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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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sein Blut auf dem Schlachtfelde öder auf dem Schaffte für erbliche Monarchie
vergoß, war einfach, daß er kein Verräther sei. Nach all der strengen Schule,' die
der entsetzte König durchgemacht hatte, war er noch ebenso geneigt, die englische
Kirche zu plündern und zu erniedrigen, wie an dem Tage, wo er den knienden Kol¬
legialen von Magdalene gesagt hatte, sie sollten ihm aus den Augen gehen, oder
an dem Tage, wo er die Bischöfe in den Tower schickte. Er pflegte zu erklären,
daß er lieber ohne England wiederzusehen, sterben, als sich herablassen würde,
mit denen zu capituliren, denen er zu befehlen hätte. In der Deklaration vom
April 1692 erscheint der ganze Mensch ohne Verhüllung, voll von seinen ein¬
gebildeten Rechten, unfähig zu begreifen, wie irgend jemand außer ihm irgend
welche Rechte haben könne, beschränkt, halsstarrig und grausam. Ein andrer
Aufsatz, den er in derselben Zeit entwarf, zeigte, womöglich noch klarer, wie
wenig er durch eine scharfe Erfahrung gewonnen hatte. In diesem Aufsatze legte
er den Plan dar, nach welchem er zu regieren beabsichtige, wenn er wieder ein¬
gesetzt werden sollte. Er stellte als Regel auf, daß ein Commissär des Schatzes,
einer 'der zwei Staatssecretäre, der Knegssecretär, die Mehrzahl der Hofbeamten
des Hofstaats, die Mehrzahl der Kammerherren, die Mehrzahl der Armeeoffi¬
ziere stets römische Katholiken sein sollten.

Die Beschreibung ist nicht ohne die entsprechenden Parallelen aus der
neuern Zeit. Mehr und mehr sängt man auch in den bisherigen legitimistischen
Kreisen an, das Princip der abstracten Legitimität aufzugeben, in der Erkennt¬
niß, daß die Geschichte an abgestorbenen Formen sich nicht entwickeln kann.




Einige Bemerkungen über die Gesetzgebung in Ehesachen.

Der Bruch mit den Prinzipien des Landrechts und das Endziel der
"von dem Geheimen Justiz- und Oberconsi'stvrialrath Professor IN'. Stahl
verkündeten sittlichen und religiösen Reaction in der E h e sche it un g ssrage.
Zur Ehrenrettung des Landrechts dargelegt aus den Verhandlungen der ersten
Kammer. Breslau, Kern. --

Wenn wir die Bemühungen der reactionären Partei, die Scheidungsgründe
zu erschweren, Bemühungen, die in Preußen schon seit Savignys Zeit un¬
unterbrochen sortgesetzt werden, bis zu ihrem Princip verfolgen, so wird sich
ergeben, daß sie die Ehe als ein inisschließlich kirchliches Institut betrachtet,
während das Landrecht den doppelten Charakter derselben, den bürgerlichen und
den kirchlichen, anerkennt, seinerseits aber, wie eS in der Natur der Sache liegt,
nur auf den ersteren Rücksicht nimmt.

Die Partei nennt sich gern die historische Schule; sie ist aber dies Mal,
wie in den meisten andern Fällen, so unhistorisch als möglich.


sein Blut auf dem Schlachtfelde öder auf dem Schaffte für erbliche Monarchie
vergoß, war einfach, daß er kein Verräther sei. Nach all der strengen Schule,' die
der entsetzte König durchgemacht hatte, war er noch ebenso geneigt, die englische
Kirche zu plündern und zu erniedrigen, wie an dem Tage, wo er den knienden Kol¬
legialen von Magdalene gesagt hatte, sie sollten ihm aus den Augen gehen, oder
an dem Tage, wo er die Bischöfe in den Tower schickte. Er pflegte zu erklären,
daß er lieber ohne England wiederzusehen, sterben, als sich herablassen würde,
mit denen zu capituliren, denen er zu befehlen hätte. In der Deklaration vom
April 1692 erscheint der ganze Mensch ohne Verhüllung, voll von seinen ein¬
gebildeten Rechten, unfähig zu begreifen, wie irgend jemand außer ihm irgend
welche Rechte haben könne, beschränkt, halsstarrig und grausam. Ein andrer
Aufsatz, den er in derselben Zeit entwarf, zeigte, womöglich noch klarer, wie
wenig er durch eine scharfe Erfahrung gewonnen hatte. In diesem Aufsatze legte
er den Plan dar, nach welchem er zu regieren beabsichtige, wenn er wieder ein¬
gesetzt werden sollte. Er stellte als Regel auf, daß ein Commissär des Schatzes,
einer 'der zwei Staatssecretäre, der Knegssecretär, die Mehrzahl der Hofbeamten
des Hofstaats, die Mehrzahl der Kammerherren, die Mehrzahl der Armeeoffi¬
ziere stets römische Katholiken sein sollten.

Die Beschreibung ist nicht ohne die entsprechenden Parallelen aus der
neuern Zeit. Mehr und mehr sängt man auch in den bisherigen legitimistischen
Kreisen an, das Princip der abstracten Legitimität aufzugeben, in der Erkennt¬
niß, daß die Geschichte an abgestorbenen Formen sich nicht entwickeln kann.




Einige Bemerkungen über die Gesetzgebung in Ehesachen.

Der Bruch mit den Prinzipien des Landrechts und das Endziel der
«von dem Geheimen Justiz- und Oberconsi'stvrialrath Professor IN'. Stahl
verkündeten sittlichen und religiösen Reaction in der E h e sche it un g ssrage.
Zur Ehrenrettung des Landrechts dargelegt aus den Verhandlungen der ersten
Kammer. Breslau, Kern. —

Wenn wir die Bemühungen der reactionären Partei, die Scheidungsgründe
zu erschweren, Bemühungen, die in Preußen schon seit Savignys Zeit un¬
unterbrochen sortgesetzt werden, bis zu ihrem Princip verfolgen, so wird sich
ergeben, daß sie die Ehe als ein inisschließlich kirchliches Institut betrachtet,
während das Landrecht den doppelten Charakter derselben, den bürgerlichen und
den kirchlichen, anerkennt, seinerseits aber, wie eS in der Natur der Sache liegt,
nur auf den ersteren Rücksicht nimmt.

Die Partei nennt sich gern die historische Schule; sie ist aber dies Mal,
wie in den meisten andern Fällen, so unhistorisch als möglich.


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[0266] sein Blut auf dem Schlachtfelde öder auf dem Schaffte für erbliche Monarchie vergoß, war einfach, daß er kein Verräther sei. Nach all der strengen Schule,' die der entsetzte König durchgemacht hatte, war er noch ebenso geneigt, die englische Kirche zu plündern und zu erniedrigen, wie an dem Tage, wo er den knienden Kol¬ legialen von Magdalene gesagt hatte, sie sollten ihm aus den Augen gehen, oder an dem Tage, wo er die Bischöfe in den Tower schickte. Er pflegte zu erklären, daß er lieber ohne England wiederzusehen, sterben, als sich herablassen würde, mit denen zu capituliren, denen er zu befehlen hätte. In der Deklaration vom April 1692 erscheint der ganze Mensch ohne Verhüllung, voll von seinen ein¬ gebildeten Rechten, unfähig zu begreifen, wie irgend jemand außer ihm irgend welche Rechte haben könne, beschränkt, halsstarrig und grausam. Ein andrer Aufsatz, den er in derselben Zeit entwarf, zeigte, womöglich noch klarer, wie wenig er durch eine scharfe Erfahrung gewonnen hatte. In diesem Aufsatze legte er den Plan dar, nach welchem er zu regieren beabsichtige, wenn er wieder ein¬ gesetzt werden sollte. Er stellte als Regel auf, daß ein Commissär des Schatzes, einer 'der zwei Staatssecretäre, der Knegssecretär, die Mehrzahl der Hofbeamten des Hofstaats, die Mehrzahl der Kammerherren, die Mehrzahl der Armeeoffi¬ ziere stets römische Katholiken sein sollten. Die Beschreibung ist nicht ohne die entsprechenden Parallelen aus der neuern Zeit. Mehr und mehr sängt man auch in den bisherigen legitimistischen Kreisen an, das Princip der abstracten Legitimität aufzugeben, in der Erkennt¬ niß, daß die Geschichte an abgestorbenen Formen sich nicht entwickeln kann. Einige Bemerkungen über die Gesetzgebung in Ehesachen. Der Bruch mit den Prinzipien des Landrechts und das Endziel der «von dem Geheimen Justiz- und Oberconsi'stvrialrath Professor IN'. Stahl verkündeten sittlichen und religiösen Reaction in der E h e sche it un g ssrage. Zur Ehrenrettung des Landrechts dargelegt aus den Verhandlungen der ersten Kammer. Breslau, Kern. — Wenn wir die Bemühungen der reactionären Partei, die Scheidungsgründe zu erschweren, Bemühungen, die in Preußen schon seit Savignys Zeit un¬ unterbrochen sortgesetzt werden, bis zu ihrem Princip verfolgen, so wird sich ergeben, daß sie die Ehe als ein inisschließlich kirchliches Institut betrachtet, während das Landrecht den doppelten Charakter derselben, den bürgerlichen und den kirchlichen, anerkennt, seinerseits aber, wie eS in der Natur der Sache liegt, nur auf den ersteren Rücksicht nimmt. Die Partei nennt sich gern die historische Schule; sie ist aber dies Mal, wie in den meisten andern Fällen, so unhistorisch als möglich.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/266>, abgerufen am 21.06.2024.