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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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gegengesetzten Fall die Gemeindelocale schließt? Die freien Gemeinden zu
schließen, ist sehr leicht, denn sie haben keine wirkliche widerstandsfähige Eristenz;
aber heilt man eine Krankheit, indem man das Symptom abschneidet? und die
freien Gemeinden sind in der That nicht die Quelle, sondern das Symptom
der dem Christenthum widerstrebenden Gesinnung. Kann man diese durch
geistige Mittel beseitigen, so wird vom Nechtöstandpunkt niemand dagegen etwas
einwenden können. Sobald man sich aber auf den äußerlichen Kampf einläßt,
setzt man sich einer Rückwirkung aus, deren Folgen doch schwer zu berechnen
sein dürften, um so schwerer, wenn in einem Staat zwei gesetzlich gleichberech¬
tigte Confessionen nebeneinander bestehen.




Der deutsche Mmmergesang.

Der volksthümliche deutsche Männergesang, seine Geschichte, seine ge¬
sellschaftliche und nationale Bedeutung von Dr. Otto Elben. - Tübingen,
Laupp. --

Der Verfasser der vorliegenden Schrift gehört den schwäbischen Gesang¬
vereinen an und hat seinen Gegenstand sowol durch eigne Anschauung,
als durch Studium der dahin einschlagenden Literatur gründlich kennen ge¬
lernt. Er hebt zuerst das Verhältniß des neuen MännergesangS zu den¬
jenigen Versuchen hervor, die in der frühern Zeit eine ähnliche Richtung ver¬
folgten, auf die Meistersänger und auf das Volkslied. Er zeigt'ven
Gegensatz gegen die ersten (mit einer sehr interessanten Probe aus 0em
Jahre 1604) und die innige Verwandtschaft zum letzten. -- Der eigene.lebe
Anfang der neuen Richtung beginnt mit der berliner Singakademie, i791
von Fasch gegründet, in den Jahren 1800 -- 1832 von Zelter geleitet. Der
letztere gab ihr ihren eigentlichen Charakter. Bei seiner Begründung zählte das
Institut nur 20 Mitglieder, schon 1804 war es 200 Stimmen stark. Hand
in Hand mit dieser Anstalt ging die Gründung der Liedertafel für gesellige
Gesänge (1808), die gleichfalls durch Zelter angeregt wurde. Sie bestaid nur
aus Mitgliedern der Singakademie und durfte die Zahl 24 nicht Überteigen.
Hier eingeführt zu werden, war eine große Ehre, die nur hervorragenden
Männern der Wissenschaft und Kunst widerfuhr. Goethe dichtete für te seine
Lieder, auch andere schöpften Anregung und Bildung im bewährten Urtheil
der Freunde. Unter den Mitgliedern der Liedertafel war auch der v>. Flem-
ming (starb 1813), der Komponist von Jut.<zZM- vitas. Andere Städte folgten
dem Beispiel, Leipzig 181S. In Berlin wurde 1819 durch Ludwij Berger
und Bernhard Klein eine zweite Liedertafel gegründet, an der auch C. T. ,A.
Hoffmann Theil nahm. Gleichzeitig bildete sich unabhängig von diem nord-


gegengesetzten Fall die Gemeindelocale schließt? Die freien Gemeinden zu
schließen, ist sehr leicht, denn sie haben keine wirkliche widerstandsfähige Eristenz;
aber heilt man eine Krankheit, indem man das Symptom abschneidet? und die
freien Gemeinden sind in der That nicht die Quelle, sondern das Symptom
der dem Christenthum widerstrebenden Gesinnung. Kann man diese durch
geistige Mittel beseitigen, so wird vom Nechtöstandpunkt niemand dagegen etwas
einwenden können. Sobald man sich aber auf den äußerlichen Kampf einläßt,
setzt man sich einer Rückwirkung aus, deren Folgen doch schwer zu berechnen
sein dürften, um so schwerer, wenn in einem Staat zwei gesetzlich gleichberech¬
tigte Confessionen nebeneinander bestehen.




Der deutsche Mmmergesang.

Der volksthümliche deutsche Männergesang, seine Geschichte, seine ge¬
sellschaftliche und nationale Bedeutung von Dr. Otto Elben. - Tübingen,
Laupp. —

Der Verfasser der vorliegenden Schrift gehört den schwäbischen Gesang¬
vereinen an und hat seinen Gegenstand sowol durch eigne Anschauung,
als durch Studium der dahin einschlagenden Literatur gründlich kennen ge¬
lernt. Er hebt zuerst das Verhältniß des neuen MännergesangS zu den¬
jenigen Versuchen hervor, die in der frühern Zeit eine ähnliche Richtung ver¬
folgten, auf die Meistersänger und auf das Volkslied. Er zeigt'ven
Gegensatz gegen die ersten (mit einer sehr interessanten Probe aus 0em
Jahre 1604) und die innige Verwandtschaft zum letzten. — Der eigene.lebe
Anfang der neuen Richtung beginnt mit der berliner Singakademie, i791
von Fasch gegründet, in den Jahren 1800 — 1832 von Zelter geleitet. Der
letztere gab ihr ihren eigentlichen Charakter. Bei seiner Begründung zählte das
Institut nur 20 Mitglieder, schon 1804 war es 200 Stimmen stark. Hand
in Hand mit dieser Anstalt ging die Gründung der Liedertafel für gesellige
Gesänge (1808), die gleichfalls durch Zelter angeregt wurde. Sie bestaid nur
aus Mitgliedern der Singakademie und durfte die Zahl 24 nicht Überteigen.
Hier eingeführt zu werden, war eine große Ehre, die nur hervorragenden
Männern der Wissenschaft und Kunst widerfuhr. Goethe dichtete für te seine
Lieder, auch andere schöpften Anregung und Bildung im bewährten Urtheil
der Freunde. Unter den Mitgliedern der Liedertafel war auch der v>. Flem-
ming (starb 1813), der Komponist von Jut.<zZM- vitas. Andere Städte folgten
dem Beispiel, Leipzig 181S. In Berlin wurde 1819 durch Ludwij Berger
und Bernhard Klein eine zweite Liedertafel gegründet, an der auch C. T. ,A.
Hoffmann Theil nahm. Gleichzeitig bildete sich unabhängig von diem nord-


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[0516] gegengesetzten Fall die Gemeindelocale schließt? Die freien Gemeinden zu schließen, ist sehr leicht, denn sie haben keine wirkliche widerstandsfähige Eristenz; aber heilt man eine Krankheit, indem man das Symptom abschneidet? und die freien Gemeinden sind in der That nicht die Quelle, sondern das Symptom der dem Christenthum widerstrebenden Gesinnung. Kann man diese durch geistige Mittel beseitigen, so wird vom Nechtöstandpunkt niemand dagegen etwas einwenden können. Sobald man sich aber auf den äußerlichen Kampf einläßt, setzt man sich einer Rückwirkung aus, deren Folgen doch schwer zu berechnen sein dürften, um so schwerer, wenn in einem Staat zwei gesetzlich gleichberech¬ tigte Confessionen nebeneinander bestehen. Der deutsche Mmmergesang. Der volksthümliche deutsche Männergesang, seine Geschichte, seine ge¬ sellschaftliche und nationale Bedeutung von Dr. Otto Elben. - Tübingen, Laupp. — Der Verfasser der vorliegenden Schrift gehört den schwäbischen Gesang¬ vereinen an und hat seinen Gegenstand sowol durch eigne Anschauung, als durch Studium der dahin einschlagenden Literatur gründlich kennen ge¬ lernt. Er hebt zuerst das Verhältniß des neuen MännergesangS zu den¬ jenigen Versuchen hervor, die in der frühern Zeit eine ähnliche Richtung ver¬ folgten, auf die Meistersänger und auf das Volkslied. Er zeigt'ven Gegensatz gegen die ersten (mit einer sehr interessanten Probe aus 0em Jahre 1604) und die innige Verwandtschaft zum letzten. — Der eigene.lebe Anfang der neuen Richtung beginnt mit der berliner Singakademie, i791 von Fasch gegründet, in den Jahren 1800 — 1832 von Zelter geleitet. Der letztere gab ihr ihren eigentlichen Charakter. Bei seiner Begründung zählte das Institut nur 20 Mitglieder, schon 1804 war es 200 Stimmen stark. Hand in Hand mit dieser Anstalt ging die Gründung der Liedertafel für gesellige Gesänge (1808), die gleichfalls durch Zelter angeregt wurde. Sie bestaid nur aus Mitgliedern der Singakademie und durfte die Zahl 24 nicht Überteigen. Hier eingeführt zu werden, war eine große Ehre, die nur hervorragenden Männern der Wissenschaft und Kunst widerfuhr. Goethe dichtete für te seine Lieder, auch andere schöpften Anregung und Bildung im bewährten Urtheil der Freunde. Unter den Mitgliedern der Liedertafel war auch der v>. Flem- ming (starb 1813), der Komponist von Jut.<zZM- vitas. Andere Städte folgten dem Beispiel, Leipzig 181S. In Berlin wurde 1819 durch Ludwij Berger und Bernhard Klein eine zweite Liedertafel gegründet, an der auch C. T. ,A. Hoffmann Theil nahm. Gleichzeitig bildete sich unabhängig von diem nord-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/516>, abgerufen am 23.07.2024.