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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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der prächtigste Sonnenschein, in den Fontaine" die herrlichsten Regenbogen
sichtbar und der Platz voller Menschen belebt. Denkt Euch einen von zwei
Säulengängen, jeder mit vier Reihen fünfzig Fuß hoher, dorischer Säulen
umfaßten runden Platz, in dessen Mitte der hundertunddreizehn Palmen hohe
glatte Obelisk und die aus großen granitenen Becken mächtigen Wasserstrahl
auswerfenden Springbrunnen, die an die Säulengänge sich anlehnenden
offenen Corridore, die an der Fapade der Kirche enden, die große, breite, zum
Se. Peter allmälig aufsteigende Freitreppe, dahinter die Fa?abe und die sich
leicht darüber in die Lüfte erhebende Kuppel dieser Peterskirche, Abbildungen
in Stich und Farben hatte ich viele dabon gesehen, aber nicht eine gab einen
Begriff dieser Großartigkeit. Wir stiegen dann die große Freitreppe, zwischen
den kolossalen Marmorstatuen der Apostel Peter und Paul hinauf und traten
in die große Vorhalle durch die Mittelthür ein, und schon hier wird man von
dem Reichthum der Marmor- und Goldverzierungen überrascht. Das Schiff
des heiligen Petrus von Giottos Composition in Mosaik über dem Haupt¬
eingang war daS Erste dieser Arbeiten, was ich sah. An den schönen Bronze¬
thüren fielen mir bei der sehr trefflichen Arbeit die mythologischen Gegenstände,
wie Leda mit dem Schwan, der Raub des Ganymed u. s. w. auf, welche den
Haupteingang zu dieser ersten und größten katholischen Kirche schmückten. Mir
machte das'Jnnere der Kirche selbst gleich beim Eintritt den ungeheuersten Ein¬
druck. Halte ich doch so oft gehört, daß beim ersten Besuch die immensen
Verhältnisse gar nicht so überraschend auf den Beschauer wirken sollten. Lange
blieben wir am Eingang stehen und sahen staunend in diese Pracht und
Größe hinein; von welcher Kleinheit erschienen uns die am Grabmal des
heiligen Petrus gehenden und knienden Menschen, und wie eigen wirkte durch
das in der Mitte des Kreuzes sich erhebende Tabernakel durch, das über den
heiligen Stuhl durch orange Glorie, in deren Mitte der heilige Geist in Ge¬
stalt einer Taube, enifallende Licht. Ueber uns das 286 Palmen hohe, von
vergoldeten Facetten bedeckte Gewölbe, der mit prächtigen Marmorarten be¬
kleidete Fußboden, alles das setzte uns in das größte Erstaunen, was sich aber
bei Betrachtung des wunderbaren Kuppelbaues noch um vieles steigerte. Ehe
wir' in den Kuppelbau selbst hineintraten, wurde unsre Aufmerksamkeit auf die
sich zum Fußkuß der Statue des heiligen Petrus drängende Menge gezogen.
Hier geht kein guter Katholik, der vornehmste so wie der geringste vorbei, ohne
dieser, aus dem Erze des Jupiter Capitolinus unter Leo dem Großen im fünf-
Jahrhundert gegossenen Statue den rechten Fuß zu küssen, so daß dieser
allerdings kaum mehr die Form eines Fußes erkennen läßt. Ehe nun der
Kuß selbst applicirt wird, reinigt jeder alle Mal mit Schnupftuch, Rockärmel
"der dergleichen den Fuß des Heiligen von der vorher geschehenen Ehrenerwei-
sung. Nun traten wir in den von vier Riesenpfeilern getragenen Kuppelbau,


2,0*

der prächtigste Sonnenschein, in den Fontaine» die herrlichsten Regenbogen
sichtbar und der Platz voller Menschen belebt. Denkt Euch einen von zwei
Säulengängen, jeder mit vier Reihen fünfzig Fuß hoher, dorischer Säulen
umfaßten runden Platz, in dessen Mitte der hundertunddreizehn Palmen hohe
glatte Obelisk und die aus großen granitenen Becken mächtigen Wasserstrahl
auswerfenden Springbrunnen, die an die Säulengänge sich anlehnenden
offenen Corridore, die an der Fapade der Kirche enden, die große, breite, zum
Se. Peter allmälig aufsteigende Freitreppe, dahinter die Fa?abe und die sich
leicht darüber in die Lüfte erhebende Kuppel dieser Peterskirche, Abbildungen
in Stich und Farben hatte ich viele dabon gesehen, aber nicht eine gab einen
Begriff dieser Großartigkeit. Wir stiegen dann die große Freitreppe, zwischen
den kolossalen Marmorstatuen der Apostel Peter und Paul hinauf und traten
in die große Vorhalle durch die Mittelthür ein, und schon hier wird man von
dem Reichthum der Marmor- und Goldverzierungen überrascht. Das Schiff
des heiligen Petrus von Giottos Composition in Mosaik über dem Haupt¬
eingang war daS Erste dieser Arbeiten, was ich sah. An den schönen Bronze¬
thüren fielen mir bei der sehr trefflichen Arbeit die mythologischen Gegenstände,
wie Leda mit dem Schwan, der Raub des Ganymed u. s. w. auf, welche den
Haupteingang zu dieser ersten und größten katholischen Kirche schmückten. Mir
machte das'Jnnere der Kirche selbst gleich beim Eintritt den ungeheuersten Ein¬
druck. Halte ich doch so oft gehört, daß beim ersten Besuch die immensen
Verhältnisse gar nicht so überraschend auf den Beschauer wirken sollten. Lange
blieben wir am Eingang stehen und sahen staunend in diese Pracht und
Größe hinein; von welcher Kleinheit erschienen uns die am Grabmal des
heiligen Petrus gehenden und knienden Menschen, und wie eigen wirkte durch
das in der Mitte des Kreuzes sich erhebende Tabernakel durch, das über den
heiligen Stuhl durch orange Glorie, in deren Mitte der heilige Geist in Ge¬
stalt einer Taube, enifallende Licht. Ueber uns das 286 Palmen hohe, von
vergoldeten Facetten bedeckte Gewölbe, der mit prächtigen Marmorarten be¬
kleidete Fußboden, alles das setzte uns in das größte Erstaunen, was sich aber
bei Betrachtung des wunderbaren Kuppelbaues noch um vieles steigerte. Ehe
wir' in den Kuppelbau selbst hineintraten, wurde unsre Aufmerksamkeit auf die
sich zum Fußkuß der Statue des heiligen Petrus drängende Menge gezogen.
Hier geht kein guter Katholik, der vornehmste so wie der geringste vorbei, ohne
dieser, aus dem Erze des Jupiter Capitolinus unter Leo dem Großen im fünf-
Jahrhundert gegossenen Statue den rechten Fuß zu küssen, so daß dieser
allerdings kaum mehr die Form eines Fußes erkennen läßt. Ehe nun der
Kuß selbst applicirt wird, reinigt jeder alle Mal mit Schnupftuch, Rockärmel
»der dergleichen den Fuß des Heiligen von der vorher geschehenen Ehrenerwei-
sung. Nun traten wir in den von vier Riesenpfeilern getragenen Kuppelbau,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/163>, abgerufen am 27.06.2024.