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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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Wie sehr man diesen Uebelstand selbst in Rom empfand, das doch nach
dem Neronischen Brande breite Straßen erhalten hatte, lehrt uns ein Epigramm
von Martial. Ganz Rom war ein großer Laden geworden, alle Straßen von
Krämern und Händlern, Schenkwirthen und Barbieren in Beschlag genommen,
es gab keine Hausschwellen mehr. Hier hingen am Pfeiler der Kneipe an¬
gekettete Weinflaschen, dort schwang mitten im dichtesten Gedränge der Bartner
sein Scheermesser dampfende Garküchen und Fleischladen waren überall in den
Weg hineingebaut und Prätoren und Consuln sahen sich gezwungen, durch den
Koth des Fahrdamms zu wandeln. Domitian schränkte diese Buden em und
nun wurden die Straßen, die bloße Pfade gewesen waren, wieder für den
Verkehr wegsam. Noch viel mehr muß der Uebelstand in Pompeji merklich ge¬
wesen sein, dessen Straßen sehr schmal sind: man zog diese den breitern wegen
des reichlicheren Schattens vor. Fast jedes Haus hatte gegen die Gassense.te
ewige mit gemauerten-Ladentischen versehene Buden, die vermuthlich in den,
meisten Fällen den Hausbesitzern gehörten und von ihnen zu eignen Geschäften
benutzt oder vermiethet wurden. Es fehlt nicht an zahlreichen Spuren. die auf
die einst hier betriebenen Geschäfte schließen lassen. Da enthalten die Platten
der Ladentische die geringelten Spuren von Tassen oder kleinen Gefäßen, wo
einst Getränke verkauft wurden; in andern waren irdene Behälter eingemauert,
in denen sich noch Bohnen und Oliven fanden; eine Bildhauerwerkstatt enthielt
noch unvollendete Statuen, Marmorstücken und Werkzeuge. Die Bäckereien standen
überall an den Vereinigungspunkten der Gassen. Handmühlen sind in mehrern
derselben gefunden. So waren also in dieser Beziehung wenigstens die pom-
pejanisclsen Straßen den neapolitanischen ähnlich, wo Handwerker und Händler
vor ihren Läden sitzen und mitten im Gewühl arbeiten.

Die Straßen Pompejis sind vortrefflich mit großen unregelmäßigen
Lavaplatten gepflastert, die sorgfältig ineinandergefügt sind: Zeugnisse eines
Vesuvausbruchs, der jenseit der historischen Zeit liegt; die Alten betrach¬
teten den Vesuv als einen ausgebrannten Vulkan. In beiden Seiten des
Fahrdamms befindet sich überall ein eingefaßtes Trottoir. "Das Eigenthüm¬
liche der alten Stadtanlage ist aber, daß jede Straße eine parallele Hinter-
gnsse hat, ohne Bürgersteig und so schmal, daß Wagen nicht ausbeugen
können. Man erkennt, daß diese Gassen blos zur Communication für Fu߬
gänger bestimmt waren. Die Däuser gehen fast alle von einer Straße zu einer
Hintergasse durch und haben zwei Eingänge, einen vordern für das öffentliche
Geschäft und einen rückwärts oder zur Seite belegenen für die Familie."

Man hat sich oft darüber gewundert, daß die Straßeneingänge der Häuser in
Pompeji nirgend zu Einfahrten eingerichtet sind, in der Regel sind (abgesehen
vom Trottoir) Thüren und Thore gegen die Gasse hin ein bis zwei Fuß er¬
höht und viele mit Stufen versehen. Auch haben sich nirgend Wagenschoppen


Wie sehr man diesen Uebelstand selbst in Rom empfand, das doch nach
dem Neronischen Brande breite Straßen erhalten hatte, lehrt uns ein Epigramm
von Martial. Ganz Rom war ein großer Laden geworden, alle Straßen von
Krämern und Händlern, Schenkwirthen und Barbieren in Beschlag genommen,
es gab keine Hausschwellen mehr. Hier hingen am Pfeiler der Kneipe an¬
gekettete Weinflaschen, dort schwang mitten im dichtesten Gedränge der Bartner
sein Scheermesser dampfende Garküchen und Fleischladen waren überall in den
Weg hineingebaut und Prätoren und Consuln sahen sich gezwungen, durch den
Koth des Fahrdamms zu wandeln. Domitian schränkte diese Buden em und
nun wurden die Straßen, die bloße Pfade gewesen waren, wieder für den
Verkehr wegsam. Noch viel mehr muß der Uebelstand in Pompeji merklich ge¬
wesen sein, dessen Straßen sehr schmal sind: man zog diese den breitern wegen
des reichlicheren Schattens vor. Fast jedes Haus hatte gegen die Gassense.te
ewige mit gemauerten-Ladentischen versehene Buden, die vermuthlich in den,
meisten Fällen den Hausbesitzern gehörten und von ihnen zu eignen Geschäften
benutzt oder vermiethet wurden. Es fehlt nicht an zahlreichen Spuren. die auf
die einst hier betriebenen Geschäfte schließen lassen. Da enthalten die Platten
der Ladentische die geringelten Spuren von Tassen oder kleinen Gefäßen, wo
einst Getränke verkauft wurden; in andern waren irdene Behälter eingemauert,
in denen sich noch Bohnen und Oliven fanden; eine Bildhauerwerkstatt enthielt
noch unvollendete Statuen, Marmorstücken und Werkzeuge. Die Bäckereien standen
überall an den Vereinigungspunkten der Gassen. Handmühlen sind in mehrern
derselben gefunden. So waren also in dieser Beziehung wenigstens die pom-
pejanisclsen Straßen den neapolitanischen ähnlich, wo Handwerker und Händler
vor ihren Läden sitzen und mitten im Gewühl arbeiten.

Die Straßen Pompejis sind vortrefflich mit großen unregelmäßigen
Lavaplatten gepflastert, die sorgfältig ineinandergefügt sind: Zeugnisse eines
Vesuvausbruchs, der jenseit der historischen Zeit liegt; die Alten betrach¬
teten den Vesuv als einen ausgebrannten Vulkan. In beiden Seiten des
Fahrdamms befindet sich überall ein eingefaßtes Trottoir. „Das Eigenthüm¬
liche der alten Stadtanlage ist aber, daß jede Straße eine parallele Hinter-
gnsse hat, ohne Bürgersteig und so schmal, daß Wagen nicht ausbeugen
können. Man erkennt, daß diese Gassen blos zur Communication für Fu߬
gänger bestimmt waren. Die Däuser gehen fast alle von einer Straße zu einer
Hintergasse durch und haben zwei Eingänge, einen vordern für das öffentliche
Geschäft und einen rückwärts oder zur Seite belegenen für die Familie."

Man hat sich oft darüber gewundert, daß die Straßeneingänge der Häuser in
Pompeji nirgend zu Einfahrten eingerichtet sind, in der Regel sind (abgesehen
vom Trottoir) Thüren und Thore gegen die Gasse hin ein bis zwei Fuß er¬
höht und viele mit Stufen versehen. Auch haben sich nirgend Wagenschoppen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/29>, abgerufen am 21.06.2024.