Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Marquis Po^sa bei uns auf dem Theater erscheint, in der Hand einen kurzen
silbernen Stab mit eben solchem großen Knopf, um den Hals tragen sie eine
breite goldene Kette, dazu waren es grade ein paar recht hübsche Leute, denen
diese Tracht vortrefflich stand. Jetzt erscheint eine Abtheilung Schweizer und
nachdem der Führer an der großen Eingangsthür zur sirtinischen Kapelle
angeklopft und eine von innen an ihn gerichtete Frage beantwortet, Hort man
aufschließen und die Thüren werden geöffnet. Ein Schauer ergriff mich, als
ich in diese Kapelle eintrat, von der ich so viel gehört und die so wunderbare
Kunstwerke enthält. Ein eignes Halbdunkel war über die Kapelle verbreitet,
nur auf dem Altar und dem Sängerchor brannten Kerzen. Wir hatten Zeit,
ehe die eigentliche Ceremonie begann und der Papst erschien, uns recht zu
orientiren. Unmittelbar vor dem großen Gitter, welches die Kapelle in zwei
ungleiche Hälften theilt und welches die Frauen nicht überschreiten dürfen, denn
hier fängt die Clausur an, hatten wir Platz genommen, gerade vor uns das
jüngste Gericht, über uns die prächtigen Propheten und Sybillen, die Schöpfungs¬
geschichte von Michel Angelo, nur Beleuchtung fehlte, um diese Wunderwerke
gehörig betrachten zu können. Werden wir ja aber später noch öfter Gelegen¬
heit haben, hierher zurückzukehren. Bald erschien die päpstliche Nobelgarde, nach
Und nach folgten die Cardinäle, zuerst ein noch ziemlich junger mit ausdrucks¬
vollen, doch noch mehr weltlichem Gesicht, darauf ein Kapuzinercardinal mit
langem weißem Bart, außerordentlich ehrwürdig, dabei von ernstesten Aus¬
druck in seinen Mienen. Dieser trug noch die Kapuzinerkutte, nur aus etwas
feinerem Stoff, so auch einen braunen Pelzmantel, dazu aber die scharlachnen
Strümpfe und Kappe, während die übrigen Cardinäle die langen, schweren, lila-
Indenen Gewänder mit weißem Hermelinmantel und den übrigen Cardinals-
lnsignien trugen. Nach und nach versammelten sich immer mehr von
Cardinälen, die stets von zwei Kammerdienern in schwarzseidenen Eöcarpins
und langen seidenen Mänteln, hereingeleitet wurden, und nachdem sie
vor dem Allerheiligsten ihr Gebet verrichtet, auf ihre Plätze, die erhöht
an den Wänden waren, sich niederließen, nachdem von ihren Dienern ihnen
erst eine Art Toilette gemacht worden war. Wie verschiedene Gesichter
sah man da, doch muß ich sagen, daß die größere Zahl derselben recht be¬
deutend aussah; die berühmtesten wurden uns genannt, und unter diesen habe
ich mir die Namen Tosti, d'Andrea, della Genga, Barberini, Piccolomini,
Mastai Feretti (der Vetter des Papstes), Wiseman, Altieri und den Cardinal-
staatSsecretär Antonelli, aufgezeichnet. Dann öffnet sich neben dem Altar eine
kleine Thür, Schweizer erscheinen, Nobelgarde, päpstliche Diener in altdeutscher
Tracht von kirschbraunem schwerem Seidendamast, mehre Monsignores in
violetten langen Gewändern, darüber ein kurzes Chorhemd von sein gefaltetem
gestickten Batist, mehre Bischöfe und andere höhere Geistliche, Mönche, und


Grenzboten. II. -I8os. 20

Marquis Po^sa bei uns auf dem Theater erscheint, in der Hand einen kurzen
silbernen Stab mit eben solchem großen Knopf, um den Hals tragen sie eine
breite goldene Kette, dazu waren es grade ein paar recht hübsche Leute, denen
diese Tracht vortrefflich stand. Jetzt erscheint eine Abtheilung Schweizer und
nachdem der Führer an der großen Eingangsthür zur sirtinischen Kapelle
angeklopft und eine von innen an ihn gerichtete Frage beantwortet, Hort man
aufschließen und die Thüren werden geöffnet. Ein Schauer ergriff mich, als
ich in diese Kapelle eintrat, von der ich so viel gehört und die so wunderbare
Kunstwerke enthält. Ein eignes Halbdunkel war über die Kapelle verbreitet,
nur auf dem Altar und dem Sängerchor brannten Kerzen. Wir hatten Zeit,
ehe die eigentliche Ceremonie begann und der Papst erschien, uns recht zu
orientiren. Unmittelbar vor dem großen Gitter, welches die Kapelle in zwei
ungleiche Hälften theilt und welches die Frauen nicht überschreiten dürfen, denn
hier fängt die Clausur an, hatten wir Platz genommen, gerade vor uns das
jüngste Gericht, über uns die prächtigen Propheten und Sybillen, die Schöpfungs¬
geschichte von Michel Angelo, nur Beleuchtung fehlte, um diese Wunderwerke
gehörig betrachten zu können. Werden wir ja aber später noch öfter Gelegen¬
heit haben, hierher zurückzukehren. Bald erschien die päpstliche Nobelgarde, nach
Und nach folgten die Cardinäle, zuerst ein noch ziemlich junger mit ausdrucks¬
vollen, doch noch mehr weltlichem Gesicht, darauf ein Kapuzinercardinal mit
langem weißem Bart, außerordentlich ehrwürdig, dabei von ernstesten Aus¬
druck in seinen Mienen. Dieser trug noch die Kapuzinerkutte, nur aus etwas
feinerem Stoff, so auch einen braunen Pelzmantel, dazu aber die scharlachnen
Strümpfe und Kappe, während die übrigen Cardinäle die langen, schweren, lila-
Indenen Gewänder mit weißem Hermelinmantel und den übrigen Cardinals-
lnsignien trugen. Nach und nach versammelten sich immer mehr von
Cardinälen, die stets von zwei Kammerdienern in schwarzseidenen Eöcarpins
und langen seidenen Mänteln, hereingeleitet wurden, und nachdem sie
vor dem Allerheiligsten ihr Gebet verrichtet, auf ihre Plätze, die erhöht
an den Wänden waren, sich niederließen, nachdem von ihren Dienern ihnen
erst eine Art Toilette gemacht worden war. Wie verschiedene Gesichter
sah man da, doch muß ich sagen, daß die größere Zahl derselben recht be¬
deutend aussah; die berühmtesten wurden uns genannt, und unter diesen habe
ich mir die Namen Tosti, d'Andrea, della Genga, Barberini, Piccolomini,
Mastai Feretti (der Vetter des Papstes), Wiseman, Altieri und den Cardinal-
staatSsecretär Antonelli, aufgezeichnet. Dann öffnet sich neben dem Altar eine
kleine Thür, Schweizer erscheinen, Nobelgarde, päpstliche Diener in altdeutscher
Tracht von kirschbraunem schwerem Seidendamast, mehre Monsignores in
violetten langen Gewändern, darüber ein kurzes Chorhemd von sein gefaltetem
gestickten Batist, mehre Bischöfe und andere höhere Geistliche, Mönche, und


Grenzboten. II. -I8os. 20
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0161" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101688"/>
          <p xml:id="ID_392" prev="#ID_391" next="#ID_393"> Marquis Po^sa bei uns auf dem Theater erscheint, in der Hand einen kurzen<lb/>
silbernen Stab mit eben solchem großen Knopf, um den Hals tragen sie eine<lb/>
breite goldene Kette, dazu waren es grade ein paar recht hübsche Leute, denen<lb/>
diese Tracht vortrefflich stand. Jetzt erscheint eine Abtheilung Schweizer und<lb/>
nachdem der Führer an der großen Eingangsthür zur sirtinischen Kapelle<lb/>
angeklopft und eine von innen an ihn gerichtete Frage beantwortet, Hort man<lb/>
aufschließen und die Thüren werden geöffnet. Ein Schauer ergriff mich, als<lb/>
ich in diese Kapelle eintrat, von der ich so viel gehört und die so wunderbare<lb/>
Kunstwerke enthält. Ein eignes Halbdunkel war über die Kapelle verbreitet,<lb/>
nur auf dem Altar und dem Sängerchor brannten Kerzen. Wir hatten Zeit,<lb/>
ehe die eigentliche Ceremonie begann und der Papst erschien, uns recht zu<lb/>
orientiren. Unmittelbar vor dem großen Gitter, welches die Kapelle in zwei<lb/>
ungleiche Hälften theilt und welches die Frauen nicht überschreiten dürfen, denn<lb/>
hier fängt die Clausur an, hatten wir Platz genommen, gerade vor uns das<lb/>
jüngste Gericht, über uns die prächtigen Propheten und Sybillen, die Schöpfungs¬<lb/>
geschichte von Michel Angelo, nur Beleuchtung fehlte, um diese Wunderwerke<lb/>
gehörig betrachten zu können. Werden wir ja aber später noch öfter Gelegen¬<lb/>
heit haben, hierher zurückzukehren. Bald erschien die päpstliche Nobelgarde, nach<lb/>
Und nach folgten die Cardinäle, zuerst ein noch ziemlich junger mit ausdrucks¬<lb/>
vollen, doch noch mehr weltlichem Gesicht, darauf ein Kapuzinercardinal mit<lb/>
langem weißem Bart, außerordentlich ehrwürdig, dabei von ernstesten Aus¬<lb/>
druck in seinen Mienen. Dieser trug noch die Kapuzinerkutte, nur aus etwas<lb/>
feinerem Stoff, so auch einen braunen Pelzmantel, dazu aber die scharlachnen<lb/>
Strümpfe und Kappe, während die übrigen Cardinäle die langen, schweren, lila-<lb/>
Indenen Gewänder mit weißem Hermelinmantel und den übrigen Cardinals-<lb/>
lnsignien trugen. Nach und nach versammelten sich immer mehr von<lb/>
Cardinälen, die stets von zwei Kammerdienern in schwarzseidenen Eöcarpins<lb/>
und langen seidenen Mänteln, hereingeleitet wurden, und nachdem sie<lb/>
vor dem Allerheiligsten ihr Gebet verrichtet, auf ihre Plätze, die erhöht<lb/>
an den Wänden waren, sich niederließen, nachdem von ihren Dienern ihnen<lb/>
erst eine Art Toilette gemacht worden war. Wie verschiedene Gesichter<lb/>
sah man da, doch muß ich sagen, daß die größere Zahl derselben recht be¬<lb/>
deutend aussah; die berühmtesten wurden uns genannt, und unter diesen habe<lb/>
ich mir die Namen Tosti, d'Andrea, della Genga, Barberini, Piccolomini,<lb/>
Mastai Feretti (der Vetter des Papstes), Wiseman, Altieri und den Cardinal-<lb/>
staatSsecretär Antonelli, aufgezeichnet. Dann öffnet sich neben dem Altar eine<lb/>
kleine Thür, Schweizer erscheinen, Nobelgarde, päpstliche Diener in altdeutscher<lb/>
Tracht von kirschbraunem schwerem Seidendamast, mehre Monsignores in<lb/>
violetten langen Gewändern, darüber ein kurzes Chorhemd von sein gefaltetem<lb/>
gestickten Batist, mehre Bischöfe und andere höhere Geistliche, Mönche, und</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. II. -I8os. 20</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0161] Marquis Po^sa bei uns auf dem Theater erscheint, in der Hand einen kurzen silbernen Stab mit eben solchem großen Knopf, um den Hals tragen sie eine breite goldene Kette, dazu waren es grade ein paar recht hübsche Leute, denen diese Tracht vortrefflich stand. Jetzt erscheint eine Abtheilung Schweizer und nachdem der Führer an der großen Eingangsthür zur sirtinischen Kapelle angeklopft und eine von innen an ihn gerichtete Frage beantwortet, Hort man aufschließen und die Thüren werden geöffnet. Ein Schauer ergriff mich, als ich in diese Kapelle eintrat, von der ich so viel gehört und die so wunderbare Kunstwerke enthält. Ein eignes Halbdunkel war über die Kapelle verbreitet, nur auf dem Altar und dem Sängerchor brannten Kerzen. Wir hatten Zeit, ehe die eigentliche Ceremonie begann und der Papst erschien, uns recht zu orientiren. Unmittelbar vor dem großen Gitter, welches die Kapelle in zwei ungleiche Hälften theilt und welches die Frauen nicht überschreiten dürfen, denn hier fängt die Clausur an, hatten wir Platz genommen, gerade vor uns das jüngste Gericht, über uns die prächtigen Propheten und Sybillen, die Schöpfungs¬ geschichte von Michel Angelo, nur Beleuchtung fehlte, um diese Wunderwerke gehörig betrachten zu können. Werden wir ja aber später noch öfter Gelegen¬ heit haben, hierher zurückzukehren. Bald erschien die päpstliche Nobelgarde, nach Und nach folgten die Cardinäle, zuerst ein noch ziemlich junger mit ausdrucks¬ vollen, doch noch mehr weltlichem Gesicht, darauf ein Kapuzinercardinal mit langem weißem Bart, außerordentlich ehrwürdig, dabei von ernstesten Aus¬ druck in seinen Mienen. Dieser trug noch die Kapuzinerkutte, nur aus etwas feinerem Stoff, so auch einen braunen Pelzmantel, dazu aber die scharlachnen Strümpfe und Kappe, während die übrigen Cardinäle die langen, schweren, lila- Indenen Gewänder mit weißem Hermelinmantel und den übrigen Cardinals- lnsignien trugen. Nach und nach versammelten sich immer mehr von Cardinälen, die stets von zwei Kammerdienern in schwarzseidenen Eöcarpins und langen seidenen Mänteln, hereingeleitet wurden, und nachdem sie vor dem Allerheiligsten ihr Gebet verrichtet, auf ihre Plätze, die erhöht an den Wänden waren, sich niederließen, nachdem von ihren Dienern ihnen erst eine Art Toilette gemacht worden war. Wie verschiedene Gesichter sah man da, doch muß ich sagen, daß die größere Zahl derselben recht be¬ deutend aussah; die berühmtesten wurden uns genannt, und unter diesen habe ich mir die Namen Tosti, d'Andrea, della Genga, Barberini, Piccolomini, Mastai Feretti (der Vetter des Papstes), Wiseman, Altieri und den Cardinal- staatSsecretär Antonelli, aufgezeichnet. Dann öffnet sich neben dem Altar eine kleine Thür, Schweizer erscheinen, Nobelgarde, päpstliche Diener in altdeutscher Tracht von kirschbraunem schwerem Seidendamast, mehre Monsignores in violetten langen Gewändern, darüber ein kurzes Chorhemd von sein gefaltetem gestickten Batist, mehre Bischöfe und andere höhere Geistliche, Mönche, und Grenzboten. II. -I8os. 20

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/161
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/161>, abgerufen am 27.06.2024.