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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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solcher Reuiger wäre, wie Judas Ischarioth. Der alte Heuchler hätte, ward
gesagt, während er Ehrfurcht und Liebe für seinen Herrn affectirt hätte, den
Feinden seines Herrn das verhängnißvolle Zeichen gegeben. Wie das Unheil
geschehen und nicht wieder gutzumachen gewesen sei, hätte sein Gewissen an-'
gefangen, ihn zu quälen. Er hätte, wie sein Urbild, sich getadelt und geweh¬
klagt. Er hätte, wie sein Urbild, seinen Reichthum denen vor die Füße ge¬
worfen, deren Werkzeug er gewesen sei. Das Beste, was er jetzt thun könnte,
wäre, die Vergleichung vollständig zu machen, indem er sich hängte.

Jacob scheint geglaubt zu haben, der stärkste Beweis von Güte, den er
Ketzern, die um seinetwillen Vermögen, Vaterland, Familie aufgegeben, gewäh¬
ren könnte, wäre, sie auf ihren Sterbebetten von seinen Priestern belagern zu
lassen. Wenn irgend ein kranker Mann, hilflos an Körper und Geist und
betäubt von dem Geklingel schlechter Logik und schlechter Rhetorik, sich eine Hostie
in den Mund stecken ließ, so wurde dem Hofe triumphirend ein großes Werk
der Gnade verkündigt und der Neubekehrte wurde mit dem ganzen Pompe der
Religion begraben. Wenn aber ein Royalist von dem höchsten Range und
dem fleckenlosesten Charakter unter Behauptung fester Anhänglichkeit an die
Kirche von England starb, so wurde ein Loch in den Feldern gegraben und
in tiefer Nacht wurde er hineingeworfen und wie ein Stück Aas zugedeckt. So
war die Todtenfeier des Earl von Dunfermline, der dem Hause Stuart mit
Gefahr seines Lebens und zum gänzlichen Ruin seines Vermögens gedient, der
bei Killiecrankie gefochten und der, nach dem Siege, die noch athmenden Reste
Dundees von der Erde gehoben hatte. Bei Lebzeit war er schmachvoll behan¬
delt worden. Die schottischen Offiziere, welche lange unter ihm gedient, hatten
umsonst gebeten, daß, wenn sie zu einer Compagnie formirt würden, er ferner
ihr Befehlshaber sein möge. Seine Religion war für einen leidigen Unfähig¬
keitsgrund erachtet worden. Ein werthloser Abenteurer, dessen einzige Empfeh¬
lung es war, daß er ein Papist war, wurde vorgezogen. Dunfermline fuhr
eine kurze Zeit lang fort, sich in dem Cirkel zu zeigen, der den Fürsten umgab,
dem er nur zu gut gedient hatte; aber es führte zu nichts. Die Frömmler,
die den Hof beherrschten, verweigerten dem ruinirten und seines Vaterlandes
verlustigen Lord die Mittel des Unterhalts; er starb an gebrochnem Herzen
und sie verweigerten ihm selbst ein Grab.--

Die Fehler von Jacobs Kopf und Herzen waren unheilbar. Nach seiner
Ansicht konnte zwischen ihm und seinen Unterthanen keine Gegenseitigkeit der
Verpflichtung bestehen. Ihre Pflicht war, Eigenthum, Freiheit, Leben zu
^^gen, um ihn wieder auf den Thron zu setzen und dann geduldig zu tragen,
!v"S er ihnen anzuthun beliebe. Sie konnten vor ihm so wenig Anspruch auf
Verdienst machen, als vor Gott. Wenn sie alles gethan hatten, so waren sie
ünmer noch unnütze Knechte. Das höchste Lob, das dem Royalisten zukam, der


Grenzboten. II. 33

solcher Reuiger wäre, wie Judas Ischarioth. Der alte Heuchler hätte, ward
gesagt, während er Ehrfurcht und Liebe für seinen Herrn affectirt hätte, den
Feinden seines Herrn das verhängnißvolle Zeichen gegeben. Wie das Unheil
geschehen und nicht wieder gutzumachen gewesen sei, hätte sein Gewissen an-'
gefangen, ihn zu quälen. Er hätte, wie sein Urbild, sich getadelt und geweh¬
klagt. Er hätte, wie sein Urbild, seinen Reichthum denen vor die Füße ge¬
worfen, deren Werkzeug er gewesen sei. Das Beste, was er jetzt thun könnte,
wäre, die Vergleichung vollständig zu machen, indem er sich hängte.

Jacob scheint geglaubt zu haben, der stärkste Beweis von Güte, den er
Ketzern, die um seinetwillen Vermögen, Vaterland, Familie aufgegeben, gewäh¬
ren könnte, wäre, sie auf ihren Sterbebetten von seinen Priestern belagern zu
lassen. Wenn irgend ein kranker Mann, hilflos an Körper und Geist und
betäubt von dem Geklingel schlechter Logik und schlechter Rhetorik, sich eine Hostie
in den Mund stecken ließ, so wurde dem Hofe triumphirend ein großes Werk
der Gnade verkündigt und der Neubekehrte wurde mit dem ganzen Pompe der
Religion begraben. Wenn aber ein Royalist von dem höchsten Range und
dem fleckenlosesten Charakter unter Behauptung fester Anhänglichkeit an die
Kirche von England starb, so wurde ein Loch in den Feldern gegraben und
in tiefer Nacht wurde er hineingeworfen und wie ein Stück Aas zugedeckt. So
war die Todtenfeier des Earl von Dunfermline, der dem Hause Stuart mit
Gefahr seines Lebens und zum gänzlichen Ruin seines Vermögens gedient, der
bei Killiecrankie gefochten und der, nach dem Siege, die noch athmenden Reste
Dundees von der Erde gehoben hatte. Bei Lebzeit war er schmachvoll behan¬
delt worden. Die schottischen Offiziere, welche lange unter ihm gedient, hatten
umsonst gebeten, daß, wenn sie zu einer Compagnie formirt würden, er ferner
ihr Befehlshaber sein möge. Seine Religion war für einen leidigen Unfähig¬
keitsgrund erachtet worden. Ein werthloser Abenteurer, dessen einzige Empfeh¬
lung es war, daß er ein Papist war, wurde vorgezogen. Dunfermline fuhr
eine kurze Zeit lang fort, sich in dem Cirkel zu zeigen, der den Fürsten umgab,
dem er nur zu gut gedient hatte; aber es führte zu nichts. Die Frömmler,
die den Hof beherrschten, verweigerten dem ruinirten und seines Vaterlandes
verlustigen Lord die Mittel des Unterhalts; er starb an gebrochnem Herzen
und sie verweigerten ihm selbst ein Grab.--

Die Fehler von Jacobs Kopf und Herzen waren unheilbar. Nach seiner
Ansicht konnte zwischen ihm und seinen Unterthanen keine Gegenseitigkeit der
Verpflichtung bestehen. Ihre Pflicht war, Eigenthum, Freiheit, Leben zu
^^gen, um ihn wieder auf den Thron zu setzen und dann geduldig zu tragen,
!v"S er ihnen anzuthun beliebe. Sie konnten vor ihm so wenig Anspruch auf
Verdienst machen, als vor Gott. Wenn sie alles gethan hatten, so waren sie
ünmer noch unnütze Knechte. Das höchste Lob, das dem Royalisten zukam, der


Grenzboten. II. 33
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[0265] solcher Reuiger wäre, wie Judas Ischarioth. Der alte Heuchler hätte, ward gesagt, während er Ehrfurcht und Liebe für seinen Herrn affectirt hätte, den Feinden seines Herrn das verhängnißvolle Zeichen gegeben. Wie das Unheil geschehen und nicht wieder gutzumachen gewesen sei, hätte sein Gewissen an-' gefangen, ihn zu quälen. Er hätte, wie sein Urbild, sich getadelt und geweh¬ klagt. Er hätte, wie sein Urbild, seinen Reichthum denen vor die Füße ge¬ worfen, deren Werkzeug er gewesen sei. Das Beste, was er jetzt thun könnte, wäre, die Vergleichung vollständig zu machen, indem er sich hängte. Jacob scheint geglaubt zu haben, der stärkste Beweis von Güte, den er Ketzern, die um seinetwillen Vermögen, Vaterland, Familie aufgegeben, gewäh¬ ren könnte, wäre, sie auf ihren Sterbebetten von seinen Priestern belagern zu lassen. Wenn irgend ein kranker Mann, hilflos an Körper und Geist und betäubt von dem Geklingel schlechter Logik und schlechter Rhetorik, sich eine Hostie in den Mund stecken ließ, so wurde dem Hofe triumphirend ein großes Werk der Gnade verkündigt und der Neubekehrte wurde mit dem ganzen Pompe der Religion begraben. Wenn aber ein Royalist von dem höchsten Range und dem fleckenlosesten Charakter unter Behauptung fester Anhänglichkeit an die Kirche von England starb, so wurde ein Loch in den Feldern gegraben und in tiefer Nacht wurde er hineingeworfen und wie ein Stück Aas zugedeckt. So war die Todtenfeier des Earl von Dunfermline, der dem Hause Stuart mit Gefahr seines Lebens und zum gänzlichen Ruin seines Vermögens gedient, der bei Killiecrankie gefochten und der, nach dem Siege, die noch athmenden Reste Dundees von der Erde gehoben hatte. Bei Lebzeit war er schmachvoll behan¬ delt worden. Die schottischen Offiziere, welche lange unter ihm gedient, hatten umsonst gebeten, daß, wenn sie zu einer Compagnie formirt würden, er ferner ihr Befehlshaber sein möge. Seine Religion war für einen leidigen Unfähig¬ keitsgrund erachtet worden. Ein werthloser Abenteurer, dessen einzige Empfeh¬ lung es war, daß er ein Papist war, wurde vorgezogen. Dunfermline fuhr eine kurze Zeit lang fort, sich in dem Cirkel zu zeigen, der den Fürsten umgab, dem er nur zu gut gedient hatte; aber es führte zu nichts. Die Frömmler, die den Hof beherrschten, verweigerten dem ruinirten und seines Vaterlandes verlustigen Lord die Mittel des Unterhalts; er starb an gebrochnem Herzen und sie verweigerten ihm selbst ein Grab.-- Die Fehler von Jacobs Kopf und Herzen waren unheilbar. Nach seiner Ansicht konnte zwischen ihm und seinen Unterthanen keine Gegenseitigkeit der Verpflichtung bestehen. Ihre Pflicht war, Eigenthum, Freiheit, Leben zu ^^gen, um ihn wieder auf den Thron zu setzen und dann geduldig zu tragen, !v"S er ihnen anzuthun beliebe. Sie konnten vor ihm so wenig Anspruch auf Verdienst machen, als vor Gott. Wenn sie alles gethan hatten, so waren sie ünmer noch unnütze Knechte. Das höchste Lob, das dem Royalisten zukam, der Grenzboten. II. 33

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/265>, abgerufen am 21.06.2024.