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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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Da fing ich einen Handel an mit den Commissarien dieses Ablaßkrams,
aber sührwahr es trieb und munterte mich hierzu auf der heilige Geist, wiewol
ich selber zur Zeit nicht verstand, was ich that.

Es hatte mich mein lieber Vater in meiner Kindheit gelehrt die zehn Ge¬
bote, das Vater Unser und den christlichen Glauben, und zwang mich, daß ich
immer beten mußte. Denn (er sagte) wir hätten alles allein von Gott, gratis,
Umsonst und er würde uns auch regieren und führen, wenn wir fleißig bete¬
ten. -- Von den Jndulgenticn und römischem Ablaß sagte er, es wären nur
Netze, womit man den Einfältigen, das Geld abfischte und aus dem Beutel
nähme, und man könnte gewiß die Vergebung der Sünden und das ewige
Leben mit Geld nicht kaufen und zu Wege bringen. Aber die Priester oder
Pfaffen wurden zornig und schellig, wenn man solches sagje. Dieweil ich denn
in den Predigten täglich nichts Anderes hörte, denn das große Lob des Ab¬
lasses, blieb ich im Zweifel, wem ich mehr glauben sollte, meinem lieben Vater
oder den Priestern als Lehrern der Kirche. Ich stund im Zweifel, aber doch
glaubte ich mehr den Priestern, als meines Vaters Unterricht. Aber das
Einzige ließ ich nicht zu, daß die Vergebung der Sünde nicht könnte erlangt
werden, außer wenn sie mit Geld erkauft würde, zumal von den Armen. Des¬
halb gefiel mir wnndcrwol die vlausuls, am Ende von des Papstes Brief:
^auperiKus gratis "ZsrUur propter Deruu. --

Und als man in drei Tagen das Kreuz mit sonderlicher Herrlichkeit nieder¬
legen und die Stufen und Leitern zum Himmel abhauen wollte, trieb mich der
Geist, daß ich zu den Commissarien ging und sie um die Briefe von der Ver¬
gebung der Sünden bat "aus Gnade für die Armen". Ich gab auch an, ich
wäre ein Sünder und arm und bedürfte der Vergebung der Sünden, die aus
Gnaden geschähe. Am zweiten Tage um die Vesperzeit trat ich in Hans
Pflocks Haus, wo der Tetzel mit den Beichtvätern und Haufen von Priestern
beisammen war, und habe sie mit lateinischer Sprache angeredet und gebeten,
daß sie mir Armen, nach dem Befehl in des Papstes Brief wollten gestatten,
üU bitten um die Absolution von aOen meinen Sünden, umsonst und um
Gottes willen, "ztlaru null" 0K8U resörvatv, ohne Vorbehalt eines einzigen
Falles, und darüber sollten sie mir liters-Z testiluoniales des Papstes oder
schriftlich Zeugniß geben. Da> haben sich die Priester verwundert über meine
lateinische Rede, denn das war in dieser Zeit ein seltenes Ding, sonderlich bei
^n jungen Knaben, und gingen bald aus der Stube in die Kammer, die
daneben war, zu dem Herrn Comissar Tetzel. Sie zeigten ihn mein Begehr
"N, und baten auch für mich, daß er mir umsonst die Ablaßbriefe geben möchte.
Endlich nach langer Berathschlagung kommen sie wieder und bringen diese
Antwort: lieber Sohn, wir haben deine Bitte dem Herrn Commissario fleißig
Vorgetragen, und er bekennet, er wolle gern deine Bitte gewähren, aber er


Grenzboten. n. i8S6. 38

Da fing ich einen Handel an mit den Commissarien dieses Ablaßkrams,
aber sührwahr es trieb und munterte mich hierzu auf der heilige Geist, wiewol
ich selber zur Zeit nicht verstand, was ich that.

Es hatte mich mein lieber Vater in meiner Kindheit gelehrt die zehn Ge¬
bote, das Vater Unser und den christlichen Glauben, und zwang mich, daß ich
immer beten mußte. Denn (er sagte) wir hätten alles allein von Gott, gratis,
Umsonst und er würde uns auch regieren und führen, wenn wir fleißig bete¬
ten. — Von den Jndulgenticn und römischem Ablaß sagte er, es wären nur
Netze, womit man den Einfältigen, das Geld abfischte und aus dem Beutel
nähme, und man könnte gewiß die Vergebung der Sünden und das ewige
Leben mit Geld nicht kaufen und zu Wege bringen. Aber die Priester oder
Pfaffen wurden zornig und schellig, wenn man solches sagje. Dieweil ich denn
in den Predigten täglich nichts Anderes hörte, denn das große Lob des Ab¬
lasses, blieb ich im Zweifel, wem ich mehr glauben sollte, meinem lieben Vater
oder den Priestern als Lehrern der Kirche. Ich stund im Zweifel, aber doch
glaubte ich mehr den Priestern, als meines Vaters Unterricht. Aber das
Einzige ließ ich nicht zu, daß die Vergebung der Sünde nicht könnte erlangt
werden, außer wenn sie mit Geld erkauft würde, zumal von den Armen. Des¬
halb gefiel mir wnndcrwol die vlausuls, am Ende von des Papstes Brief:
^auperiKus gratis «ZsrUur propter Deruu. —

Und als man in drei Tagen das Kreuz mit sonderlicher Herrlichkeit nieder¬
legen und die Stufen und Leitern zum Himmel abhauen wollte, trieb mich der
Geist, daß ich zu den Commissarien ging und sie um die Briefe von der Ver¬
gebung der Sünden bat „aus Gnade für die Armen". Ich gab auch an, ich
wäre ein Sünder und arm und bedürfte der Vergebung der Sünden, die aus
Gnaden geschähe. Am zweiten Tage um die Vesperzeit trat ich in Hans
Pflocks Haus, wo der Tetzel mit den Beichtvätern und Haufen von Priestern
beisammen war, und habe sie mit lateinischer Sprache angeredet und gebeten,
daß sie mir Armen, nach dem Befehl in des Papstes Brief wollten gestatten,
üU bitten um die Absolution von aOen meinen Sünden, umsonst und um
Gottes willen, «ztlaru null» 0K8U resörvatv, ohne Vorbehalt eines einzigen
Falles, und darüber sollten sie mir liters-Z testiluoniales des Papstes oder
schriftlich Zeugniß geben. Da> haben sich die Priester verwundert über meine
lateinische Rede, denn das war in dieser Zeit ein seltenes Ding, sonderlich bei
^n jungen Knaben, und gingen bald aus der Stube in die Kammer, die
daneben war, zu dem Herrn Comissar Tetzel. Sie zeigten ihn mein Begehr
"N, und baten auch für mich, daß er mir umsonst die Ablaßbriefe geben möchte.
Endlich nach langer Berathschlagung kommen sie wieder und bringen diese
Antwort: lieber Sohn, wir haben deine Bitte dem Herrn Commissario fleißig
Vorgetragen, und er bekennet, er wolle gern deine Bitte gewähren, aber er


Grenzboten. n. i8S6. 38
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/305>, abgerufen am 22.06.2024.