Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

und Stallungen in der Stadt gesunden. Der Grund ist einfach der, daß man
in Pompeji (außer mit Lastwagen) nicht fuhr. Wenn daher Bulwer in den
letzten Tagen von Pompeji (die überhaupt eine Caricatur des antiken Lebens
sind, trotz aller Ostentation mit gelehrten Citaten) die jungen Gentlemen in
eleganten Wagen durch die Straßen kutschiren läßt, so ist das ein starker Ver¬
stoß gegen das Costüm. Der Wagen war im römischen Alterthum die Aus¬
zeichnung des Triumphators und der Priesterin, der Bürger aber ging zu
Fuße, selbst die hochgestelltesten Personen; und wem das zu unbequem war,
konnte sich in einer Sänfte tragen lassen, aber weder fahren noch reiten, denn
das letztere galt als zu militärisch. Kaiser Claudius erinnerte durch ein Edict,
daß selbst Reisende die Städte Italiens nur zu Fuß passiren dürften oder in
einer Sänfte oder Chaise. Daß das Verbot öfter übertreten wurde, geht aus
einem, abermaligen Edict Marc Aurels hervor, der dasselbe einschärfte. Es
waren also nur Lastwagen, die in den Städten hin- und herfuhren, und diese
sind es, von deren Rädern die tief aufgefahrenen Gleise von Pompeji her¬
rühren. Erst im dritten Jahrhundert wurde mit dem Überhandnehmen orien¬
talischer Sitte der Gebrauch des Wagens in Rom gewöhnlich.

So muß man sich also die pompejanischen Straßen vorstellen, schmal, gut
gepflastert, von Mauern eingefaßt, in denen hin und wieder in einem obern
Stockwerk eine Fensteröffnung erschien, aber zu beiden Seiten von Läden
und Buden besetzt, und in der Mitte von dem Gewimmel der Fußgänger
belebt.

Auch die öffentlichen Plätze Pompejis sind natürlich klein, aber hier war
es, wo sich der Glanz der antiken Städte am meisten entfaltete. Mit Mar¬
morplatten gepflastert, von Colonnaden und öffentlichen Gebäuden eingefaßt,
mit Statuen erfüllt, muß auch daS pompejanische Forum im Alterthum einen
sehr stattlichen Anblick geboten haben. Worin sich die alten Städte sehr zum
Vortheil von den modernen unterschieden, das war grade die Pracht und
Schönheit aller öffentlichen Bauten. Es war der republikanische und später
der municipale Sinn, der diese Werke schuf, deren Ueberreste uns noch jetzt in
Erstaunen setzen, wenn wir die geringe Bedeutung der Orte erwägen, denen sie
angehört haben. Eine Beschreibung der Ueberbleibsel auf dem pompejanischen
Forum mag man bei Overbeck nachlesen, hier soll nur an einen Umstand er¬
innert werden, der die Städte des Alterthums von den neuern charak¬
teristisch unterscheidet. Dies war die große Menge der öffentlich aufgestellten
Ehrenstatuen, die nur in einem Lande denkbar ist, wo das Material sehr billig
ist, und in einer Zeit, wo Kunst und Handwerk ineinander übergehen. Unter
solchen Umständen ist es erklärlich, daß auch in kleinern Orten die Statuen
gleichsam wie Pilze aus der Erde wuchsen. Pompeji hat nicht lange genug
gestanden, um viele Kaiserstatuen zu haben; man kann aber mit Sicherheit an-


und Stallungen in der Stadt gesunden. Der Grund ist einfach der, daß man
in Pompeji (außer mit Lastwagen) nicht fuhr. Wenn daher Bulwer in den
letzten Tagen von Pompeji (die überhaupt eine Caricatur des antiken Lebens
sind, trotz aller Ostentation mit gelehrten Citaten) die jungen Gentlemen in
eleganten Wagen durch die Straßen kutschiren läßt, so ist das ein starker Ver¬
stoß gegen das Costüm. Der Wagen war im römischen Alterthum die Aus¬
zeichnung des Triumphators und der Priesterin, der Bürger aber ging zu
Fuße, selbst die hochgestelltesten Personen; und wem das zu unbequem war,
konnte sich in einer Sänfte tragen lassen, aber weder fahren noch reiten, denn
das letztere galt als zu militärisch. Kaiser Claudius erinnerte durch ein Edict,
daß selbst Reisende die Städte Italiens nur zu Fuß passiren dürften oder in
einer Sänfte oder Chaise. Daß das Verbot öfter übertreten wurde, geht aus
einem, abermaligen Edict Marc Aurels hervor, der dasselbe einschärfte. Es
waren also nur Lastwagen, die in den Städten hin- und herfuhren, und diese
sind es, von deren Rädern die tief aufgefahrenen Gleise von Pompeji her¬
rühren. Erst im dritten Jahrhundert wurde mit dem Überhandnehmen orien¬
talischer Sitte der Gebrauch des Wagens in Rom gewöhnlich.

So muß man sich also die pompejanischen Straßen vorstellen, schmal, gut
gepflastert, von Mauern eingefaßt, in denen hin und wieder in einem obern
Stockwerk eine Fensteröffnung erschien, aber zu beiden Seiten von Läden
und Buden besetzt, und in der Mitte von dem Gewimmel der Fußgänger
belebt.

Auch die öffentlichen Plätze Pompejis sind natürlich klein, aber hier war
es, wo sich der Glanz der antiken Städte am meisten entfaltete. Mit Mar¬
morplatten gepflastert, von Colonnaden und öffentlichen Gebäuden eingefaßt,
mit Statuen erfüllt, muß auch daS pompejanische Forum im Alterthum einen
sehr stattlichen Anblick geboten haben. Worin sich die alten Städte sehr zum
Vortheil von den modernen unterschieden, das war grade die Pracht und
Schönheit aller öffentlichen Bauten. Es war der republikanische und später
der municipale Sinn, der diese Werke schuf, deren Ueberreste uns noch jetzt in
Erstaunen setzen, wenn wir die geringe Bedeutung der Orte erwägen, denen sie
angehört haben. Eine Beschreibung der Ueberbleibsel auf dem pompejanischen
Forum mag man bei Overbeck nachlesen, hier soll nur an einen Umstand er¬
innert werden, der die Städte des Alterthums von den neuern charak¬
teristisch unterscheidet. Dies war die große Menge der öffentlich aufgestellten
Ehrenstatuen, die nur in einem Lande denkbar ist, wo das Material sehr billig
ist, und in einer Zeit, wo Kunst und Handwerk ineinander übergehen. Unter
solchen Umständen ist es erklärlich, daß auch in kleinern Orten die Statuen
gleichsam wie Pilze aus der Erde wuchsen. Pompeji hat nicht lange genug
gestanden, um viele Kaiserstatuen zu haben; man kann aber mit Sicherheit an-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0030" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101557"/>
            <p xml:id="ID_53" prev="#ID_52"> und Stallungen in der Stadt gesunden. Der Grund ist einfach der, daß man<lb/>
in Pompeji (außer mit Lastwagen) nicht fuhr. Wenn daher Bulwer in den<lb/>
letzten Tagen von Pompeji (die überhaupt eine Caricatur des antiken Lebens<lb/>
sind, trotz aller Ostentation mit gelehrten Citaten) die jungen Gentlemen in<lb/>
eleganten Wagen durch die Straßen kutschiren läßt, so ist das ein starker Ver¬<lb/>
stoß gegen das Costüm. Der Wagen war im römischen Alterthum die Aus¬<lb/>
zeichnung des Triumphators und der Priesterin, der Bürger aber ging zu<lb/>
Fuße, selbst die hochgestelltesten Personen; und wem das zu unbequem war,<lb/>
konnte sich in einer Sänfte tragen lassen, aber weder fahren noch reiten, denn<lb/>
das letztere galt als zu militärisch. Kaiser Claudius erinnerte durch ein Edict,<lb/>
daß selbst Reisende die Städte Italiens nur zu Fuß passiren dürften oder in<lb/>
einer Sänfte oder Chaise. Daß das Verbot öfter übertreten wurde, geht aus<lb/>
einem, abermaligen Edict Marc Aurels hervor, der dasselbe einschärfte. Es<lb/>
waren also nur Lastwagen, die in den Städten hin- und herfuhren, und diese<lb/>
sind es, von deren Rädern die tief aufgefahrenen Gleise von Pompeji her¬<lb/>
rühren. Erst im dritten Jahrhundert wurde mit dem Überhandnehmen orien¬<lb/>
talischer Sitte der Gebrauch des Wagens in Rom gewöhnlich.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_54"> So muß man sich also die pompejanischen Straßen vorstellen, schmal, gut<lb/>
gepflastert, von Mauern eingefaßt, in denen hin und wieder in einem obern<lb/>
Stockwerk eine Fensteröffnung erschien, aber zu beiden Seiten von Läden<lb/>
und Buden besetzt, und in der Mitte von dem Gewimmel der Fußgänger<lb/>
belebt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_55" next="#ID_56"> Auch die öffentlichen Plätze Pompejis sind natürlich klein, aber hier war<lb/>
es, wo sich der Glanz der antiken Städte am meisten entfaltete. Mit Mar¬<lb/>
morplatten gepflastert, von Colonnaden und öffentlichen Gebäuden eingefaßt,<lb/>
mit Statuen erfüllt, muß auch daS pompejanische Forum im Alterthum einen<lb/>
sehr stattlichen Anblick geboten haben. Worin sich die alten Städte sehr zum<lb/>
Vortheil von den modernen unterschieden, das war grade die Pracht und<lb/>
Schönheit aller öffentlichen Bauten. Es war der republikanische und später<lb/>
der municipale Sinn, der diese Werke schuf, deren Ueberreste uns noch jetzt in<lb/>
Erstaunen setzen, wenn wir die geringe Bedeutung der Orte erwägen, denen sie<lb/>
angehört haben. Eine Beschreibung der Ueberbleibsel auf dem pompejanischen<lb/>
Forum mag man bei Overbeck nachlesen, hier soll nur an einen Umstand er¬<lb/>
innert werden, der die Städte des Alterthums von den neuern charak¬<lb/>
teristisch unterscheidet. Dies war die große Menge der öffentlich aufgestellten<lb/>
Ehrenstatuen, die nur in einem Lande denkbar ist, wo das Material sehr billig<lb/>
ist, und in einer Zeit, wo Kunst und Handwerk ineinander übergehen. Unter<lb/>
solchen Umständen ist es erklärlich, daß auch in kleinern Orten die Statuen<lb/>
gleichsam wie Pilze aus der Erde wuchsen. Pompeji hat nicht lange genug<lb/>
gestanden, um viele Kaiserstatuen zu haben; man kann aber mit Sicherheit an-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0030] und Stallungen in der Stadt gesunden. Der Grund ist einfach der, daß man in Pompeji (außer mit Lastwagen) nicht fuhr. Wenn daher Bulwer in den letzten Tagen von Pompeji (die überhaupt eine Caricatur des antiken Lebens sind, trotz aller Ostentation mit gelehrten Citaten) die jungen Gentlemen in eleganten Wagen durch die Straßen kutschiren läßt, so ist das ein starker Ver¬ stoß gegen das Costüm. Der Wagen war im römischen Alterthum die Aus¬ zeichnung des Triumphators und der Priesterin, der Bürger aber ging zu Fuße, selbst die hochgestelltesten Personen; und wem das zu unbequem war, konnte sich in einer Sänfte tragen lassen, aber weder fahren noch reiten, denn das letztere galt als zu militärisch. Kaiser Claudius erinnerte durch ein Edict, daß selbst Reisende die Städte Italiens nur zu Fuß passiren dürften oder in einer Sänfte oder Chaise. Daß das Verbot öfter übertreten wurde, geht aus einem, abermaligen Edict Marc Aurels hervor, der dasselbe einschärfte. Es waren also nur Lastwagen, die in den Städten hin- und herfuhren, und diese sind es, von deren Rädern die tief aufgefahrenen Gleise von Pompeji her¬ rühren. Erst im dritten Jahrhundert wurde mit dem Überhandnehmen orien¬ talischer Sitte der Gebrauch des Wagens in Rom gewöhnlich. So muß man sich also die pompejanischen Straßen vorstellen, schmal, gut gepflastert, von Mauern eingefaßt, in denen hin und wieder in einem obern Stockwerk eine Fensteröffnung erschien, aber zu beiden Seiten von Läden und Buden besetzt, und in der Mitte von dem Gewimmel der Fußgänger belebt. Auch die öffentlichen Plätze Pompejis sind natürlich klein, aber hier war es, wo sich der Glanz der antiken Städte am meisten entfaltete. Mit Mar¬ morplatten gepflastert, von Colonnaden und öffentlichen Gebäuden eingefaßt, mit Statuen erfüllt, muß auch daS pompejanische Forum im Alterthum einen sehr stattlichen Anblick geboten haben. Worin sich die alten Städte sehr zum Vortheil von den modernen unterschieden, das war grade die Pracht und Schönheit aller öffentlichen Bauten. Es war der republikanische und später der municipale Sinn, der diese Werke schuf, deren Ueberreste uns noch jetzt in Erstaunen setzen, wenn wir die geringe Bedeutung der Orte erwägen, denen sie angehört haben. Eine Beschreibung der Ueberbleibsel auf dem pompejanischen Forum mag man bei Overbeck nachlesen, hier soll nur an einen Umstand er¬ innert werden, der die Städte des Alterthums von den neuern charak¬ teristisch unterscheidet. Dies war die große Menge der öffentlich aufgestellten Ehrenstatuen, die nur in einem Lande denkbar ist, wo das Material sehr billig ist, und in einer Zeit, wo Kunst und Handwerk ineinander übergehen. Unter solchen Umständen ist es erklärlich, daß auch in kleinern Orten die Statuen gleichsam wie Pilze aus der Erde wuchsen. Pompeji hat nicht lange genug gestanden, um viele Kaiserstatuen zu haben; man kann aber mit Sicherheit an-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/30
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/30>, abgerufen am 05.07.2024.