Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

durch Zuführung wohlfeiler Nachrichten, durch Gratisbestellung resp. Octroyi-
rung von Redacteuren, durch die an bestimmte Bedingungen geknüpfte Zuwen¬
dung oder Entziehung amtlicher Anzeigen, durch die Drohung mit Errichtung
von äußerst billigen Concurrenzblättern u. tgi. in. eine ganz bestimmte politi¬
sche Farbe und Richtung aufgezwungen werden. Wo aber die Preßgesetz¬
gebung -- und es ist fast überall ^o, durch das Bundespreßgesetz sogar als
allgemeine Norm festgestellt -- die Gestattung oder das Verbot einer aus¬
wärtigen Zeitung in einem Lande ganz ausschließlich dem administrativen Er¬
messen übergibt, da kann in ähnlicher Weise selbst auf große auswärtige Or¬
gane gewirkt werden. Dies besonders, wenn dieselben nicht wesentlich ans
ihren Localabsatz, sondern auf der Verbreitung in dem fraglichen Staate basirt
sind. Man bedeutet z. B. dem Redacteur oder Besitzer, daß seiner Zeitung der
Debit werde entzogen werden, wenn er sich nicht verpflichte, die Mittheilungen
dieses oder jenes Korrespondenten einer Centralstelle auszunehmen; man läßt
ihn wissen, daß, wenn dieser oder jener Mitarbeiter am Blatte bleibe, dasselbe
eine besonders strenge Beaufsichtigung erfahren werde u. s. w. Noch un¬
mittelbarer lassen sich aber natürlich ähnliche Zuchtmittel gegen einheimische
große Blätter besonders dort anwenden, wo die Gewerbsgesetze und die admi¬
nistrative Machtvollkommenheit in Bezug auf den Gewerbsbetrieb in die Pre߬
gesetzgebung und das ZeitungsconcessivnSwesen hineingeflochten sind. Auch geht
das Zusammenwirken der Administration mit der vom Capital betriebenen jour¬
nalistischen Concurrenz mitunter noch weiter. Man gestattet z. B. den Federn
und Blättern, welche ihre Inspirationen von einer Centralstelle erhalten, die
Besprechung irgend einer wichtigen Frage (natürlich im gouvernementalen Sinne)
und verbietet bald eine jede leiseste, darauf bezügliche Aeußerung jedem andern
Organ. So ist es bekanntlich noch jüngsthin in Preußen in Bezug auf den
Gesetzentwurf über die rheinische Städte- und Gemeindeordnung geschehen. Ob¬
gleich nun die Federn der Preßcentralstellen in keinem einzigen deutschen
Tageblatt mit einer offnen amtlichen Signatur auftreten, obgleich ferner nur
in einzelnen Staaten die dirigirenden Persönlichkeiten im Staatöhandbuche als
Beamte namentlich aufgeführt sind, so ist doch jede journalistische Polemik gegen
das publicistische Gebahren dieser literarischen Agenten dadurch unmöglich
macht, daß es als "Beleidigung öffentlicher Behörden" oder als "Amtsehren¬
beleidigung" dem Preßgesetz verfällt. Jede directe Debatte zwischen der selbst¬
ständigen und der gouvernementalen Presse müßte also mit vollkommen un¬
gleichen Waffen geführt werden und fällt daher außer in den allerhöchsten
Nothfällen von selbst weg.

Trotz alledem wiederholen wir, die Häufung solcher Thatsachen, so be-
klagenswerth sie auch grade im conservativsten Interesse erscheinen muß, ist bei
den heutigen Zeitströmungen etwas sehr Natürliches. Und eine Waffe dagegen


durch Zuführung wohlfeiler Nachrichten, durch Gratisbestellung resp. Octroyi-
rung von Redacteuren, durch die an bestimmte Bedingungen geknüpfte Zuwen¬
dung oder Entziehung amtlicher Anzeigen, durch die Drohung mit Errichtung
von äußerst billigen Concurrenzblättern u. tgi. in. eine ganz bestimmte politi¬
sche Farbe und Richtung aufgezwungen werden. Wo aber die Preßgesetz¬
gebung — und es ist fast überall ^o, durch das Bundespreßgesetz sogar als
allgemeine Norm festgestellt — die Gestattung oder das Verbot einer aus¬
wärtigen Zeitung in einem Lande ganz ausschließlich dem administrativen Er¬
messen übergibt, da kann in ähnlicher Weise selbst auf große auswärtige Or¬
gane gewirkt werden. Dies besonders, wenn dieselben nicht wesentlich ans
ihren Localabsatz, sondern auf der Verbreitung in dem fraglichen Staate basirt
sind. Man bedeutet z. B. dem Redacteur oder Besitzer, daß seiner Zeitung der
Debit werde entzogen werden, wenn er sich nicht verpflichte, die Mittheilungen
dieses oder jenes Korrespondenten einer Centralstelle auszunehmen; man läßt
ihn wissen, daß, wenn dieser oder jener Mitarbeiter am Blatte bleibe, dasselbe
eine besonders strenge Beaufsichtigung erfahren werde u. s. w. Noch un¬
mittelbarer lassen sich aber natürlich ähnliche Zuchtmittel gegen einheimische
große Blätter besonders dort anwenden, wo die Gewerbsgesetze und die admi¬
nistrative Machtvollkommenheit in Bezug auf den Gewerbsbetrieb in die Pre߬
gesetzgebung und das ZeitungsconcessivnSwesen hineingeflochten sind. Auch geht
das Zusammenwirken der Administration mit der vom Capital betriebenen jour¬
nalistischen Concurrenz mitunter noch weiter. Man gestattet z. B. den Federn
und Blättern, welche ihre Inspirationen von einer Centralstelle erhalten, die
Besprechung irgend einer wichtigen Frage (natürlich im gouvernementalen Sinne)
und verbietet bald eine jede leiseste, darauf bezügliche Aeußerung jedem andern
Organ. So ist es bekanntlich noch jüngsthin in Preußen in Bezug auf den
Gesetzentwurf über die rheinische Städte- und Gemeindeordnung geschehen. Ob¬
gleich nun die Federn der Preßcentralstellen in keinem einzigen deutschen
Tageblatt mit einer offnen amtlichen Signatur auftreten, obgleich ferner nur
in einzelnen Staaten die dirigirenden Persönlichkeiten im Staatöhandbuche als
Beamte namentlich aufgeführt sind, so ist doch jede journalistische Polemik gegen
das publicistische Gebahren dieser literarischen Agenten dadurch unmöglich
macht, daß es als „Beleidigung öffentlicher Behörden" oder als „Amtsehren¬
beleidigung" dem Preßgesetz verfällt. Jede directe Debatte zwischen der selbst¬
ständigen und der gouvernementalen Presse müßte also mit vollkommen un¬
gleichen Waffen geführt werden und fällt daher außer in den allerhöchsten
Nothfällen von selbst weg.

Trotz alledem wiederholen wir, die Häufung solcher Thatsachen, so be-
klagenswerth sie auch grade im conservativsten Interesse erscheinen muß, ist bei
den heutigen Zeitströmungen etwas sehr Natürliches. Und eine Waffe dagegen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0314" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101841"/>
          <p xml:id="ID_811" prev="#ID_810"> durch Zuführung wohlfeiler Nachrichten, durch Gratisbestellung resp. Octroyi-<lb/>
rung von Redacteuren, durch die an bestimmte Bedingungen geknüpfte Zuwen¬<lb/>
dung oder Entziehung amtlicher Anzeigen, durch die Drohung mit Errichtung<lb/>
von äußerst billigen Concurrenzblättern u. tgi. in. eine ganz bestimmte politi¬<lb/>
sche Farbe und Richtung aufgezwungen werden. Wo aber die Preßgesetz¬<lb/>
gebung &#x2014; und es ist fast überall ^o, durch das Bundespreßgesetz sogar als<lb/>
allgemeine Norm festgestellt &#x2014; die Gestattung oder das Verbot einer aus¬<lb/>
wärtigen Zeitung in einem Lande ganz ausschließlich dem administrativen Er¬<lb/>
messen übergibt, da kann in ähnlicher Weise selbst auf große auswärtige Or¬<lb/>
gane gewirkt werden. Dies besonders, wenn dieselben nicht wesentlich ans<lb/>
ihren Localabsatz, sondern auf der Verbreitung in dem fraglichen Staate basirt<lb/>
sind. Man bedeutet z. B. dem Redacteur oder Besitzer, daß seiner Zeitung der<lb/>
Debit werde entzogen werden, wenn er sich nicht verpflichte, die Mittheilungen<lb/>
dieses oder jenes Korrespondenten einer Centralstelle auszunehmen; man läßt<lb/>
ihn wissen, daß, wenn dieser oder jener Mitarbeiter am Blatte bleibe, dasselbe<lb/>
eine besonders strenge Beaufsichtigung erfahren werde u. s. w. Noch un¬<lb/>
mittelbarer lassen sich aber natürlich ähnliche Zuchtmittel gegen einheimische<lb/>
große Blätter besonders dort anwenden, wo die Gewerbsgesetze und die admi¬<lb/>
nistrative Machtvollkommenheit in Bezug auf den Gewerbsbetrieb in die Pre߬<lb/>
gesetzgebung und das ZeitungsconcessivnSwesen hineingeflochten sind. Auch geht<lb/>
das Zusammenwirken der Administration mit der vom Capital betriebenen jour¬<lb/>
nalistischen Concurrenz mitunter noch weiter. Man gestattet z. B. den Federn<lb/>
und Blättern, welche ihre Inspirationen von einer Centralstelle erhalten, die<lb/>
Besprechung irgend einer wichtigen Frage (natürlich im gouvernementalen Sinne)<lb/>
und verbietet bald eine jede leiseste, darauf bezügliche Aeußerung jedem andern<lb/>
Organ. So ist es bekanntlich noch jüngsthin in Preußen in Bezug auf den<lb/>
Gesetzentwurf über die rheinische Städte- und Gemeindeordnung geschehen. Ob¬<lb/>
gleich nun die Federn der Preßcentralstellen in keinem einzigen deutschen<lb/>
Tageblatt mit einer offnen amtlichen Signatur auftreten, obgleich ferner nur<lb/>
in einzelnen Staaten die dirigirenden Persönlichkeiten im Staatöhandbuche als<lb/>
Beamte namentlich aufgeführt sind, so ist doch jede journalistische Polemik gegen<lb/>
das publicistische Gebahren dieser literarischen Agenten dadurch unmöglich<lb/>
macht, daß es als &#x201E;Beleidigung öffentlicher Behörden" oder als &#x201E;Amtsehren¬<lb/>
beleidigung" dem Preßgesetz verfällt. Jede directe Debatte zwischen der selbst¬<lb/>
ständigen und der gouvernementalen Presse müßte also mit vollkommen un¬<lb/>
gleichen Waffen geführt werden und fällt daher außer in den allerhöchsten<lb/>
Nothfällen von selbst weg.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_812" next="#ID_813"> Trotz alledem wiederholen wir, die Häufung solcher Thatsachen, so be-<lb/>
klagenswerth sie auch grade im conservativsten Interesse erscheinen muß, ist bei<lb/>
den heutigen Zeitströmungen etwas sehr Natürliches. Und eine Waffe dagegen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0314] durch Zuführung wohlfeiler Nachrichten, durch Gratisbestellung resp. Octroyi- rung von Redacteuren, durch die an bestimmte Bedingungen geknüpfte Zuwen¬ dung oder Entziehung amtlicher Anzeigen, durch die Drohung mit Errichtung von äußerst billigen Concurrenzblättern u. tgi. in. eine ganz bestimmte politi¬ sche Farbe und Richtung aufgezwungen werden. Wo aber die Preßgesetz¬ gebung — und es ist fast überall ^o, durch das Bundespreßgesetz sogar als allgemeine Norm festgestellt — die Gestattung oder das Verbot einer aus¬ wärtigen Zeitung in einem Lande ganz ausschließlich dem administrativen Er¬ messen übergibt, da kann in ähnlicher Weise selbst auf große auswärtige Or¬ gane gewirkt werden. Dies besonders, wenn dieselben nicht wesentlich ans ihren Localabsatz, sondern auf der Verbreitung in dem fraglichen Staate basirt sind. Man bedeutet z. B. dem Redacteur oder Besitzer, daß seiner Zeitung der Debit werde entzogen werden, wenn er sich nicht verpflichte, die Mittheilungen dieses oder jenes Korrespondenten einer Centralstelle auszunehmen; man läßt ihn wissen, daß, wenn dieser oder jener Mitarbeiter am Blatte bleibe, dasselbe eine besonders strenge Beaufsichtigung erfahren werde u. s. w. Noch un¬ mittelbarer lassen sich aber natürlich ähnliche Zuchtmittel gegen einheimische große Blätter besonders dort anwenden, wo die Gewerbsgesetze und die admi¬ nistrative Machtvollkommenheit in Bezug auf den Gewerbsbetrieb in die Pre߬ gesetzgebung und das ZeitungsconcessivnSwesen hineingeflochten sind. Auch geht das Zusammenwirken der Administration mit der vom Capital betriebenen jour¬ nalistischen Concurrenz mitunter noch weiter. Man gestattet z. B. den Federn und Blättern, welche ihre Inspirationen von einer Centralstelle erhalten, die Besprechung irgend einer wichtigen Frage (natürlich im gouvernementalen Sinne) und verbietet bald eine jede leiseste, darauf bezügliche Aeußerung jedem andern Organ. So ist es bekanntlich noch jüngsthin in Preußen in Bezug auf den Gesetzentwurf über die rheinische Städte- und Gemeindeordnung geschehen. Ob¬ gleich nun die Federn der Preßcentralstellen in keinem einzigen deutschen Tageblatt mit einer offnen amtlichen Signatur auftreten, obgleich ferner nur in einzelnen Staaten die dirigirenden Persönlichkeiten im Staatöhandbuche als Beamte namentlich aufgeführt sind, so ist doch jede journalistische Polemik gegen das publicistische Gebahren dieser literarischen Agenten dadurch unmöglich macht, daß es als „Beleidigung öffentlicher Behörden" oder als „Amtsehren¬ beleidigung" dem Preßgesetz verfällt. Jede directe Debatte zwischen der selbst¬ ständigen und der gouvernementalen Presse müßte also mit vollkommen un¬ gleichen Waffen geführt werden und fällt daher außer in den allerhöchsten Nothfällen von selbst weg. Trotz alledem wiederholen wir, die Häufung solcher Thatsachen, so be- klagenswerth sie auch grade im conservativsten Interesse erscheinen muß, ist bei den heutigen Zeitströmungen etwas sehr Natürliches. Und eine Waffe dagegen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/314
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/314>, abgerufen am 22.06.2024.