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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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zuletzt erscheint der Papst. Eine große schöne, etwas wohlbeleibte Gestalt, von
angenehmem, freundlichem Gesichtsausdruck, sehr lebendigen Augen, so schritt
t^lo nono, über die ganze Versammlung den Segen austheilend, langsam die
Stufen herab; die versammelte Menge fiel auf die Knie, und so auch wir, ein
schöner einfacher Gesang ertönte von den Sängern der sirtinischen Kapelle und
ich gestehe, daß mir sehr feierlich zu Muthe war, und ich diesen Segen des höch¬
sten katholischen Kirchenoberhauptes für mich und die Meinigen in andächtiger
Stimmung aufnahm. -- Bekleidet war der Papst in langen weißen Unter-
gewand, darüber ein reich mit Gold gesticktes, schweres orcmgenes Obergewand,
die goldgestickte > Papftmütze auf dem Kopf. Vor dem Altar verrichtete er sein
Gebet, dann schritt er die Stufen des links stehenden heiligen Stuhles hinauf,
und nachdem die Cardinäle der Reihe nach zum Kusse des Ringes, die übrigen
Geistlichen zum Fußkuß gekommen waren, begann die Messe, wobei außer-
orventlich schöne Gesänge, nur von etwas scharfen Sopranstimmen gesungen
wurden. Der Eindruck, den mir die verschiedenen Ceremonien, das Anräuchern
der Cardinäle, das sich Begrüßen und Küssen derselben, das andere Gewänder
Anziehen und förmliche Ankleiden machte, war mehr theatralisch, als kirchlich.
Zwar wurde mir gesagt, daß alles dies seine hohe Bedeutung' und für den
Katholiken von größter Wichtigkeit sei, für mich aber war es unverständlich.
Nachdem die Messe vorüber, bestieg ein Dominikanermönch die Kanzel, eine
kleine ,etwas erhöhte, mit Brustlehne umgebene Rednerbühne, die Cardinäle und
Geistlichen setzten sich auf den Treppenstufen nieder, und mit dem größten
Feuereifer sing dieser beredte Mönch an in lateinischer Sprache, die aber wegen
der römisch-italienischen Aussprache nur in einzelnen Worten verständlich war,
eine Predigt zu halten. Ich hatte unterdeß Zeit, mich an den prachtvollen
Deckenmalereien Michel Angelos zu erbauen, so wie an den wirklich schönen
Gesichtern der zahlreich anwesenden fremden Damen zu erfreuen. Gegen 11 Uhr
verläßt der Papst die Kapelle und so auch wir. In der Sala regia wechseln
die Cardinäle abermals ihre Kleider, lange scharlachene Mantel und Hüte sind
jetzt die Tracht, und so schreiten sie die Treppen herab, wo ihre großen Staats¬
karrossen sie aufnehmen. Meist sind dies rothe, große viersitzige'Kutschkästen
mit vielfachen Bronzeverzierungcn, zwei starke schwarze Rosse mit rothen Quasten,
Federbüschen und Riemenzeug werden von den in altfranzösische Livree mit
großen Dreimastern gekleideten wohlhävigen Kutschern gezügelt, zwei, oft drei
ebenso gekleidete Diener, wovon der eine den immensen großen rothen Regere
Schirm, ein besonderes Vorrecht der Cardinäle, der sie bei jedem Wetter be-.
gleiten muß, trägt, steigen hinten auf, und so waren wol einige zwanzig solcher
Staatskutschen aufgefahren. Nachdem wir endlich durch die Menschheit uns
Platz gemacht, gingen wir auf den Petersplatz und fanden uns von der
immensen Größe und Schönheit dieses Platzes wunderbar überrascht. War ja


zuletzt erscheint der Papst. Eine große schöne, etwas wohlbeleibte Gestalt, von
angenehmem, freundlichem Gesichtsausdruck, sehr lebendigen Augen, so schritt
t^lo nono, über die ganze Versammlung den Segen austheilend, langsam die
Stufen herab; die versammelte Menge fiel auf die Knie, und so auch wir, ein
schöner einfacher Gesang ertönte von den Sängern der sirtinischen Kapelle und
ich gestehe, daß mir sehr feierlich zu Muthe war, und ich diesen Segen des höch¬
sten katholischen Kirchenoberhauptes für mich und die Meinigen in andächtiger
Stimmung aufnahm. — Bekleidet war der Papst in langen weißen Unter-
gewand, darüber ein reich mit Gold gesticktes, schweres orcmgenes Obergewand,
die goldgestickte > Papftmütze auf dem Kopf. Vor dem Altar verrichtete er sein
Gebet, dann schritt er die Stufen des links stehenden heiligen Stuhles hinauf,
und nachdem die Cardinäle der Reihe nach zum Kusse des Ringes, die übrigen
Geistlichen zum Fußkuß gekommen waren, begann die Messe, wobei außer-
orventlich schöne Gesänge, nur von etwas scharfen Sopranstimmen gesungen
wurden. Der Eindruck, den mir die verschiedenen Ceremonien, das Anräuchern
der Cardinäle, das sich Begrüßen und Küssen derselben, das andere Gewänder
Anziehen und förmliche Ankleiden machte, war mehr theatralisch, als kirchlich.
Zwar wurde mir gesagt, daß alles dies seine hohe Bedeutung' und für den
Katholiken von größter Wichtigkeit sei, für mich aber war es unverständlich.
Nachdem die Messe vorüber, bestieg ein Dominikanermönch die Kanzel, eine
kleine ,etwas erhöhte, mit Brustlehne umgebene Rednerbühne, die Cardinäle und
Geistlichen setzten sich auf den Treppenstufen nieder, und mit dem größten
Feuereifer sing dieser beredte Mönch an in lateinischer Sprache, die aber wegen
der römisch-italienischen Aussprache nur in einzelnen Worten verständlich war,
eine Predigt zu halten. Ich hatte unterdeß Zeit, mich an den prachtvollen
Deckenmalereien Michel Angelos zu erbauen, so wie an den wirklich schönen
Gesichtern der zahlreich anwesenden fremden Damen zu erfreuen. Gegen 11 Uhr
verläßt der Papst die Kapelle und so auch wir. In der Sala regia wechseln
die Cardinäle abermals ihre Kleider, lange scharlachene Mantel und Hüte sind
jetzt die Tracht, und so schreiten sie die Treppen herab, wo ihre großen Staats¬
karrossen sie aufnehmen. Meist sind dies rothe, große viersitzige'Kutschkästen
mit vielfachen Bronzeverzierungcn, zwei starke schwarze Rosse mit rothen Quasten,
Federbüschen und Riemenzeug werden von den in altfranzösische Livree mit
großen Dreimastern gekleideten wohlhävigen Kutschern gezügelt, zwei, oft drei
ebenso gekleidete Diener, wovon der eine den immensen großen rothen Regere
Schirm, ein besonderes Vorrecht der Cardinäle, der sie bei jedem Wetter be-.
gleiten muß, trägt, steigen hinten auf, und so waren wol einige zwanzig solcher
Staatskutschen aufgefahren. Nachdem wir endlich durch die Menschheit uns
Platz gemacht, gingen wir auf den Petersplatz und fanden uns von der
immensen Größe und Schönheit dieses Platzes wunderbar überrascht. War ja


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[0162] zuletzt erscheint der Papst. Eine große schöne, etwas wohlbeleibte Gestalt, von angenehmem, freundlichem Gesichtsausdruck, sehr lebendigen Augen, so schritt t^lo nono, über die ganze Versammlung den Segen austheilend, langsam die Stufen herab; die versammelte Menge fiel auf die Knie, und so auch wir, ein schöner einfacher Gesang ertönte von den Sängern der sirtinischen Kapelle und ich gestehe, daß mir sehr feierlich zu Muthe war, und ich diesen Segen des höch¬ sten katholischen Kirchenoberhauptes für mich und die Meinigen in andächtiger Stimmung aufnahm. — Bekleidet war der Papst in langen weißen Unter- gewand, darüber ein reich mit Gold gesticktes, schweres orcmgenes Obergewand, die goldgestickte > Papftmütze auf dem Kopf. Vor dem Altar verrichtete er sein Gebet, dann schritt er die Stufen des links stehenden heiligen Stuhles hinauf, und nachdem die Cardinäle der Reihe nach zum Kusse des Ringes, die übrigen Geistlichen zum Fußkuß gekommen waren, begann die Messe, wobei außer- orventlich schöne Gesänge, nur von etwas scharfen Sopranstimmen gesungen wurden. Der Eindruck, den mir die verschiedenen Ceremonien, das Anräuchern der Cardinäle, das sich Begrüßen und Küssen derselben, das andere Gewänder Anziehen und förmliche Ankleiden machte, war mehr theatralisch, als kirchlich. Zwar wurde mir gesagt, daß alles dies seine hohe Bedeutung' und für den Katholiken von größter Wichtigkeit sei, für mich aber war es unverständlich. Nachdem die Messe vorüber, bestieg ein Dominikanermönch die Kanzel, eine kleine ,etwas erhöhte, mit Brustlehne umgebene Rednerbühne, die Cardinäle und Geistlichen setzten sich auf den Treppenstufen nieder, und mit dem größten Feuereifer sing dieser beredte Mönch an in lateinischer Sprache, die aber wegen der römisch-italienischen Aussprache nur in einzelnen Worten verständlich war, eine Predigt zu halten. Ich hatte unterdeß Zeit, mich an den prachtvollen Deckenmalereien Michel Angelos zu erbauen, so wie an den wirklich schönen Gesichtern der zahlreich anwesenden fremden Damen zu erfreuen. Gegen 11 Uhr verläßt der Papst die Kapelle und so auch wir. In der Sala regia wechseln die Cardinäle abermals ihre Kleider, lange scharlachene Mantel und Hüte sind jetzt die Tracht, und so schreiten sie die Treppen herab, wo ihre großen Staats¬ karrossen sie aufnehmen. Meist sind dies rothe, große viersitzige'Kutschkästen mit vielfachen Bronzeverzierungcn, zwei starke schwarze Rosse mit rothen Quasten, Federbüschen und Riemenzeug werden von den in altfranzösische Livree mit großen Dreimastern gekleideten wohlhävigen Kutschern gezügelt, zwei, oft drei ebenso gekleidete Diener, wovon der eine den immensen großen rothen Regere Schirm, ein besonderes Vorrecht der Cardinäle, der sie bei jedem Wetter be-. gleiten muß, trägt, steigen hinten auf, und so waren wol einige zwanzig solcher Staatskutschen aufgefahren. Nachdem wir endlich durch die Menschheit uns Platz gemacht, gingen wir auf den Petersplatz und fanden uns von der immensen Größe und Schönheit dieses Platzes wunderbar überrascht. War ja

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/162>, abgerufen am 27.06.2024.