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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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verwaltete. Die Regierung Neuenglands hatte damals einen in hohem Grade
theokratischen-Charakter, dessen Spuren noch immer nicht ganz verwischt sind;
das Meetinghouse, schreibt Bancroft, war der Mittelpunkt, um welchen sich
das Volk versammelte; die Stimme des Geistlichen oder der "Minister", wie
man sie nannte, war auch in weltlichen Angelegenheiten entscheidend; alle
Staatsschriften wurden von ihnen verfaßt, sie waren die Hauptredner bei den
Wahlen und städtischen Zusammenkünften und nicht selten die Bevollmächtigten
bei diplomatischen Verhandlungen. So spielte anch Malser in den politischen
Wirren seiner Zeit eine einflußreiche Rolle; als der berüchtigte Kitt von
Karl II. zum Gouverneur der Colonie ernannt wurde und in der despotischen
Weise zu Hausen begann, die den Beamten der Stuarts eigen war, sandten
die Nachkommen der Pilger den frommen und beredten Mann mit ihren Klagen
und Vorstellungen nach England, wo er Zutritt zum Könige gewann und Zu-
sicherungen von ihm erhielt, die das gewöhnliche Loos hoher Versprechungen
theilten, und als mit der Revolution ^von 1688 auch für Neuengland eine
glücklichere Aera anbrach, gelang es ihm, die Erneuerung des zerrissenen Frei¬
briefs der Colonie bei Wilhelm III. auszuwirken, dem er dagegen im Geist
eines Innocenz oder Gregor die Würde eines "Kaisers von Amerika" verhieß.
Daß ein solcher Mann'seine Mußestunden mit Untersuchungen über Dämono¬
logie und schwarze Kunst ausfüllte, beweist, welches Interesse dergleichen Fragen
für seine Mitbürger besaßen, und in der That fiel die Herausgabe seines
Buchs in eine Periode, wo der Aberglaube, der die Colonisten aus der alten
Welt nach der neuen begleitet hatte, einen Ausbruch des Fanatismus hervor¬
rief, welcher zu ähnlichen Blutscenen führte, wie diejenigen, von denen ihre
frühere Heimath Zeuge war, und welcher eine der dunkelsten Seiten in den
Annalen ihres neuen Vaterlandes bildet.*)

Das Buch, das, wie sein Titel besagt und in der Vorrede näher aus¬
einandergesetzt wird, zum Zweck hat, "Bericht zu geben von vielen be¬
merkenswerthen und sehr denkwürdigen Begebenheiten, die sich in dieser
letzten Zeit besonders in Neuengland ereignet haben und das erhabene Wal¬
len der Vorsehung beurkunden," zerfällt in zwölf Abschnitte, wovon die
drei ersten merkwürdige, von mehr oder minder wunderbaren Umständen be¬
gleitete Fälle von Rettung aus FeuerSgefcchr und Wassernoth erzählen, der
vierte aber sich in ,,philosophischen" Betrachtungen über Antipathie und
Sympathie, über Talismane und Amulete ergeht und von den Wirkungen
^'s Donners und des Blitzes handelt, der mitunter vom Satan, mitunter je¬
doch auch von guten Engeln erzeugt wird. Dergleichen Erörterungen, dienen
"is passende Introduction zu dem Hauptinhalt des Werkes, in welchem von



*) Vergl, Bancroft "Histor^ ol tus vnitoü State"," Lax. XIX.
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verwaltete. Die Regierung Neuenglands hatte damals einen in hohem Grade
theokratischen-Charakter, dessen Spuren noch immer nicht ganz verwischt sind;
das Meetinghouse, schreibt Bancroft, war der Mittelpunkt, um welchen sich
das Volk versammelte; die Stimme des Geistlichen oder der „Minister", wie
man sie nannte, war auch in weltlichen Angelegenheiten entscheidend; alle
Staatsschriften wurden von ihnen verfaßt, sie waren die Hauptredner bei den
Wahlen und städtischen Zusammenkünften und nicht selten die Bevollmächtigten
bei diplomatischen Verhandlungen. So spielte anch Malser in den politischen
Wirren seiner Zeit eine einflußreiche Rolle; als der berüchtigte Kitt von
Karl II. zum Gouverneur der Colonie ernannt wurde und in der despotischen
Weise zu Hausen begann, die den Beamten der Stuarts eigen war, sandten
die Nachkommen der Pilger den frommen und beredten Mann mit ihren Klagen
und Vorstellungen nach England, wo er Zutritt zum Könige gewann und Zu-
sicherungen von ihm erhielt, die das gewöhnliche Loos hoher Versprechungen
theilten, und als mit der Revolution ^von 1688 auch für Neuengland eine
glücklichere Aera anbrach, gelang es ihm, die Erneuerung des zerrissenen Frei¬
briefs der Colonie bei Wilhelm III. auszuwirken, dem er dagegen im Geist
eines Innocenz oder Gregor die Würde eines „Kaisers von Amerika" verhieß.
Daß ein solcher Mann'seine Mußestunden mit Untersuchungen über Dämono¬
logie und schwarze Kunst ausfüllte, beweist, welches Interesse dergleichen Fragen
für seine Mitbürger besaßen, und in der That fiel die Herausgabe seines
Buchs in eine Periode, wo der Aberglaube, der die Colonisten aus der alten
Welt nach der neuen begleitet hatte, einen Ausbruch des Fanatismus hervor¬
rief, welcher zu ähnlichen Blutscenen führte, wie diejenigen, von denen ihre
frühere Heimath Zeuge war, und welcher eine der dunkelsten Seiten in den
Annalen ihres neuen Vaterlandes bildet.*)

Das Buch, das, wie sein Titel besagt und in der Vorrede näher aus¬
einandergesetzt wird, zum Zweck hat, „Bericht zu geben von vielen be¬
merkenswerthen und sehr denkwürdigen Begebenheiten, die sich in dieser
letzten Zeit besonders in Neuengland ereignet haben und das erhabene Wal¬
len der Vorsehung beurkunden," zerfällt in zwölf Abschnitte, wovon die
drei ersten merkwürdige, von mehr oder minder wunderbaren Umständen be¬
gleitete Fälle von Rettung aus FeuerSgefcchr und Wassernoth erzählen, der
vierte aber sich in ,,philosophischen" Betrachtungen über Antipathie und
Sympathie, über Talismane und Amulete ergeht und von den Wirkungen
^'s Donners und des Blitzes handelt, der mitunter vom Satan, mitunter je¬
doch auch von guten Engeln erzeugt wird. Dergleichen Erörterungen, dienen
"is passende Introduction zu dem Hauptinhalt des Werkes, in welchem von



*) Vergl, Bancroft „Histor^ ol tus vnitoü State»," Lax. XIX.
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[0171] verwaltete. Die Regierung Neuenglands hatte damals einen in hohem Grade theokratischen-Charakter, dessen Spuren noch immer nicht ganz verwischt sind; das Meetinghouse, schreibt Bancroft, war der Mittelpunkt, um welchen sich das Volk versammelte; die Stimme des Geistlichen oder der „Minister", wie man sie nannte, war auch in weltlichen Angelegenheiten entscheidend; alle Staatsschriften wurden von ihnen verfaßt, sie waren die Hauptredner bei den Wahlen und städtischen Zusammenkünften und nicht selten die Bevollmächtigten bei diplomatischen Verhandlungen. So spielte anch Malser in den politischen Wirren seiner Zeit eine einflußreiche Rolle; als der berüchtigte Kitt von Karl II. zum Gouverneur der Colonie ernannt wurde und in der despotischen Weise zu Hausen begann, die den Beamten der Stuarts eigen war, sandten die Nachkommen der Pilger den frommen und beredten Mann mit ihren Klagen und Vorstellungen nach England, wo er Zutritt zum Könige gewann und Zu- sicherungen von ihm erhielt, die das gewöhnliche Loos hoher Versprechungen theilten, und als mit der Revolution ^von 1688 auch für Neuengland eine glücklichere Aera anbrach, gelang es ihm, die Erneuerung des zerrissenen Frei¬ briefs der Colonie bei Wilhelm III. auszuwirken, dem er dagegen im Geist eines Innocenz oder Gregor die Würde eines „Kaisers von Amerika" verhieß. Daß ein solcher Mann'seine Mußestunden mit Untersuchungen über Dämono¬ logie und schwarze Kunst ausfüllte, beweist, welches Interesse dergleichen Fragen für seine Mitbürger besaßen, und in der That fiel die Herausgabe seines Buchs in eine Periode, wo der Aberglaube, der die Colonisten aus der alten Welt nach der neuen begleitet hatte, einen Ausbruch des Fanatismus hervor¬ rief, welcher zu ähnlichen Blutscenen führte, wie diejenigen, von denen ihre frühere Heimath Zeuge war, und welcher eine der dunkelsten Seiten in den Annalen ihres neuen Vaterlandes bildet.*) Das Buch, das, wie sein Titel besagt und in der Vorrede näher aus¬ einandergesetzt wird, zum Zweck hat, „Bericht zu geben von vielen be¬ merkenswerthen und sehr denkwürdigen Begebenheiten, die sich in dieser letzten Zeit besonders in Neuengland ereignet haben und das erhabene Wal¬ len der Vorsehung beurkunden," zerfällt in zwölf Abschnitte, wovon die drei ersten merkwürdige, von mehr oder minder wunderbaren Umständen be¬ gleitete Fälle von Rettung aus FeuerSgefcchr und Wassernoth erzählen, der vierte aber sich in ,,philosophischen" Betrachtungen über Antipathie und Sympathie, über Talismane und Amulete ergeht und von den Wirkungen ^'s Donners und des Blitzes handelt, der mitunter vom Satan, mitunter je¬ doch auch von guten Engeln erzeugt wird. Dergleichen Erörterungen, dienen "is passende Introduction zu dem Hauptinhalt des Werkes, in welchem von *) Vergl, Bancroft „Histor^ ol tus vnitoü State»," Lax. XIX. 21 *

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/171>, abgerufen am 27.06.2024.