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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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quenterweise wird dann auch die Größe der Atome in der atomistischen Vor¬
stellungsweise keineswegs nach räumlicher Ausdehnung, sondern nach ihrer
Masse bemessen, d. h. nach dem bei jeden Atom constanten Verhältnisse, in
welchem bei diesem Atom die Kraft zur Beschleunigung immer steht. Der Be¬
griff von Masse (so wie auch von Atomen) ist hiernach ebensowenig roh und
materialistisch, wie der Begriff von Kraft, sondernist demselben an Feinheit und
geistiger Klarheit vollkommen gleich zu setzen."

Diejenigen Leser, welche sich weiter für die Sache interessiren, müssen wir
auf Fechners Schrift selbst verweisen; daß dieselbe an großer Weitschweifigkeit
leidet, bedauern wir um so mehr, als es, nach einzelnen Abschnitten zu urthei¬
len, völlig im Willen des geistreichen Verfassers gestanden hätte, diesen unan¬
genehmen Fehler zu vermeiden; man darf sich dadurch indessen nicht abschrecken
lassen. Indessen wird wol schon aus Obigem einleuchtend geworden sein, daß
dem Materialismus jede wissenschaftliche Basis mangelt und daß die größten
Physiker--Ampere, Weber, i^auchy, Faraday-- übereinstimmend ganz andere
Ansichten über das Wesen der Materie hegen. Auf den ersten Blick erscheint zwar
die Idee, daß die Materie aus ausdehnungslosen Punkten und Kraftcentris
bestehe, unglaublich und man meint, handgreifliche Gegenbeweise zu haben,
aber diese zerfallen bei näherer Ueberlegung in nichts. So widerlegt Fech-
ner Liebigs Behauptung, daß die Atome nicht unendlich klein sein könnten,
weil sie Gewicht besäßen, sehr leicht, da das Gewicht eine'gegenseitige An¬
ziehung der Körper, also die Wirkung einer Kraft ist und mit der Ausdehnung
gar nichts zu schaffen hat. Die Kräfte der Körper allein machen sie uns
wahrnehmbar; ihre Schwere, ihr Klang, ihre Wärme, ihr Verhalten zum Licht,
ihr Widerstand u. s. w. beruhen auf physikalischen Kräften und, um die Körper
zu verändern, bedarf es wiederum der Kräfte, sei es unsers Körpers oder unsrer
Maschinen. Gehen wir also der sinnlichen Wahrnehmung auf den Grund, so
bemerken wir immer nur Kräfte, die aufeinander wirken und weiter nichts. Die
Erfüllung des Raums durch die Materie widerspricht dem offenbar nicht, da
ja ihre Grundbestandtheile nicht nichts, sondern eben in den Raum hinein¬
gesetzte Kraftpunkte sind, die also mit ihren Wirkungen auch den Raum er¬
füllen müssen.

Aber die Physiker bleiben nicht dabei stehen, die Materie aus Kräften zu¬
sammenzusetzen, sie wollen serner noch die anscheinend verschiedenartigen Kräfte:
Schwere, Elektricität, Wärme u. f. w. auf eine einzige Kraft zurückführen.
Namentlich ist Faraday von dieser Idee geleitet worden und verdankte ihr, wie
er sagt, seine wichtige Entdeckung des Diamagnetismus, nach welchem eben
allen Körpern und nicht blos dem Eisen (und diesem verwandten Stoffen)
magnetische Eigenschaften zukommen. Auch das wichtige Naturgesetz von der
Erhaltung der Kraft, welches Helmholtz in seiner oben erwähnten Schrift im


quenterweise wird dann auch die Größe der Atome in der atomistischen Vor¬
stellungsweise keineswegs nach räumlicher Ausdehnung, sondern nach ihrer
Masse bemessen, d. h. nach dem bei jeden Atom constanten Verhältnisse, in
welchem bei diesem Atom die Kraft zur Beschleunigung immer steht. Der Be¬
griff von Masse (so wie auch von Atomen) ist hiernach ebensowenig roh und
materialistisch, wie der Begriff von Kraft, sondernist demselben an Feinheit und
geistiger Klarheit vollkommen gleich zu setzen."

Diejenigen Leser, welche sich weiter für die Sache interessiren, müssen wir
auf Fechners Schrift selbst verweisen; daß dieselbe an großer Weitschweifigkeit
leidet, bedauern wir um so mehr, als es, nach einzelnen Abschnitten zu urthei¬
len, völlig im Willen des geistreichen Verfassers gestanden hätte, diesen unan¬
genehmen Fehler zu vermeiden; man darf sich dadurch indessen nicht abschrecken
lassen. Indessen wird wol schon aus Obigem einleuchtend geworden sein, daß
dem Materialismus jede wissenschaftliche Basis mangelt und daß die größten
Physiker—Ampere, Weber, i^auchy, Faraday— übereinstimmend ganz andere
Ansichten über das Wesen der Materie hegen. Auf den ersten Blick erscheint zwar
die Idee, daß die Materie aus ausdehnungslosen Punkten und Kraftcentris
bestehe, unglaublich und man meint, handgreifliche Gegenbeweise zu haben,
aber diese zerfallen bei näherer Ueberlegung in nichts. So widerlegt Fech-
ner Liebigs Behauptung, daß die Atome nicht unendlich klein sein könnten,
weil sie Gewicht besäßen, sehr leicht, da das Gewicht eine'gegenseitige An¬
ziehung der Körper, also die Wirkung einer Kraft ist und mit der Ausdehnung
gar nichts zu schaffen hat. Die Kräfte der Körper allein machen sie uns
wahrnehmbar; ihre Schwere, ihr Klang, ihre Wärme, ihr Verhalten zum Licht,
ihr Widerstand u. s. w. beruhen auf physikalischen Kräften und, um die Körper
zu verändern, bedarf es wiederum der Kräfte, sei es unsers Körpers oder unsrer
Maschinen. Gehen wir also der sinnlichen Wahrnehmung auf den Grund, so
bemerken wir immer nur Kräfte, die aufeinander wirken und weiter nichts. Die
Erfüllung des Raums durch die Materie widerspricht dem offenbar nicht, da
ja ihre Grundbestandtheile nicht nichts, sondern eben in den Raum hinein¬
gesetzte Kraftpunkte sind, die also mit ihren Wirkungen auch den Raum er¬
füllen müssen.

Aber die Physiker bleiben nicht dabei stehen, die Materie aus Kräften zu¬
sammenzusetzen, sie wollen serner noch die anscheinend verschiedenartigen Kräfte:
Schwere, Elektricität, Wärme u. f. w. auf eine einzige Kraft zurückführen.
Namentlich ist Faraday von dieser Idee geleitet worden und verdankte ihr, wie
er sagt, seine wichtige Entdeckung des Diamagnetismus, nach welchem eben
allen Körpern und nicht blos dem Eisen (und diesem verwandten Stoffen)
magnetische Eigenschaften zukommen. Auch das wichtige Naturgesetz von der
Erhaltung der Kraft, welches Helmholtz in seiner oben erwähnten Schrift im


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[0237] quenterweise wird dann auch die Größe der Atome in der atomistischen Vor¬ stellungsweise keineswegs nach räumlicher Ausdehnung, sondern nach ihrer Masse bemessen, d. h. nach dem bei jeden Atom constanten Verhältnisse, in welchem bei diesem Atom die Kraft zur Beschleunigung immer steht. Der Be¬ griff von Masse (so wie auch von Atomen) ist hiernach ebensowenig roh und materialistisch, wie der Begriff von Kraft, sondernist demselben an Feinheit und geistiger Klarheit vollkommen gleich zu setzen." Diejenigen Leser, welche sich weiter für die Sache interessiren, müssen wir auf Fechners Schrift selbst verweisen; daß dieselbe an großer Weitschweifigkeit leidet, bedauern wir um so mehr, als es, nach einzelnen Abschnitten zu urthei¬ len, völlig im Willen des geistreichen Verfassers gestanden hätte, diesen unan¬ genehmen Fehler zu vermeiden; man darf sich dadurch indessen nicht abschrecken lassen. Indessen wird wol schon aus Obigem einleuchtend geworden sein, daß dem Materialismus jede wissenschaftliche Basis mangelt und daß die größten Physiker—Ampere, Weber, i^auchy, Faraday— übereinstimmend ganz andere Ansichten über das Wesen der Materie hegen. Auf den ersten Blick erscheint zwar die Idee, daß die Materie aus ausdehnungslosen Punkten und Kraftcentris bestehe, unglaublich und man meint, handgreifliche Gegenbeweise zu haben, aber diese zerfallen bei näherer Ueberlegung in nichts. So widerlegt Fech- ner Liebigs Behauptung, daß die Atome nicht unendlich klein sein könnten, weil sie Gewicht besäßen, sehr leicht, da das Gewicht eine'gegenseitige An¬ ziehung der Körper, also die Wirkung einer Kraft ist und mit der Ausdehnung gar nichts zu schaffen hat. Die Kräfte der Körper allein machen sie uns wahrnehmbar; ihre Schwere, ihr Klang, ihre Wärme, ihr Verhalten zum Licht, ihr Widerstand u. s. w. beruhen auf physikalischen Kräften und, um die Körper zu verändern, bedarf es wiederum der Kräfte, sei es unsers Körpers oder unsrer Maschinen. Gehen wir also der sinnlichen Wahrnehmung auf den Grund, so bemerken wir immer nur Kräfte, die aufeinander wirken und weiter nichts. Die Erfüllung des Raums durch die Materie widerspricht dem offenbar nicht, da ja ihre Grundbestandtheile nicht nichts, sondern eben in den Raum hinein¬ gesetzte Kraftpunkte sind, die also mit ihren Wirkungen auch den Raum er¬ füllen müssen. Aber die Physiker bleiben nicht dabei stehen, die Materie aus Kräften zu¬ sammenzusetzen, sie wollen serner noch die anscheinend verschiedenartigen Kräfte: Schwere, Elektricität, Wärme u. f. w. auf eine einzige Kraft zurückführen. Namentlich ist Faraday von dieser Idee geleitet worden und verdankte ihr, wie er sagt, seine wichtige Entdeckung des Diamagnetismus, nach welchem eben allen Körpern und nicht blos dem Eisen (und diesem verwandten Stoffen) magnetische Eigenschaften zukommen. Auch das wichtige Naturgesetz von der Erhaltung der Kraft, welches Helmholtz in seiner oben erwähnten Schrift im

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/237>, abgerufen am 04.07.2024.