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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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entstand jenes erste Triumvirat, bei dem das Ende, die militärische Monarchie
nicht mehr zweifelhaft sein konnte, sondern nur zweifelhaft, welchem von den
Prätendenten sie zufallen würde. Unter diesen Umständen erlebte die alte ver¬
rottete Aristokratie einen schönen Nachsommer. Sie war jetzt die Opposition,
die Vertreterin des alten Rechts, sie wurde populär; aber der Macht der Er¬
eignisse konnte sie keinen dauernden Widerstand leisten, und es war ein Glück
für Rom, daß der würdigste unter den Prätendenten auch der entschlossenste
war, und daß mit dem Verlust der Freiheit die Herstellung des Staats erkauft
wurde. -- Aus der Charakteristik, die Mommsen von seinem Lieblingshelden
gibt, wollen wir wenigstens einiges hervorheben.

"Auch Cäsar hatte von dem Becher des Modelebens den Schaum wie die
Hefen gekostet, hatte recitirt und declamirt, auf dem Faulbett Literatur ge¬
trieben und Verse gemacht, Liebeshandel jeder Gattung abgespielt und sich ein¬
weihen lassen in alle Nasir-, Frisir- und Manschettenmysterien der damaligen
Toilettenweisheit, so wie in die noch weit geheimnißvollere Kunst immer zu
borgen und nie zu bezahlen. Aber der biegsame Stahl dieser Natur wider¬
stand selbst diesem zerfahrenen und windigen Treiben; Cäsar blieb sowol die
körperliche Frische ungeschwächt wie die Spannkraft des Geistes und des Herzens.
Im Fechten und Reiten nahm er es mit jedem seiner Soldaten auf und sein
Schwimmen rettete ihm bei Älerandria das Leben; die unglaubliche Schnellig¬
keit seiner gewöhnlich des Zeitgewinns halber nächtlichen Reisen -- daS rechte
Gegenstück zu der processionöartigen Langsamkeit, mit der Pompeiuö sich von
einem Ort zum andern, bewegte, -- war das Erstaunen seiner Zeitgenossen
und nicht die letzte Ursache seiner Erfolge. Wie der Körper war der Geist.
Sein bewundernswürdiges Anschauungsvermögen offenbarte sich in der Sicher¬
heit und Ausführbarkeit all seiner Anordnungen, selbst wo er befahl, ohne Mit
eignen Augen zu sehen. Sein Gedächtniß war unvergleichlich und es war
ihm geläufig, mehre Geschäfte mit gleicher Präcision nebeneinander zu be¬
treiben. Obgleich Gentleman, Genie und Monarch, hatte er dennoch ein
Herz.....Wenn in einer so harmonisch organisirten Natur überhaupt eine
einzelne Seite als charakteristisch hervorgehoben werden kann, so ist eS die,
daß alles Ideale und alles Phantastische ihm fern lag. Es versteht sich von
selbst, daß Cäsar ein leidenschaftlicher Mann war, denn ohne Leidenschaft gibt,
es keine Genialität; aber seine Leidenschaft war niemals mächtiger als er. Er
hatte eine Jugend gehabt und auch in sein Gemüth waren Lieder, Liebe und
Wein im lebendigen Leben eingezogen; aber sie drangen ihm doch nicht bis
in den innerlichsten Kern seines Wesens. Die Literatur beschäftigte ihn lange
und ernstlich; aber wenn Alexander der homerische Achill nicht schlafen ließ,
so stellte Cäsar in seinen schlaflosen Stunden Betrachtungen über die Beu¬
gungen der lateinischen Haupt- und Zeitwörter an. Er machte Verse wie


entstand jenes erste Triumvirat, bei dem das Ende, die militärische Monarchie
nicht mehr zweifelhaft sein konnte, sondern nur zweifelhaft, welchem von den
Prätendenten sie zufallen würde. Unter diesen Umständen erlebte die alte ver¬
rottete Aristokratie einen schönen Nachsommer. Sie war jetzt die Opposition,
die Vertreterin des alten Rechts, sie wurde populär; aber der Macht der Er¬
eignisse konnte sie keinen dauernden Widerstand leisten, und es war ein Glück
für Rom, daß der würdigste unter den Prätendenten auch der entschlossenste
war, und daß mit dem Verlust der Freiheit die Herstellung des Staats erkauft
wurde. — Aus der Charakteristik, die Mommsen von seinem Lieblingshelden
gibt, wollen wir wenigstens einiges hervorheben.

„Auch Cäsar hatte von dem Becher des Modelebens den Schaum wie die
Hefen gekostet, hatte recitirt und declamirt, auf dem Faulbett Literatur ge¬
trieben und Verse gemacht, Liebeshandel jeder Gattung abgespielt und sich ein¬
weihen lassen in alle Nasir-, Frisir- und Manschettenmysterien der damaligen
Toilettenweisheit, so wie in die noch weit geheimnißvollere Kunst immer zu
borgen und nie zu bezahlen. Aber der biegsame Stahl dieser Natur wider¬
stand selbst diesem zerfahrenen und windigen Treiben; Cäsar blieb sowol die
körperliche Frische ungeschwächt wie die Spannkraft des Geistes und des Herzens.
Im Fechten und Reiten nahm er es mit jedem seiner Soldaten auf und sein
Schwimmen rettete ihm bei Älerandria das Leben; die unglaubliche Schnellig¬
keit seiner gewöhnlich des Zeitgewinns halber nächtlichen Reisen — daS rechte
Gegenstück zu der processionöartigen Langsamkeit, mit der Pompeiuö sich von
einem Ort zum andern, bewegte, — war das Erstaunen seiner Zeitgenossen
und nicht die letzte Ursache seiner Erfolge. Wie der Körper war der Geist.
Sein bewundernswürdiges Anschauungsvermögen offenbarte sich in der Sicher¬
heit und Ausführbarkeit all seiner Anordnungen, selbst wo er befahl, ohne Mit
eignen Augen zu sehen. Sein Gedächtniß war unvergleichlich und es war
ihm geläufig, mehre Geschäfte mit gleicher Präcision nebeneinander zu be¬
treiben. Obgleich Gentleman, Genie und Monarch, hatte er dennoch ein
Herz.....Wenn in einer so harmonisch organisirten Natur überhaupt eine
einzelne Seite als charakteristisch hervorgehoben werden kann, so ist eS die,
daß alles Ideale und alles Phantastische ihm fern lag. Es versteht sich von
selbst, daß Cäsar ein leidenschaftlicher Mann war, denn ohne Leidenschaft gibt,
es keine Genialität; aber seine Leidenschaft war niemals mächtiger als er. Er
hatte eine Jugend gehabt und auch in sein Gemüth waren Lieder, Liebe und
Wein im lebendigen Leben eingezogen; aber sie drangen ihm doch nicht bis
in den innerlichsten Kern seines Wesens. Die Literatur beschäftigte ihn lange
und ernstlich; aber wenn Alexander der homerische Achill nicht schlafen ließ,
so stellte Cäsar in seinen schlaflosen Stunden Betrachtungen über die Beu¬
gungen der lateinischen Haupt- und Zeitwörter an. Er machte Verse wie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/22>, abgerufen am 21.06.2024.