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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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Feldsports zu ergötzen wünschte, so stand ihm eine weit kostbarere Einrichtung
zu Gebote, als die, welche ihm gehört hatte, wie er an der Spitze eines großen
Königreichs stand, ein Heer von Jägern und Falknern, ein großes Zeughaus
von Flinten, Speeren, Hifthörnern und Zelten, meilenlange Netze, Hatzhunde,
Fuchshunde, Windhunde, Koppeln für den Eber und Koppeln für den Wolf,
Gerfalken für den Reiher und Hagerfalken für die wilde Ente. Sein Audienz-
zimmer und sein Vorzimmer war im äußern Ansehn so glänzend, als wie es
zu Whitehall war. Er war noch immer von blauen Bändern und weißen
Stäben umgeben. Aber über dem Schlosse und der Domäne brütete ein fort¬
währender Trübsinn, die Wirkung zum Theil von bitterem Zurückwünschen und
verzögerten Hoffnungen, hauptsächlich aber von dem elenden Aberglauben, der
vollständigen Besitz von seinem eignen Geiste genommen hatte und der von fast
alle denen erheuchelt wurde, die nach seiner Gunst strebten. Sein Palast hatte
das Aussehen eines Klosters. Innerhalb des geräumigen Bauwerks befanden
sich drei gottesdienstliche Stätten. Dreißig bis vierzig Geistliche wohnten in
dem Gebäude und ihre Zimmer wurden von den Hochadligen und Gentlemen,
die dem Schicksale ihres Souveräns gefolgt waren und die es hart fanden,
daß sie, während so viel Raum unter seinem Dache war, genöthigt sein sollten,
in den Dachstuben der benachbarten Stadt zu schlafen, mit Neid betrachtet.
Unter den Murrenden war der glänzende Anton Hamilton. Er hat uns eine
Skizze des Lebens zu Se. Germains hinterlassen, eine flüchtige Skizze zwar,
aber des Künstlers nicht unwerth, dem wir das hochvollendetste und lebendigst
gefärbte Gemälde des englischen Hofes aus den Tagen, in denen der englische
Hof am muntersten war, verdanken. Er klagt, daß das Dasein eine Runde
religiöser Uebungen wäre, daß eS, um im Frieden zu leben, nothwendig wäre,
den halben Tag in Andacht oder in dem äußern Scheine der Andacht zu ver¬
bringen: daß, wenn er seine Schwermuth durch Einarhmcn der frischen Luft
jener herrlichen Terrasse, die auf das Thal der Seine herabblickt, zu verscheu¬
che" versuchte, er durch das Geschrei eines Jesuiten vertrieben wurde, der
nnige protestantische Loyale aus England gefaßt hatte und ihnen bewies, daß
kein Ketzer in den Himmel kommen könne. In der Regel, sagte Hamilton,
haben Menschen, die unter einem gemeinsamen Unglück leiden, ein starkes
Gemeingefühl und sind geneigt, einander gute Dienste zu leisten. Zu Se. Ger-
mains war dem nicht so. Da war alles Uneinigkeit, Eifersucht, Bitterkeit des
Geistes. Feindseligkeit verbarg sich unter dem Schein der Freundschaft und
des Mitleids. Alle die Heiligen des königlichen Hofstaates beteten fürein¬
ander und verleumdeten einander von früh bis Abends. Hier und da mochte
>n dem Gedränge der- Heuchler ein zur Verstellung zu hochgesinnter Mann be¬
merkt werden. Aber ein solcher Mann, wie vortheilhaft er sich auch anderwärts
dkr schönsten Soldaten in Europa bestehende Ehrenwache. Wenn er sich an


Feldsports zu ergötzen wünschte, so stand ihm eine weit kostbarere Einrichtung
zu Gebote, als die, welche ihm gehört hatte, wie er an der Spitze eines großen
Königreichs stand, ein Heer von Jägern und Falknern, ein großes Zeughaus
von Flinten, Speeren, Hifthörnern und Zelten, meilenlange Netze, Hatzhunde,
Fuchshunde, Windhunde, Koppeln für den Eber und Koppeln für den Wolf,
Gerfalken für den Reiher und Hagerfalken für die wilde Ente. Sein Audienz-
zimmer und sein Vorzimmer war im äußern Ansehn so glänzend, als wie es
zu Whitehall war. Er war noch immer von blauen Bändern und weißen
Stäben umgeben. Aber über dem Schlosse und der Domäne brütete ein fort¬
währender Trübsinn, die Wirkung zum Theil von bitterem Zurückwünschen und
verzögerten Hoffnungen, hauptsächlich aber von dem elenden Aberglauben, der
vollständigen Besitz von seinem eignen Geiste genommen hatte und der von fast
alle denen erheuchelt wurde, die nach seiner Gunst strebten. Sein Palast hatte
das Aussehen eines Klosters. Innerhalb des geräumigen Bauwerks befanden
sich drei gottesdienstliche Stätten. Dreißig bis vierzig Geistliche wohnten in
dem Gebäude und ihre Zimmer wurden von den Hochadligen und Gentlemen,
die dem Schicksale ihres Souveräns gefolgt waren und die es hart fanden,
daß sie, während so viel Raum unter seinem Dache war, genöthigt sein sollten,
in den Dachstuben der benachbarten Stadt zu schlafen, mit Neid betrachtet.
Unter den Murrenden war der glänzende Anton Hamilton. Er hat uns eine
Skizze des Lebens zu Se. Germains hinterlassen, eine flüchtige Skizze zwar,
aber des Künstlers nicht unwerth, dem wir das hochvollendetste und lebendigst
gefärbte Gemälde des englischen Hofes aus den Tagen, in denen der englische
Hof am muntersten war, verdanken. Er klagt, daß das Dasein eine Runde
religiöser Uebungen wäre, daß eS, um im Frieden zu leben, nothwendig wäre,
den halben Tag in Andacht oder in dem äußern Scheine der Andacht zu ver¬
bringen: daß, wenn er seine Schwermuth durch Einarhmcn der frischen Luft
jener herrlichen Terrasse, die auf das Thal der Seine herabblickt, zu verscheu¬
che» versuchte, er durch das Geschrei eines Jesuiten vertrieben wurde, der
nnige protestantische Loyale aus England gefaßt hatte und ihnen bewies, daß
kein Ketzer in den Himmel kommen könne. In der Regel, sagte Hamilton,
haben Menschen, die unter einem gemeinsamen Unglück leiden, ein starkes
Gemeingefühl und sind geneigt, einander gute Dienste zu leisten. Zu Se. Ger-
mains war dem nicht so. Da war alles Uneinigkeit, Eifersucht, Bitterkeit des
Geistes. Feindseligkeit verbarg sich unter dem Schein der Freundschaft und
des Mitleids. Alle die Heiligen des königlichen Hofstaates beteten fürein¬
ander und verleumdeten einander von früh bis Abends. Hier und da mochte
>n dem Gedränge der- Heuchler ein zur Verstellung zu hochgesinnter Mann be¬
merkt werden. Aber ein solcher Mann, wie vortheilhaft er sich auch anderwärts
dkr schönsten Soldaten in Europa bestehende Ehrenwache. Wenn er sich an


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[0263] Feldsports zu ergötzen wünschte, so stand ihm eine weit kostbarere Einrichtung zu Gebote, als die, welche ihm gehört hatte, wie er an der Spitze eines großen Königreichs stand, ein Heer von Jägern und Falknern, ein großes Zeughaus von Flinten, Speeren, Hifthörnern und Zelten, meilenlange Netze, Hatzhunde, Fuchshunde, Windhunde, Koppeln für den Eber und Koppeln für den Wolf, Gerfalken für den Reiher und Hagerfalken für die wilde Ente. Sein Audienz- zimmer und sein Vorzimmer war im äußern Ansehn so glänzend, als wie es zu Whitehall war. Er war noch immer von blauen Bändern und weißen Stäben umgeben. Aber über dem Schlosse und der Domäne brütete ein fort¬ währender Trübsinn, die Wirkung zum Theil von bitterem Zurückwünschen und verzögerten Hoffnungen, hauptsächlich aber von dem elenden Aberglauben, der vollständigen Besitz von seinem eignen Geiste genommen hatte und der von fast alle denen erheuchelt wurde, die nach seiner Gunst strebten. Sein Palast hatte das Aussehen eines Klosters. Innerhalb des geräumigen Bauwerks befanden sich drei gottesdienstliche Stätten. Dreißig bis vierzig Geistliche wohnten in dem Gebäude und ihre Zimmer wurden von den Hochadligen und Gentlemen, die dem Schicksale ihres Souveräns gefolgt waren und die es hart fanden, daß sie, während so viel Raum unter seinem Dache war, genöthigt sein sollten, in den Dachstuben der benachbarten Stadt zu schlafen, mit Neid betrachtet. Unter den Murrenden war der glänzende Anton Hamilton. Er hat uns eine Skizze des Lebens zu Se. Germains hinterlassen, eine flüchtige Skizze zwar, aber des Künstlers nicht unwerth, dem wir das hochvollendetste und lebendigst gefärbte Gemälde des englischen Hofes aus den Tagen, in denen der englische Hof am muntersten war, verdanken. Er klagt, daß das Dasein eine Runde religiöser Uebungen wäre, daß eS, um im Frieden zu leben, nothwendig wäre, den halben Tag in Andacht oder in dem äußern Scheine der Andacht zu ver¬ bringen: daß, wenn er seine Schwermuth durch Einarhmcn der frischen Luft jener herrlichen Terrasse, die auf das Thal der Seine herabblickt, zu verscheu¬ che» versuchte, er durch das Geschrei eines Jesuiten vertrieben wurde, der nnige protestantische Loyale aus England gefaßt hatte und ihnen bewies, daß kein Ketzer in den Himmel kommen könne. In der Regel, sagte Hamilton, haben Menschen, die unter einem gemeinsamen Unglück leiden, ein starkes Gemeingefühl und sind geneigt, einander gute Dienste zu leisten. Zu Se. Ger- mains war dem nicht so. Da war alles Uneinigkeit, Eifersucht, Bitterkeit des Geistes. Feindseligkeit verbarg sich unter dem Schein der Freundschaft und des Mitleids. Alle die Heiligen des königlichen Hofstaates beteten fürein¬ ander und verleumdeten einander von früh bis Abends. Hier und da mochte >n dem Gedränge der- Heuchler ein zur Verstellung zu hochgesinnter Mann be¬ merkt werden. Aber ein solcher Mann, wie vortheilhaft er sich auch anderwärts dkr schönsten Soldaten in Europa bestehende Ehrenwache. Wenn er sich an

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/263>, abgerufen am 21.06.2024.