Es ist daher — mit wenigen
Ausnahmen — eine illusorische Phrase, wenn man in Deutschland von poli¬
tischen Parteiblättern redet. Nicht blos die polizeilichen und gesetzlichen Hemm¬
nisse verhindern ihre Entwicklung, ja nicht einmal vorzugsweise; sondern weit
mehr die Unbekümmertheit derjenigen Elemente um die- Presse, welche zur
gesetzlichen Vertretung bestimmter politischer Principien berufen sind. Journale,
die sich von ihren politischen Freunden blos in den einzelnen Momenten und
Fällen benutzt, unterstützt und beachtet sehen, wo man sie grade braucht,
werden unter den heutigen Preßverhältnissen in den langen Intervallen, was-
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