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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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Pompeji und Hemllllmml.
^,'2'.;,

Nachdem wir in einem früheren Aufsatze die Entdeckungsgeschichte von
Herculanum und Pompeji kurz erzählt haben, wollen wir nun versuchen, in
allgemeinen Umrissen ein Bild von Pompeji, wie es war, zu entwerfen, so weit
die vorhandenen Ueberreste und die sonst aus dem Alterthum erhaltenen Nach¬
richten dies gestatten. Dabei werden wir nicht auf Beschreibungen einzelner
Häuser, Tempel u. f. w. eingehn, die ohne Abbildungen doch keine Anschauung
geben, sondern nur die charakteristischen Eigenthümlichkeiten der alten Stadt
hervorheben, besonders die, welche sie von den uns bekannten Städten unter¬
scheiden.

Schon ihre. Straßen waren denen moderner Städte sehr unähnlich. Bei
uns verleihen die Häuserreihen, welche die Verkehrswege von beiden Seiten
einfassen, diesen einen bestimmten Charakter; in den Fronten der Häuser spiegelt
sich die Lebensweise der Einwohner wieder; sie belehren uns auf den ersten
Blick, ob wir uns in einem aristokratischen oder handeltreibenden, einem vor¬
nehmen oder gemeinen Quartier befinden. Unsre Straßen erhalten ihr eigen¬
thümliches Leben dadurch, daß die Wohnungen ihnen zugekehrt sind und durch
die Fenster mit ihnen communiciren. Bei den Alten, wie noch jetzt im Orient,
war es anders. Das Leben des Hauses war nach innen gekehrt, ein Hof¬
raum, der in seiner Mitte lag, war das Centrum, um'das eS sich bewegte, und
die Straßenmauer hatte keinen andern Zweck, als die Privatwohnung von dem
öffentlichen Verkehr zu trennen. Sie hatte daher im Erdgeschoß wenigstens kein
Fenster, weil die Wohnzimmer ihr Licht vom Hofe aus empfingen, nur in
den obern Stockwerken waren Fenster nach der Straße, aber unregelmäßig und
vereinzelt, keinesfalls Fensterreihen, wie wir sie zu sehen gewöhnt sind. "Auf
die nämliche Art, sagt Winckelmann, sind die Häuser in Aleppo gebaut, wie
mir ein Missionar erzählte, so daß man aus den Straßen wie mitten in
Festungswerken geht, wo man nichts als hohe Mauern erblickt. Wie bedaure
ich das arme weibliche Geschlecht bei den Alten!" Von einem Charakter der
Straße konnte also hier so wenig die Rede sein, als bei Wegen, die von
Gartenmauern eingefaßt sind. -- Natürlich ist auch die Straßenseite der Häuser
möglichst einfach und schmucklos, außer daß etwa rothe und gelbe Ziegel stufen¬
weis miteinander abwechseln.

Es gab aber doch ein Mittelglied zwischen Privatbesitz und Straßenver¬
kehr, zwar nicht in den Häuserfronten selbst, aber unmittelbar davor. Der Er¬
werb, der sich nicht in den Straßenseiten der Privatwohnungen einnisten
konnte, wie bei uns, siedelte sich vor ihnen an und diese Buden und Läden
verengten natürlich die Straßen erheblich.


Pompeji und Hemllllmml.
^,'2'.;,

Nachdem wir in einem früheren Aufsatze die Entdeckungsgeschichte von
Herculanum und Pompeji kurz erzählt haben, wollen wir nun versuchen, in
allgemeinen Umrissen ein Bild von Pompeji, wie es war, zu entwerfen, so weit
die vorhandenen Ueberreste und die sonst aus dem Alterthum erhaltenen Nach¬
richten dies gestatten. Dabei werden wir nicht auf Beschreibungen einzelner
Häuser, Tempel u. f. w. eingehn, die ohne Abbildungen doch keine Anschauung
geben, sondern nur die charakteristischen Eigenthümlichkeiten der alten Stadt
hervorheben, besonders die, welche sie von den uns bekannten Städten unter¬
scheiden.

Schon ihre. Straßen waren denen moderner Städte sehr unähnlich. Bei
uns verleihen die Häuserreihen, welche die Verkehrswege von beiden Seiten
einfassen, diesen einen bestimmten Charakter; in den Fronten der Häuser spiegelt
sich die Lebensweise der Einwohner wieder; sie belehren uns auf den ersten
Blick, ob wir uns in einem aristokratischen oder handeltreibenden, einem vor¬
nehmen oder gemeinen Quartier befinden. Unsre Straßen erhalten ihr eigen¬
thümliches Leben dadurch, daß die Wohnungen ihnen zugekehrt sind und durch
die Fenster mit ihnen communiciren. Bei den Alten, wie noch jetzt im Orient,
war es anders. Das Leben des Hauses war nach innen gekehrt, ein Hof¬
raum, der in seiner Mitte lag, war das Centrum, um'das eS sich bewegte, und
die Straßenmauer hatte keinen andern Zweck, als die Privatwohnung von dem
öffentlichen Verkehr zu trennen. Sie hatte daher im Erdgeschoß wenigstens kein
Fenster, weil die Wohnzimmer ihr Licht vom Hofe aus empfingen, nur in
den obern Stockwerken waren Fenster nach der Straße, aber unregelmäßig und
vereinzelt, keinesfalls Fensterreihen, wie wir sie zu sehen gewöhnt sind. „Auf
die nämliche Art, sagt Winckelmann, sind die Häuser in Aleppo gebaut, wie
mir ein Missionar erzählte, so daß man aus den Straßen wie mitten in
Festungswerken geht, wo man nichts als hohe Mauern erblickt. Wie bedaure
ich das arme weibliche Geschlecht bei den Alten!" Von einem Charakter der
Straße konnte also hier so wenig die Rede sein, als bei Wegen, die von
Gartenmauern eingefaßt sind. — Natürlich ist auch die Straßenseite der Häuser
möglichst einfach und schmucklos, außer daß etwa rothe und gelbe Ziegel stufen¬
weis miteinander abwechseln.

Es gab aber doch ein Mittelglied zwischen Privatbesitz und Straßenver¬
kehr, zwar nicht in den Häuserfronten selbst, aber unmittelbar davor. Der Er¬
werb, der sich nicht in den Straßenseiten der Privatwohnungen einnisten
konnte, wie bei uns, siedelte sich vor ihnen an und diese Buden und Läden
verengten natürlich die Straßen erheblich.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/28>, abgerufen am 21.06.2024.