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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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Erster Eindruck Roms.

Sicilien und Neapel. Tagebuch einer Reise während des Winters 1853 bis
-I85i im Gefolge Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Georg, Herzogs
zu Sachsen, von l)r. Albert Gustav Carus. Würzen, Vcrlags-
comptoir. --

Von diesem interessanten und gut geschriebenen Buch werden wir unsern
Lesern am besten dadurch eine Vorstellung geben, daß wir ein Fragment dar¬
aus mittheilen. -- Die Reisenden sind in Civitavecchia aufgestiegen und setzen
ihren Weg nach Rom zu Wagen fort. "Längs des herrlich brandenden, tief
dunkelbauen Meeres, das durch die verschiedensten Fischerkähne sehr belebt war,
fuhren wir hin, die Aloes, Feigencactus, Oleander, Lorbeer und Buchsbaum
werden schon häufig, bei Marinolo begrüßen wir die erste Palme, wie schlank
erhebt sich neben einem alten Wartthurm am Meere dieser prächtige Wuchs,
wie winken uns die mächtigen Blätter glückliche Reise zu, dann bei Se. Severo
das malerisch alte Castell, die alten verfallenen Brücken, die großen Heerden
der langhaarigen weißen Ziegen, in den mit leichtem Zaun eingefaßten Fel¬
dern die prächtigen weißgrauen Stiere, von alten Hirten und treuen großen
Hunden bewacht; große Raubvögel schweben in Menge über dieser Oede, in
der man nur selten ein Wohnhaus sieht, dann wieder große Pferdeheerden,
blühende wilde Rosenhecken, alles so eine ganz andre Gegend und Landschaft.
Bei Palo, einer großen befestigten Kaserne der Franzosen, ist Poststation, und
da ging man auf der ziemlich breiten Straße buchstäblich in Düngerhaufen,
um aus der miserabeln Locanda ein Glas Wasser zu erlangen. Nun verläßt
man daS Meer, fährt durch bebautes Ackerland, wo überall Trümmer alten
Gemäuers hervorragen, gelangt dann in die eigentliche römische Campagna, ein
wellenförmiges Terrain, zwischen immergrünen Eichen, Buchen, Haselgcstrciuch,
an einer einsam gelegenen Locanda vorbei, sonst nicht ein einziger Ort von
irgend Bedeutung. Gegen 4 Uhr war es, als wir die Höhe eines kleinen
Hügels erreicht hatten, ich plötzlich in weiter Ferne eine große Kuppel her¬
vorragen sah; ich hatte mich nicht getäuscht, denn auf meine dem Po¬
stillon gestellte Frage erwiderte dieser o San l'ielro! und dies war ja unser
Ziel. Von nun ab blieb uns diese herrliche Kuppel fast immer vor Augen,
obgleich wir erst fünf Stunden später in die ewige Stadt einfuhren. Durch
prächtige kleine Hohlwege, mit Schlingpflanzen reich bewachsen, gewiß rechtes
Terrain für Räubereien und an immer wechselnden landschaftlichen Bildern
vorüber fliegt unser Wagen schnell dahin. Die Straße wird belebter, die so
°se gemalt gesehenen römischen zweirädrigen Karren, von tüchtigen Stieren ge¬
igen, auch eine Heerde Büffel von Campagnolen getrieben, begegnet uns,
einzelne Villen werden schon sichtbar; leider hat aber auch die Dunkelheit zu-


Erster Eindruck Roms.

Sicilien und Neapel. Tagebuch einer Reise während des Winters 1853 bis
-I85i im Gefolge Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Georg, Herzogs
zu Sachsen, von l)r. Albert Gustav Carus. Würzen, Vcrlags-
comptoir. —

Von diesem interessanten und gut geschriebenen Buch werden wir unsern
Lesern am besten dadurch eine Vorstellung geben, daß wir ein Fragment dar¬
aus mittheilen. — Die Reisenden sind in Civitavecchia aufgestiegen und setzen
ihren Weg nach Rom zu Wagen fort. „Längs des herrlich brandenden, tief
dunkelbauen Meeres, das durch die verschiedensten Fischerkähne sehr belebt war,
fuhren wir hin, die Aloes, Feigencactus, Oleander, Lorbeer und Buchsbaum
werden schon häufig, bei Marinolo begrüßen wir die erste Palme, wie schlank
erhebt sich neben einem alten Wartthurm am Meere dieser prächtige Wuchs,
wie winken uns die mächtigen Blätter glückliche Reise zu, dann bei Se. Severo
das malerisch alte Castell, die alten verfallenen Brücken, die großen Heerden
der langhaarigen weißen Ziegen, in den mit leichtem Zaun eingefaßten Fel¬
dern die prächtigen weißgrauen Stiere, von alten Hirten und treuen großen
Hunden bewacht; große Raubvögel schweben in Menge über dieser Oede, in
der man nur selten ein Wohnhaus sieht, dann wieder große Pferdeheerden,
blühende wilde Rosenhecken, alles so eine ganz andre Gegend und Landschaft.
Bei Palo, einer großen befestigten Kaserne der Franzosen, ist Poststation, und
da ging man auf der ziemlich breiten Straße buchstäblich in Düngerhaufen,
um aus der miserabeln Locanda ein Glas Wasser zu erlangen. Nun verläßt
man daS Meer, fährt durch bebautes Ackerland, wo überall Trümmer alten
Gemäuers hervorragen, gelangt dann in die eigentliche römische Campagna, ein
wellenförmiges Terrain, zwischen immergrünen Eichen, Buchen, Haselgcstrciuch,
an einer einsam gelegenen Locanda vorbei, sonst nicht ein einziger Ort von
irgend Bedeutung. Gegen 4 Uhr war es, als wir die Höhe eines kleinen
Hügels erreicht hatten, ich plötzlich in weiter Ferne eine große Kuppel her¬
vorragen sah; ich hatte mich nicht getäuscht, denn auf meine dem Po¬
stillon gestellte Frage erwiderte dieser o San l'ielro! und dies war ja unser
Ziel. Von nun ab blieb uns diese herrliche Kuppel fast immer vor Augen,
obgleich wir erst fünf Stunden später in die ewige Stadt einfuhren. Durch
prächtige kleine Hohlwege, mit Schlingpflanzen reich bewachsen, gewiß rechtes
Terrain für Räubereien und an immer wechselnden landschaftlichen Bildern
vorüber fliegt unser Wagen schnell dahin. Die Straße wird belebter, die so
°se gemalt gesehenen römischen zweirädrigen Karren, von tüchtigen Stieren ge¬
igen, auch eine Heerde Büffel von Campagnolen getrieben, begegnet uns,
einzelne Villen werden schon sichtbar; leider hat aber auch die Dunkelheit zu-


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[0159] Erster Eindruck Roms. Sicilien und Neapel. Tagebuch einer Reise während des Winters 1853 bis -I85i im Gefolge Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Georg, Herzogs zu Sachsen, von l)r. Albert Gustav Carus. Würzen, Vcrlags- comptoir. — Von diesem interessanten und gut geschriebenen Buch werden wir unsern Lesern am besten dadurch eine Vorstellung geben, daß wir ein Fragment dar¬ aus mittheilen. — Die Reisenden sind in Civitavecchia aufgestiegen und setzen ihren Weg nach Rom zu Wagen fort. „Längs des herrlich brandenden, tief dunkelbauen Meeres, das durch die verschiedensten Fischerkähne sehr belebt war, fuhren wir hin, die Aloes, Feigencactus, Oleander, Lorbeer und Buchsbaum werden schon häufig, bei Marinolo begrüßen wir die erste Palme, wie schlank erhebt sich neben einem alten Wartthurm am Meere dieser prächtige Wuchs, wie winken uns die mächtigen Blätter glückliche Reise zu, dann bei Se. Severo das malerisch alte Castell, die alten verfallenen Brücken, die großen Heerden der langhaarigen weißen Ziegen, in den mit leichtem Zaun eingefaßten Fel¬ dern die prächtigen weißgrauen Stiere, von alten Hirten und treuen großen Hunden bewacht; große Raubvögel schweben in Menge über dieser Oede, in der man nur selten ein Wohnhaus sieht, dann wieder große Pferdeheerden, blühende wilde Rosenhecken, alles so eine ganz andre Gegend und Landschaft. Bei Palo, einer großen befestigten Kaserne der Franzosen, ist Poststation, und da ging man auf der ziemlich breiten Straße buchstäblich in Düngerhaufen, um aus der miserabeln Locanda ein Glas Wasser zu erlangen. Nun verläßt man daS Meer, fährt durch bebautes Ackerland, wo überall Trümmer alten Gemäuers hervorragen, gelangt dann in die eigentliche römische Campagna, ein wellenförmiges Terrain, zwischen immergrünen Eichen, Buchen, Haselgcstrciuch, an einer einsam gelegenen Locanda vorbei, sonst nicht ein einziger Ort von irgend Bedeutung. Gegen 4 Uhr war es, als wir die Höhe eines kleinen Hügels erreicht hatten, ich plötzlich in weiter Ferne eine große Kuppel her¬ vorragen sah; ich hatte mich nicht getäuscht, denn auf meine dem Po¬ stillon gestellte Frage erwiderte dieser o San l'ielro! und dies war ja unser Ziel. Von nun ab blieb uns diese herrliche Kuppel fast immer vor Augen, obgleich wir erst fünf Stunden später in die ewige Stadt einfuhren. Durch prächtige kleine Hohlwege, mit Schlingpflanzen reich bewachsen, gewiß rechtes Terrain für Räubereien und an immer wechselnden landschaftlichen Bildern vorüber fliegt unser Wagen schnell dahin. Die Straße wird belebter, die so °se gemalt gesehenen römischen zweirädrigen Karren, von tüchtigen Stieren ge¬ igen, auch eine Heerde Büffel von Campagnolen getrieben, begegnet uns, einzelne Villen werden schon sichtbar; leider hat aber auch die Dunkelheit zu-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/159>, abgerufen am 27.06.2024.