Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Jndulgentien und Ablaß für Geld kaufen wollte, so könnte ich wol ein Buch
verkaufen und sie um mein eigen Geld kaufen. Ich' wollte sie aber umsonst,
geschenkt haben, um Gottes willen oder sie würden Rechenschaft vor Gott da¬
für geben, daß sie meiner Seele Seligkeit versäumt und verscherzt hätten wegen
sechs Pfennigen ; da doch beide, Gott und der Papst wollten, daß meine Seele
theilhaftig werden sollte der Vergebung aller meiner Sünden, umsonst, aus
Gnade. Dies sagte ich und wußte doch fürwahr nicht, wie es mit den Abla߬
briefen stünde. --

Endlich nach diesem Gespräch frugen mich die Priester, von wem ich daher
geschickt sei und wer mich abgerichtet habe, solche Sachen mit ihnen zu verhan¬
deln. Da habe ich ihnen die lautere klare Wahrheit gesagt, wie es war, daß
ich von ganz und gar keinem Menschen vermahnt oder angetrieben oder durch
Rathgeber dazu gebracht worden sei, sondern daß ich allein, ohne eines Men¬
schen Nath, nur im Vertrauen und Zuversicht aus die gnädige, umsonst ge¬
schenkte Vergebung der Sünden solche Bitte angestellt hätte und ich hätte Zeit
meines Lebens niemals mit solchen großen Leuten geredet oder etwas verhan¬
delt. Denn ich war von Natur schamhaft und wenn mich nicht der große
Durst nach der Gnade Gottes gezwungen hätte, so hätte ich nicht so etwas
Großes gewagt und mich nicht unter solche Leute gemengt und so etwas von
ihnen gebeten. Da wurden mir abermals die Ablaßbriefe verheißen, aber doch
s°, daß ich sie um sechs Pfennige kaufte und die sollten mir für meine Person
umsonst geschenkt sein. Ich aber bin darauf beständig geblieben, daß mir die
Ablaßbriefe von dem, der da Macht hatte, sie zu schenken, sollten umsonst geschenkt
werden, wo nicht, wollte ich die Sache dem lieben Gott befehlen und anheim¬
stellen. Und also wurde ich von ihnen entlassen.

Die heiligen Diebe wurden gleichwol traurig über diesen Handel, ich aber
war zum Theil betrübt, daß ich keinen Ablaßbrief bekommen hatte, zum Theil freute
ich mich auch, daß trotzdem noch einer im Himmel wäre, der da wollte ohne
Geld und Darlehn die Sünde dem bußfertigen Sünder vergeben, nach dem
Spruch, den ich oft in der Kirche gesungen hatte: So wahr ich lebe, spricht
Gott, will ich nicht den Tod des Sünders, sondern daß er bekehrt werde und
^be. . Ach lieber Herr und Gott, du weißt, daß ich hier in dieser Sache nicht
lüge oder etwas von mir erdichte. --,

Dabei war ich also bewegt, daß ich, indem ich heimging in meine Herberge,
^ier von Thränen zerflossen und zerschmolzen wäre. Also komme ich in meine
Herberge, gehe in meine Kammer und nehme daS Crucifix, das immer auf dem
Tischchen in meiner Studirkammer lag und lege es auf die Bank und falle davor
nieder auf die Eröe. Ich kann es hier nicht beschreiben, aber damals habe
ich können fühlen den Geist des Gebetes und der Gnade, den du mein Herr
und Gott über mich ausgossest. Die Summa aber war diese: ich bat, daß du,


38*

Jndulgentien und Ablaß für Geld kaufen wollte, so könnte ich wol ein Buch
verkaufen und sie um mein eigen Geld kaufen. Ich' wollte sie aber umsonst,
geschenkt haben, um Gottes willen oder sie würden Rechenschaft vor Gott da¬
für geben, daß sie meiner Seele Seligkeit versäumt und verscherzt hätten wegen
sechs Pfennigen ; da doch beide, Gott und der Papst wollten, daß meine Seele
theilhaftig werden sollte der Vergebung aller meiner Sünden, umsonst, aus
Gnade. Dies sagte ich und wußte doch fürwahr nicht, wie es mit den Abla߬
briefen stünde. —

Endlich nach diesem Gespräch frugen mich die Priester, von wem ich daher
geschickt sei und wer mich abgerichtet habe, solche Sachen mit ihnen zu verhan¬
deln. Da habe ich ihnen die lautere klare Wahrheit gesagt, wie es war, daß
ich von ganz und gar keinem Menschen vermahnt oder angetrieben oder durch
Rathgeber dazu gebracht worden sei, sondern daß ich allein, ohne eines Men¬
schen Nath, nur im Vertrauen und Zuversicht aus die gnädige, umsonst ge¬
schenkte Vergebung der Sünden solche Bitte angestellt hätte und ich hätte Zeit
meines Lebens niemals mit solchen großen Leuten geredet oder etwas verhan¬
delt. Denn ich war von Natur schamhaft und wenn mich nicht der große
Durst nach der Gnade Gottes gezwungen hätte, so hätte ich nicht so etwas
Großes gewagt und mich nicht unter solche Leute gemengt und so etwas von
ihnen gebeten. Da wurden mir abermals die Ablaßbriefe verheißen, aber doch
s°, daß ich sie um sechs Pfennige kaufte und die sollten mir für meine Person
umsonst geschenkt sein. Ich aber bin darauf beständig geblieben, daß mir die
Ablaßbriefe von dem, der da Macht hatte, sie zu schenken, sollten umsonst geschenkt
werden, wo nicht, wollte ich die Sache dem lieben Gott befehlen und anheim¬
stellen. Und also wurde ich von ihnen entlassen.

Die heiligen Diebe wurden gleichwol traurig über diesen Handel, ich aber
war zum Theil betrübt, daß ich keinen Ablaßbrief bekommen hatte, zum Theil freute
ich mich auch, daß trotzdem noch einer im Himmel wäre, der da wollte ohne
Geld und Darlehn die Sünde dem bußfertigen Sünder vergeben, nach dem
Spruch, den ich oft in der Kirche gesungen hatte: So wahr ich lebe, spricht
Gott, will ich nicht den Tod des Sünders, sondern daß er bekehrt werde und
^be. . Ach lieber Herr und Gott, du weißt, daß ich hier in dieser Sache nicht
lüge oder etwas von mir erdichte. —,

Dabei war ich also bewegt, daß ich, indem ich heimging in meine Herberge,
^ier von Thränen zerflossen und zerschmolzen wäre. Also komme ich in meine
Herberge, gehe in meine Kammer und nehme daS Crucifix, das immer auf dem
Tischchen in meiner Studirkammer lag und lege es auf die Bank und falle davor
nieder auf die Eröe. Ich kann es hier nicht beschreiben, aber damals habe
ich können fühlen den Geist des Gebetes und der Gnade, den du mein Herr
und Gott über mich ausgossest. Die Summa aber war diese: ich bat, daß du,


38*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0307" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101834"/>
            <p xml:id="ID_788" prev="#ID_787"> Jndulgentien und Ablaß für Geld kaufen wollte, so könnte ich wol ein Buch<lb/>
verkaufen und sie um mein eigen Geld kaufen. Ich' wollte sie aber umsonst,<lb/>
geschenkt haben, um Gottes willen oder sie würden Rechenschaft vor Gott da¬<lb/>
für geben, daß sie meiner Seele Seligkeit versäumt und verscherzt hätten wegen<lb/>
sechs Pfennigen ; da doch beide, Gott und der Papst wollten, daß meine Seele<lb/>
theilhaftig werden sollte der Vergebung aller meiner Sünden, umsonst, aus<lb/>
Gnade. Dies sagte ich und wußte doch fürwahr nicht, wie es mit den Abla߬<lb/>
briefen stünde. &#x2014;</p><lb/>
            <p xml:id="ID_789"> Endlich nach diesem Gespräch frugen mich die Priester, von wem ich daher<lb/>
geschickt sei und wer mich abgerichtet habe, solche Sachen mit ihnen zu verhan¬<lb/>
deln. Da habe ich ihnen die lautere klare Wahrheit gesagt, wie es war, daß<lb/>
ich von ganz und gar keinem Menschen vermahnt oder angetrieben oder durch<lb/>
Rathgeber dazu gebracht worden sei, sondern daß ich allein, ohne eines Men¬<lb/>
schen Nath, nur im Vertrauen und Zuversicht aus die gnädige, umsonst ge¬<lb/>
schenkte Vergebung der Sünden solche Bitte angestellt hätte und ich hätte Zeit<lb/>
meines Lebens niemals mit solchen großen Leuten geredet oder etwas verhan¬<lb/>
delt. Denn ich war von Natur schamhaft und wenn mich nicht der große<lb/>
Durst nach der Gnade Gottes gezwungen hätte, so hätte ich nicht so etwas<lb/>
Großes gewagt und mich nicht unter solche Leute gemengt und so etwas von<lb/>
ihnen gebeten. Da wurden mir abermals die Ablaßbriefe verheißen, aber doch<lb/>
s°, daß ich sie um sechs Pfennige kaufte und die sollten mir für meine Person<lb/>
umsonst geschenkt sein. Ich aber bin darauf beständig geblieben, daß mir die<lb/>
Ablaßbriefe von dem, der da Macht hatte, sie zu schenken, sollten umsonst geschenkt<lb/>
werden, wo nicht, wollte ich die Sache dem lieben Gott befehlen und anheim¬<lb/>
stellen.  Und also wurde ich von ihnen entlassen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_790"> Die heiligen Diebe wurden gleichwol traurig über diesen Handel, ich aber<lb/>
war zum Theil betrübt, daß ich keinen Ablaßbrief bekommen hatte, zum Theil freute<lb/>
ich mich auch, daß trotzdem noch einer im Himmel wäre, der da wollte ohne<lb/>
Geld und Darlehn die Sünde dem bußfertigen Sünder vergeben, nach dem<lb/>
Spruch, den ich oft in der Kirche gesungen hatte: So wahr ich lebe, spricht<lb/>
Gott, will ich nicht den Tod des Sünders, sondern daß er bekehrt werde und<lb/>
^be. . Ach lieber Herr und Gott, du weißt, daß ich hier in dieser Sache nicht<lb/>
lüge oder etwas von mir erdichte. &#x2014;,</p><lb/>
            <p xml:id="ID_791" next="#ID_792"> Dabei war ich also bewegt, daß ich, indem ich heimging in meine Herberge,<lb/>
^ier von Thränen zerflossen und zerschmolzen wäre. Also komme ich in meine<lb/>
Herberge, gehe in meine Kammer und nehme daS Crucifix, das immer auf dem<lb/>
Tischchen in meiner Studirkammer lag und lege es auf die Bank und falle davor<lb/>
nieder auf die Eröe. Ich kann es hier nicht beschreiben, aber damals habe<lb/>
ich können fühlen den Geist des Gebetes und der Gnade, den du mein Herr<lb/>
und Gott über mich ausgossest. Die Summa aber war diese: ich bat, daß du,</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 38*</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0307] Jndulgentien und Ablaß für Geld kaufen wollte, so könnte ich wol ein Buch verkaufen und sie um mein eigen Geld kaufen. Ich' wollte sie aber umsonst, geschenkt haben, um Gottes willen oder sie würden Rechenschaft vor Gott da¬ für geben, daß sie meiner Seele Seligkeit versäumt und verscherzt hätten wegen sechs Pfennigen ; da doch beide, Gott und der Papst wollten, daß meine Seele theilhaftig werden sollte der Vergebung aller meiner Sünden, umsonst, aus Gnade. Dies sagte ich und wußte doch fürwahr nicht, wie es mit den Abla߬ briefen stünde. — Endlich nach diesem Gespräch frugen mich die Priester, von wem ich daher geschickt sei und wer mich abgerichtet habe, solche Sachen mit ihnen zu verhan¬ deln. Da habe ich ihnen die lautere klare Wahrheit gesagt, wie es war, daß ich von ganz und gar keinem Menschen vermahnt oder angetrieben oder durch Rathgeber dazu gebracht worden sei, sondern daß ich allein, ohne eines Men¬ schen Nath, nur im Vertrauen und Zuversicht aus die gnädige, umsonst ge¬ schenkte Vergebung der Sünden solche Bitte angestellt hätte und ich hätte Zeit meines Lebens niemals mit solchen großen Leuten geredet oder etwas verhan¬ delt. Denn ich war von Natur schamhaft und wenn mich nicht der große Durst nach der Gnade Gottes gezwungen hätte, so hätte ich nicht so etwas Großes gewagt und mich nicht unter solche Leute gemengt und so etwas von ihnen gebeten. Da wurden mir abermals die Ablaßbriefe verheißen, aber doch s°, daß ich sie um sechs Pfennige kaufte und die sollten mir für meine Person umsonst geschenkt sein. Ich aber bin darauf beständig geblieben, daß mir die Ablaßbriefe von dem, der da Macht hatte, sie zu schenken, sollten umsonst geschenkt werden, wo nicht, wollte ich die Sache dem lieben Gott befehlen und anheim¬ stellen. Und also wurde ich von ihnen entlassen. Die heiligen Diebe wurden gleichwol traurig über diesen Handel, ich aber war zum Theil betrübt, daß ich keinen Ablaßbrief bekommen hatte, zum Theil freute ich mich auch, daß trotzdem noch einer im Himmel wäre, der da wollte ohne Geld und Darlehn die Sünde dem bußfertigen Sünder vergeben, nach dem Spruch, den ich oft in der Kirche gesungen hatte: So wahr ich lebe, spricht Gott, will ich nicht den Tod des Sünders, sondern daß er bekehrt werde und ^be. . Ach lieber Herr und Gott, du weißt, daß ich hier in dieser Sache nicht lüge oder etwas von mir erdichte. —, Dabei war ich also bewegt, daß ich, indem ich heimging in meine Herberge, ^ier von Thränen zerflossen und zerschmolzen wäre. Also komme ich in meine Herberge, gehe in meine Kammer und nehme daS Crucifix, das immer auf dem Tischchen in meiner Studirkammer lag und lege es auf die Bank und falle davor nieder auf die Eröe. Ich kann es hier nicht beschreiben, aber damals habe ich können fühlen den Geist des Gebetes und der Gnade, den du mein Herr und Gott über mich ausgossest. Die Summa aber war diese: ich bat, daß du, 38*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/307
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/307>, abgerufen am 22.06.2024.