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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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gen Zustände betrachtet, mit der Familie d. h. mit dem dritten Bande deS
Buchs.

Den sehr richtigen Grundgedanken, daß schon in dem physiologischen
Unterschied zwischen Mann und Weil, sich zeigt, daß die Menschen nicht zur
absoluten Gleichheit bestimmt sind, führt nicht mit etwas mehr Eifer aus, als
nöthig wäre. ' Es gibt zwar, hirnverbrannte Subjecte, die in ihrer Doctrin
nichts davon zu wissen scheinen, daß der Mann zeugt, während daS Weib ge¬
biert, aber gegen diese ist es unnöthig, zu Felde zu ziehen. Riehl thut es auch
nur, um geschwind einen falschen Schluß einzuschieben (S. S). "In dem
Gegensatz von Mann und Weib ist die Nngleichcirtigkcit der menschlichen Be¬
rufe und damit auch die sociale Ungleichheit und Abhängigkeit als ein Natur¬
gesetz aufgestellt." Das ist ein Satz, den Herr von Gerlach mit großem Ver¬
gnügen lesen wird. Aber wo in aller Welt findet sich eine Logik, nach der
folgender Schluß erlaubt wäre: "Das Weib ist von Natur dem Manne ungleich,
folglich sind auch die Männer einander ungleich." Uebrigens läßt nicht den
Satz wieder fallen; aber es ist doch nicht gut, durch Anklebuug solcher Partei¬
stichwörter sich der vornehmen Welt zu empfehlen.

Ueber den Gegensatz der beiden Geschlechter finden sich sehr viel feine und
sachgemäße Bemerkungen. In barbarischen, uncultivirten Zuständen sind die
Weiber vom Manne nicht qualitativ, sondern quantitativ unterschieden, daher
die Frauen die Knechte deö Mannes; in einer übertriebenen Civilisation da¬
gegen ist der Gegensatz der Geschlechter auf die Spitze getrieben. So war es
in dem heuchlerischen, unsittlichen Minnedienst des Mittelalters, so ist es zum
Theil wieder in uusern Tagen, wo es für unweiblich gilt, wenn man nicht
von dem Anblick einer Spinne Krämpfe bekommt. ,,So zwingen wir die ge¬
bildete Frau, entweder in reiner Unthätigkeit zu verharren oder die Schranken
ihres Geschlechtes zu durchbrechen und ihrem Thätigkeitstrieb in Dingen, die
außerhalb des Hauses liegen, Genüge zu leisten. Die feinste Spitze der Ge¬
sittung biegt sich hier wieder zur ursprünglichen Barbarei zurück, und die Dame
des europäischen Salons verbringt gar oft ihr Leben ganz in derselben Weise,
wie das ungebildete Weib des orientalischen Harems, dessen Tagesarbeit ersüllt
ist, wenn es sich geputzt, gebadet, mit Oelen und Pomaden gesalbt und zum
Zeitvertreib ein wenig gestickt oder gewebt hat." -- Diese Ueberverfeincrung
der Weiblichkeit übt die nachtheiligsten Einflüsse auf unser ganzes Leben aus.
So wird die Literatur und Kunst für Frauen und von Frauen immer selbst¬
ständiger; sie wirkt bereits auf unsre gesammte Entwicklung in Wissenschaft
und Kunst leise, aber sicher zurück. Unsre ganze Belletristik ist unter den
Pantoffel gekommen. Das massenhafte Aufsteigen weiblicher Berühmtheiten
und ihr Hervordrängen in die Oeffentlichkeit ist allemal das Wahrzeichen einer
krankhaften Nervenstimmung des Zeitalters. Namentlich in der vornehmen Welt


3-1 *

gen Zustände betrachtet, mit der Familie d. h. mit dem dritten Bande deS
Buchs.

Den sehr richtigen Grundgedanken, daß schon in dem physiologischen
Unterschied zwischen Mann und Weil, sich zeigt, daß die Menschen nicht zur
absoluten Gleichheit bestimmt sind, führt nicht mit etwas mehr Eifer aus, als
nöthig wäre. ' Es gibt zwar, hirnverbrannte Subjecte, die in ihrer Doctrin
nichts davon zu wissen scheinen, daß der Mann zeugt, während daS Weib ge¬
biert, aber gegen diese ist es unnöthig, zu Felde zu ziehen. Riehl thut es auch
nur, um geschwind einen falschen Schluß einzuschieben (S. S). „In dem
Gegensatz von Mann und Weib ist die Nngleichcirtigkcit der menschlichen Be¬
rufe und damit auch die sociale Ungleichheit und Abhängigkeit als ein Natur¬
gesetz aufgestellt." Das ist ein Satz, den Herr von Gerlach mit großem Ver¬
gnügen lesen wird. Aber wo in aller Welt findet sich eine Logik, nach der
folgender Schluß erlaubt wäre: „Das Weib ist von Natur dem Manne ungleich,
folglich sind auch die Männer einander ungleich." Uebrigens läßt nicht den
Satz wieder fallen; aber es ist doch nicht gut, durch Anklebuug solcher Partei¬
stichwörter sich der vornehmen Welt zu empfehlen.

Ueber den Gegensatz der beiden Geschlechter finden sich sehr viel feine und
sachgemäße Bemerkungen. In barbarischen, uncultivirten Zuständen sind die
Weiber vom Manne nicht qualitativ, sondern quantitativ unterschieden, daher
die Frauen die Knechte deö Mannes; in einer übertriebenen Civilisation da¬
gegen ist der Gegensatz der Geschlechter auf die Spitze getrieben. So war es
in dem heuchlerischen, unsittlichen Minnedienst des Mittelalters, so ist es zum
Theil wieder in uusern Tagen, wo es für unweiblich gilt, wenn man nicht
von dem Anblick einer Spinne Krämpfe bekommt. ,,So zwingen wir die ge¬
bildete Frau, entweder in reiner Unthätigkeit zu verharren oder die Schranken
ihres Geschlechtes zu durchbrechen und ihrem Thätigkeitstrieb in Dingen, die
außerhalb des Hauses liegen, Genüge zu leisten. Die feinste Spitze der Ge¬
sittung biegt sich hier wieder zur ursprünglichen Barbarei zurück, und die Dame
des europäischen Salons verbringt gar oft ihr Leben ganz in derselben Weise,
wie das ungebildete Weib des orientalischen Harems, dessen Tagesarbeit ersüllt
ist, wenn es sich geputzt, gebadet, mit Oelen und Pomaden gesalbt und zum
Zeitvertreib ein wenig gestickt oder gewebt hat." — Diese Ueberverfeincrung
der Weiblichkeit übt die nachtheiligsten Einflüsse auf unser ganzes Leben aus.
So wird die Literatur und Kunst für Frauen und von Frauen immer selbst¬
ständiger; sie wirkt bereits auf unsre gesammte Entwicklung in Wissenschaft
und Kunst leise, aber sicher zurück. Unsre ganze Belletristik ist unter den
Pantoffel gekommen. Das massenhafte Aufsteigen weiblicher Berühmtheiten
und ihr Hervordrängen in die Oeffentlichkeit ist allemal das Wahrzeichen einer
krankhaften Nervenstimmung des Zeitalters. Namentlich in der vornehmen Welt


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[0251] gen Zustände betrachtet, mit der Familie d. h. mit dem dritten Bande deS Buchs. Den sehr richtigen Grundgedanken, daß schon in dem physiologischen Unterschied zwischen Mann und Weil, sich zeigt, daß die Menschen nicht zur absoluten Gleichheit bestimmt sind, führt nicht mit etwas mehr Eifer aus, als nöthig wäre. ' Es gibt zwar, hirnverbrannte Subjecte, die in ihrer Doctrin nichts davon zu wissen scheinen, daß der Mann zeugt, während daS Weib ge¬ biert, aber gegen diese ist es unnöthig, zu Felde zu ziehen. Riehl thut es auch nur, um geschwind einen falschen Schluß einzuschieben (S. S). „In dem Gegensatz von Mann und Weib ist die Nngleichcirtigkcit der menschlichen Be¬ rufe und damit auch die sociale Ungleichheit und Abhängigkeit als ein Natur¬ gesetz aufgestellt." Das ist ein Satz, den Herr von Gerlach mit großem Ver¬ gnügen lesen wird. Aber wo in aller Welt findet sich eine Logik, nach der folgender Schluß erlaubt wäre: „Das Weib ist von Natur dem Manne ungleich, folglich sind auch die Männer einander ungleich." Uebrigens läßt nicht den Satz wieder fallen; aber es ist doch nicht gut, durch Anklebuug solcher Partei¬ stichwörter sich der vornehmen Welt zu empfehlen. Ueber den Gegensatz der beiden Geschlechter finden sich sehr viel feine und sachgemäße Bemerkungen. In barbarischen, uncultivirten Zuständen sind die Weiber vom Manne nicht qualitativ, sondern quantitativ unterschieden, daher die Frauen die Knechte deö Mannes; in einer übertriebenen Civilisation da¬ gegen ist der Gegensatz der Geschlechter auf die Spitze getrieben. So war es in dem heuchlerischen, unsittlichen Minnedienst des Mittelalters, so ist es zum Theil wieder in uusern Tagen, wo es für unweiblich gilt, wenn man nicht von dem Anblick einer Spinne Krämpfe bekommt. ,,So zwingen wir die ge¬ bildete Frau, entweder in reiner Unthätigkeit zu verharren oder die Schranken ihres Geschlechtes zu durchbrechen und ihrem Thätigkeitstrieb in Dingen, die außerhalb des Hauses liegen, Genüge zu leisten. Die feinste Spitze der Ge¬ sittung biegt sich hier wieder zur ursprünglichen Barbarei zurück, und die Dame des europäischen Salons verbringt gar oft ihr Leben ganz in derselben Weise, wie das ungebildete Weib des orientalischen Harems, dessen Tagesarbeit ersüllt ist, wenn es sich geputzt, gebadet, mit Oelen und Pomaden gesalbt und zum Zeitvertreib ein wenig gestickt oder gewebt hat." — Diese Ueberverfeincrung der Weiblichkeit übt die nachtheiligsten Einflüsse auf unser ganzes Leben aus. So wird die Literatur und Kunst für Frauen und von Frauen immer selbst¬ ständiger; sie wirkt bereits auf unsre gesammte Entwicklung in Wissenschaft und Kunst leise, aber sicher zurück. Unsre ganze Belletristik ist unter den Pantoffel gekommen. Das massenhafte Aufsteigen weiblicher Berühmtheiten und ihr Hervordrängen in die Oeffentlichkeit ist allemal das Wahrzeichen einer krankhaften Nervenstimmung des Zeitalters. Namentlich in der vornehmen Welt 3-1 *

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/251>, abgerufen am 21.06.2024.