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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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genommen und so langen wir nach 8 Uhr an der Porta Cavallegiri Roms
an. Hier gab es nun unangenehmen Zeitaufenthalt mit Paß- und Visitations¬
angelegenheiten und so ständen wir eine gute Zeit an den Pforten dieser Welt¬
stadt, die sich erst nach Verabreichung drei stipulirter scutis öffneten. Wir
fuhren durch ein paar winklige kleine Straßen, als wir plötzlich zur Linken
große Säulenreihen, durch Lampen erhellt, sahen, und durch diese durch große
prächtig sprudelnde Fontainen; ,,Herr Gott, das ist ja der Petersplatz," er¬
scholl es aus einem Munde. Dann ging es eine lange, breite Straße ent¬
lang, und bald gab es ein zweites Kunstwerk zu bewundern; wir fuhren an
der Engelsburg vorbei, welche selbst in diesem feuchten Nachthimmel sich mäch¬
tig präsentirte, über die Tiber, verschiedene Straßen entlang, an Obelisken
uno Säulen, Kirchen und großen Palästen vorüber. Die Straßen aber alle
todt und öde, in einzelnen Cas^S wenige Gäste; und nachdem wir an ver¬
schiedenen Hotels vorgefahren, aber nirgend Zimmer bekommen, fanden wir
endlich am spanischen Platze im Hotel de l'Europe im vierten Stock noch leid¬
liches Unterkommen. Als wir dann beim Souper unsern Feldzug für den
morgenden Tag beriethen, ertönte von der Straße heraus Gesang, wir eilen
ans Fenster, eine Brüderschaft bestattet einen Todten, die langen weißen, ver¬
kappten Gestalten, Kerzen haltend, Gebete absingend, tragen im offnen Sarge
ein junges Mädchen, voran ein Geistlicher mit Chorknaben, das Crucifix ragt
über den Zug empor; so biegt der Cvnduct in ziemlich schnellem Schritt in
eine Straße ein. In solcher Regennacht^ machte dies einen gar unheimlichen
Eindruck.

Am andern Tage wurden wir durch die Bedienten vom Platz veranlaßt,
die sirtinischc Kapelle auszusuchen, wo der Papst mit sämmtlichen Cardinälen
heute ein besonderes Kirchenfest feierte. Da zu den Ceremonien in dieser Ka¬
pelle man im schwarzen Frack erscheinen muß, so änderten wir schleunigst unsre
Toilette und fuhren durch enge winklige Straßen, an der Engelsburg vorüber,
zu den prächtigen Kolonnaden des Petersplatzeö, wo die Schweizer standen,
meist große, schöne Männer, in altdeutscher Tracht mit langen Hellebarden;
wir gehen einen langen Gang an der Statue Konstantins des Großen vorbei,
steigen die prächtige, mit Säulen gezierte, oben schmaler werdende Treppe (ein
Kunststück des Bernini) hinaus und gelangen in die Sala regia. Dieser große,
prächtige, mit schönem Marmvrfußboden getäfelte Saal ist mit reicher Stucca-
tur an Decke und Wänden, großen Fresken von Vasari und Zuccari'geschmückt.
Hier hatte sich eine große Anzahl Herren und Damen schon versammelt; letztere
meistens Fremde, worunter viele ausgezeichnet schöne Gesichter, waren in
schwarzer, feinster Toilette, mit einem schwarzen Spitzenschleier, der auf der
Brust zusammengesteckt ist, sehr malerisch anzusehen. Die dienstthuenden päpst¬
lichen Kammerherren erscheinen, in schwarzer spanischer Tracht, ganz wie der


genommen und so langen wir nach 8 Uhr an der Porta Cavallegiri Roms
an. Hier gab es nun unangenehmen Zeitaufenthalt mit Paß- und Visitations¬
angelegenheiten und so ständen wir eine gute Zeit an den Pforten dieser Welt¬
stadt, die sich erst nach Verabreichung drei stipulirter scutis öffneten. Wir
fuhren durch ein paar winklige kleine Straßen, als wir plötzlich zur Linken
große Säulenreihen, durch Lampen erhellt, sahen, und durch diese durch große
prächtig sprudelnde Fontainen; ,,Herr Gott, das ist ja der Petersplatz," er¬
scholl es aus einem Munde. Dann ging es eine lange, breite Straße ent¬
lang, und bald gab es ein zweites Kunstwerk zu bewundern; wir fuhren an
der Engelsburg vorbei, welche selbst in diesem feuchten Nachthimmel sich mäch¬
tig präsentirte, über die Tiber, verschiedene Straßen entlang, an Obelisken
uno Säulen, Kirchen und großen Palästen vorüber. Die Straßen aber alle
todt und öde, in einzelnen Cas^S wenige Gäste; und nachdem wir an ver¬
schiedenen Hotels vorgefahren, aber nirgend Zimmer bekommen, fanden wir
endlich am spanischen Platze im Hotel de l'Europe im vierten Stock noch leid¬
liches Unterkommen. Als wir dann beim Souper unsern Feldzug für den
morgenden Tag beriethen, ertönte von der Straße heraus Gesang, wir eilen
ans Fenster, eine Brüderschaft bestattet einen Todten, die langen weißen, ver¬
kappten Gestalten, Kerzen haltend, Gebete absingend, tragen im offnen Sarge
ein junges Mädchen, voran ein Geistlicher mit Chorknaben, das Crucifix ragt
über den Zug empor; so biegt der Cvnduct in ziemlich schnellem Schritt in
eine Straße ein. In solcher Regennacht^ machte dies einen gar unheimlichen
Eindruck.

Am andern Tage wurden wir durch die Bedienten vom Platz veranlaßt,
die sirtinischc Kapelle auszusuchen, wo der Papst mit sämmtlichen Cardinälen
heute ein besonderes Kirchenfest feierte. Da zu den Ceremonien in dieser Ka¬
pelle man im schwarzen Frack erscheinen muß, so änderten wir schleunigst unsre
Toilette und fuhren durch enge winklige Straßen, an der Engelsburg vorüber,
zu den prächtigen Kolonnaden des Petersplatzeö, wo die Schweizer standen,
meist große, schöne Männer, in altdeutscher Tracht mit langen Hellebarden;
wir gehen einen langen Gang an der Statue Konstantins des Großen vorbei,
steigen die prächtige, mit Säulen gezierte, oben schmaler werdende Treppe (ein
Kunststück des Bernini) hinaus und gelangen in die Sala regia. Dieser große,
prächtige, mit schönem Marmvrfußboden getäfelte Saal ist mit reicher Stucca-
tur an Decke und Wänden, großen Fresken von Vasari und Zuccari'geschmückt.
Hier hatte sich eine große Anzahl Herren und Damen schon versammelt; letztere
meistens Fremde, worunter viele ausgezeichnet schöne Gesichter, waren in
schwarzer, feinster Toilette, mit einem schwarzen Spitzenschleier, der auf der
Brust zusammengesteckt ist, sehr malerisch anzusehen. Die dienstthuenden päpst¬
lichen Kammerherren erscheinen, in schwarzer spanischer Tracht, ganz wie der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/160>, abgerufen am 05.07.2024.