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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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"schwammen auf dem Strom nach Art einer Boje, zum Theil über, zum Theil
unter dem Wasser. Ein Zuschauer, welcher glaubte, daß jeder auf solche Weise
Gebundene von dem Strom getragen werden müsse, erbot sich, es selbst zu ver¬
suchen; aber nachdem man ihn in gleicher Manier sacht auf das Wasser gelegt
hatte, sank er augenblicklich unter. Dies war allerdings kein rechtlicher Be¬
weis gegen die verdächtigen Individuen; da sie jedoch überlegten, daß ein
Strick ihnen die Luftröhre zuschnüren könne, obgleich das Wasser eS nicht ver¬
mochte, so nahmen sie eiligst Reißaus und man hat seitdem hier zu Lande nicht
wieder von ihnen gehört." -- ,,So behandelt Satan seine Clienten!" ruft der
Verfasser am Schlüsse dieser Geschichte aus. Er fügt hinzu, daß, nachdem die
der Hexerei Angeklagten hingerichtet worden oder sich geflüchtet hatten, Anne'
Cole von ihrer Krankheit vollständig hergestellt wurde und viele Jahre bei
guter Gesundheit verlebte, indem sie sich als eine fromme Christin zeigte.

Ein ähnlicher Fall trug sich bald darauf im Städtchen Groton (Massachu¬
setts) zu, "bei dem der Satan offenbar die Hand im Spiel hatte," der aber
einen weniger tragischen Ausgang nahm. ,,Es lebte in dieser Stadt eine
Jung/ran, Namens Elisabeth Knap, die im Monat October, Anno-1671, in sehr
seltsamer Weise befallen wurde, bald weinend, bald lachend, bald gräßlich brüllend,
mit heftigen Bewegungen und Verrenkungen des Körpers und dem Geschrei: Geld!
Geld! Im folgenden November würde ihre Zunge mehre Stunden hintereinan¬
der in der Form eines Halbzirkels nach dem Gaumen herausgezogen und konnte
nicht davon entfernt werden, obgleich mehre es mit den Fingern versuchten.
In einigen ihrer Anfälle vermochten sechs Männer kaum, sie festzuhalten, und
sie sprang heulend und schauderhaften Anblicks im Hause umher. Am 17. De¬
cember wurde ihr die Zunge bis zu einer enormen Länge aus dem Munde
herausgezogen, und jetzt begann sichtbar ein Dämon aus ihr zu reden. Man
hörte sie viele Worte, in welchen sich die Labialbuchstaben befanden, ohne
Hilfe der Lippen aussprechen; ein klarer Beweis, daß die Stimme nicht die
ihrige war. Bisweilen schienen die Worte aus ihrer Kehle zu kommen, wenn
der Mund geschlossen war; bisweilen bei offenem Munde, aber ohne daß die
Sprachwerkzeuge gebraucht würden. Die von dem Teufel gehaltenen Reben
waren hauptsächlich Schmähungen und Verunglimpfungen des Mr. Willard,
eines damaligen würdigen und frommen Pastors der Kirche zu Groton.-Eben¬
so ergoß sich der Dämon in den abscheulichsten und ruchlosesten Blasphemien,
indem er sich selbst über den Allmächtigen stellte. Endlich rief das Mädchen
in einem ihrer Anfalle aus, daß eine Nachbarin ihr erscheine" und daß diese
die Ursache ihrer Leiden sei. Die also angeklagte Person war eine gottergebene,
heilige Frau, die sich alsbald aus den Rath ihrer Freunde zu der Unglücklichen
begab, und obgleich diese mit geschlossenen Augen dalag, so konnte sie doch
(so mächtig war die Einwirkung Satans aus sie) verkünden, wer gekommen sei.


„schwammen auf dem Strom nach Art einer Boje, zum Theil über, zum Theil
unter dem Wasser. Ein Zuschauer, welcher glaubte, daß jeder auf solche Weise
Gebundene von dem Strom getragen werden müsse, erbot sich, es selbst zu ver¬
suchen; aber nachdem man ihn in gleicher Manier sacht auf das Wasser gelegt
hatte, sank er augenblicklich unter. Dies war allerdings kein rechtlicher Be¬
weis gegen die verdächtigen Individuen; da sie jedoch überlegten, daß ein
Strick ihnen die Luftröhre zuschnüren könne, obgleich das Wasser eS nicht ver¬
mochte, so nahmen sie eiligst Reißaus und man hat seitdem hier zu Lande nicht
wieder von ihnen gehört." — ,,So behandelt Satan seine Clienten!" ruft der
Verfasser am Schlüsse dieser Geschichte aus. Er fügt hinzu, daß, nachdem die
der Hexerei Angeklagten hingerichtet worden oder sich geflüchtet hatten, Anne'
Cole von ihrer Krankheit vollständig hergestellt wurde und viele Jahre bei
guter Gesundheit verlebte, indem sie sich als eine fromme Christin zeigte.

Ein ähnlicher Fall trug sich bald darauf im Städtchen Groton (Massachu¬
setts) zu, „bei dem der Satan offenbar die Hand im Spiel hatte," der aber
einen weniger tragischen Ausgang nahm. ,,Es lebte in dieser Stadt eine
Jung/ran, Namens Elisabeth Knap, die im Monat October, Anno-1671, in sehr
seltsamer Weise befallen wurde, bald weinend, bald lachend, bald gräßlich brüllend,
mit heftigen Bewegungen und Verrenkungen des Körpers und dem Geschrei: Geld!
Geld! Im folgenden November würde ihre Zunge mehre Stunden hintereinan¬
der in der Form eines Halbzirkels nach dem Gaumen herausgezogen und konnte
nicht davon entfernt werden, obgleich mehre es mit den Fingern versuchten.
In einigen ihrer Anfälle vermochten sechs Männer kaum, sie festzuhalten, und
sie sprang heulend und schauderhaften Anblicks im Hause umher. Am 17. De¬
cember wurde ihr die Zunge bis zu einer enormen Länge aus dem Munde
herausgezogen, und jetzt begann sichtbar ein Dämon aus ihr zu reden. Man
hörte sie viele Worte, in welchen sich die Labialbuchstaben befanden, ohne
Hilfe der Lippen aussprechen; ein klarer Beweis, daß die Stimme nicht die
ihrige war. Bisweilen schienen die Worte aus ihrer Kehle zu kommen, wenn
der Mund geschlossen war; bisweilen bei offenem Munde, aber ohne daß die
Sprachwerkzeuge gebraucht würden. Die von dem Teufel gehaltenen Reben
waren hauptsächlich Schmähungen und Verunglimpfungen des Mr. Willard,
eines damaligen würdigen und frommen Pastors der Kirche zu Groton.-Eben¬
so ergoß sich der Dämon in den abscheulichsten und ruchlosesten Blasphemien,
indem er sich selbst über den Allmächtigen stellte. Endlich rief das Mädchen
in einem ihrer Anfalle aus, daß eine Nachbarin ihr erscheine" und daß diese
die Ursache ihrer Leiden sei. Die also angeklagte Person war eine gottergebene,
heilige Frau, die sich alsbald aus den Rath ihrer Freunde zu der Unglücklichen
begab, und obgleich diese mit geschlossenen Augen dalag, so konnte sie doch
(so mächtig war die Einwirkung Satans aus sie) verkünden, wer gekommen sei.


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[0176] „schwammen auf dem Strom nach Art einer Boje, zum Theil über, zum Theil unter dem Wasser. Ein Zuschauer, welcher glaubte, daß jeder auf solche Weise Gebundene von dem Strom getragen werden müsse, erbot sich, es selbst zu ver¬ suchen; aber nachdem man ihn in gleicher Manier sacht auf das Wasser gelegt hatte, sank er augenblicklich unter. Dies war allerdings kein rechtlicher Be¬ weis gegen die verdächtigen Individuen; da sie jedoch überlegten, daß ein Strick ihnen die Luftröhre zuschnüren könne, obgleich das Wasser eS nicht ver¬ mochte, so nahmen sie eiligst Reißaus und man hat seitdem hier zu Lande nicht wieder von ihnen gehört." — ,,So behandelt Satan seine Clienten!" ruft der Verfasser am Schlüsse dieser Geschichte aus. Er fügt hinzu, daß, nachdem die der Hexerei Angeklagten hingerichtet worden oder sich geflüchtet hatten, Anne' Cole von ihrer Krankheit vollständig hergestellt wurde und viele Jahre bei guter Gesundheit verlebte, indem sie sich als eine fromme Christin zeigte. Ein ähnlicher Fall trug sich bald darauf im Städtchen Groton (Massachu¬ setts) zu, „bei dem der Satan offenbar die Hand im Spiel hatte," der aber einen weniger tragischen Ausgang nahm. ,,Es lebte in dieser Stadt eine Jung/ran, Namens Elisabeth Knap, die im Monat October, Anno-1671, in sehr seltsamer Weise befallen wurde, bald weinend, bald lachend, bald gräßlich brüllend, mit heftigen Bewegungen und Verrenkungen des Körpers und dem Geschrei: Geld! Geld! Im folgenden November würde ihre Zunge mehre Stunden hintereinan¬ der in der Form eines Halbzirkels nach dem Gaumen herausgezogen und konnte nicht davon entfernt werden, obgleich mehre es mit den Fingern versuchten. In einigen ihrer Anfälle vermochten sechs Männer kaum, sie festzuhalten, und sie sprang heulend und schauderhaften Anblicks im Hause umher. Am 17. De¬ cember wurde ihr die Zunge bis zu einer enormen Länge aus dem Munde herausgezogen, und jetzt begann sichtbar ein Dämon aus ihr zu reden. Man hörte sie viele Worte, in welchen sich die Labialbuchstaben befanden, ohne Hilfe der Lippen aussprechen; ein klarer Beweis, daß die Stimme nicht die ihrige war. Bisweilen schienen die Worte aus ihrer Kehle zu kommen, wenn der Mund geschlossen war; bisweilen bei offenem Munde, aber ohne daß die Sprachwerkzeuge gebraucht würden. Die von dem Teufel gehaltenen Reben waren hauptsächlich Schmähungen und Verunglimpfungen des Mr. Willard, eines damaligen würdigen und frommen Pastors der Kirche zu Groton.-Eben¬ so ergoß sich der Dämon in den abscheulichsten und ruchlosesten Blasphemien, indem er sich selbst über den Allmächtigen stellte. Endlich rief das Mädchen in einem ihrer Anfalle aus, daß eine Nachbarin ihr erscheine" und daß diese die Ursache ihrer Leiden sei. Die also angeklagte Person war eine gottergebene, heilige Frau, die sich alsbald aus den Rath ihrer Freunde zu der Unglücklichen begab, und obgleich diese mit geschlossenen Augen dalag, so konnte sie doch (so mächtig war die Einwirkung Satans aus sie) verkünden, wer gekommen sei.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/176>, abgerufen am 27.06.2024.