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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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führung der dänischen Sprache empfohlen war. Selbstverständlich konnten und
wollten die Rathsherren dieses Papier nicht unterschreiben, sie beriefen sich auf
das collegialische Recht der Abstimmung, aber vergebens, es kam zu harten
Worten und die Rathsherren suchten sofort alle ihre Entlassung. Bevor sie
aber entlassen wurden, erfolgte ihre Suspension am 2t. März und am 26.
traten zwei (statt vier) neue Rathsherren ein, Färber Diemer, der noch nicht
einmal Bürger und nicht im Deputirtencollegium gewesen war, überhaupt an
der städtischen Verwaltung keinen Antheil genommen hatte und Buchbinder
Jacobsen, bis dahin Deputirter, aber einer von denen, die oft in den Sitzungen
fehlten, beide Männer, von denen man keineswegs behaupten kann, daß sie
im besonderen Maße die Achtung und das Vertrauen ihrer Mitbürger genossen.
Der Magistrat war nun von den rennenden Schleswig-holsteinischen Kaufleuten
gesäubert und mit zwei Handwerkern besetzt, die Kiaer in seinen Maßregeln
nicht widersprachen. Daß man aber keine geeignetem Männer bekommen konnte,
und daß infolge dessen die zwei andern Stellen bis auf den heutigen Tag noch
unbesetzt sind, zeugt deutlich genug für die Gesinnung der Stadt.

Bald wurde auch das Deputirtencollegium gesäubert. Feddersen und Reh"
Hof, die beiden Kämmerer, waren nach der bestehenden Ordnung ausgeschieden
und T. A. Todsen und Wedersöe an ihre Stelle getreten. Beide wurden kurz nach¬
einander wieder entlassen, weil sie sich den Machlsprüchen und Danisirungs-
maßregeln Kiaers nicht fügen wollten, besonders in Betreff der Kirchen- und
Schulsprache.

Inzwischen war die dänische Sprache in den Elementarschulen eingeführt
und Kinder, die bisher nur deutsch gelernt hatten, mußten jetzt ihren Unter¬
richt ausschließlich auf dänisch empfangen. Viele Bürger zogen ihre Kinder
ganz aus den Schulen heraus und suchten durch Privatstunden den Unterricht
fortzusetzen. Gegen diese fand sich aber in der Schulordnung von 181t daS
stets wirksame Mittel des Schulzwangs, das, früher nur gegen pflichtvcrgessne
Eltern angewandt, jetzt grade auf solche Anwendung fand, deren eifrigstes Be¬
streben dahin ging, ihren Kindern guten Unterricht zu verschaffen. Die Eltern
wurden zu Rathhaus citirt und mit Strafen bedroht. Infolge dessen gaben
einige nach und schickten ihre Kinder in die Schule, andre nicht. -- Den
Winter hindurch hatte ein abgesetzter Prediger Grauer der Rectorclasse vor¬
gestanden, der höchsten Knabenclasse in Tondern. Der Rector Petersen gehörte
nämlich zu den'Flüchtlingen. Am 23. April wurde die Stelle durch Wahl des
Magistrats nach vorausgegangener Probe wieder besetzt. Drei dänische (Kan¬
didaten waren präsentirt. Kiaer mit seinen neuen Rathsherrn wählte, gegen
den Rath des mit votum oonLultativum zugezogenen Pröpste" Ahlmann, den
am wenigsten befähigten, Müller, und derselbe trat am 7. Mai ohne Intro-
duction seine noch völlig deutsche Schule an. Vielleicht bot der Gewählte dem


führung der dänischen Sprache empfohlen war. Selbstverständlich konnten und
wollten die Rathsherren dieses Papier nicht unterschreiben, sie beriefen sich auf
das collegialische Recht der Abstimmung, aber vergebens, es kam zu harten
Worten und die Rathsherren suchten sofort alle ihre Entlassung. Bevor sie
aber entlassen wurden, erfolgte ihre Suspension am 2t. März und am 26.
traten zwei (statt vier) neue Rathsherren ein, Färber Diemer, der noch nicht
einmal Bürger und nicht im Deputirtencollegium gewesen war, überhaupt an
der städtischen Verwaltung keinen Antheil genommen hatte und Buchbinder
Jacobsen, bis dahin Deputirter, aber einer von denen, die oft in den Sitzungen
fehlten, beide Männer, von denen man keineswegs behaupten kann, daß sie
im besonderen Maße die Achtung und das Vertrauen ihrer Mitbürger genossen.
Der Magistrat war nun von den rennenden Schleswig-holsteinischen Kaufleuten
gesäubert und mit zwei Handwerkern besetzt, die Kiaer in seinen Maßregeln
nicht widersprachen. Daß man aber keine geeignetem Männer bekommen konnte,
und daß infolge dessen die zwei andern Stellen bis auf den heutigen Tag noch
unbesetzt sind, zeugt deutlich genug für die Gesinnung der Stadt.

Bald wurde auch das Deputirtencollegium gesäubert. Feddersen und Reh»
Hof, die beiden Kämmerer, waren nach der bestehenden Ordnung ausgeschieden
und T. A. Todsen und Wedersöe an ihre Stelle getreten. Beide wurden kurz nach¬
einander wieder entlassen, weil sie sich den Machlsprüchen und Danisirungs-
maßregeln Kiaers nicht fügen wollten, besonders in Betreff der Kirchen- und
Schulsprache.

Inzwischen war die dänische Sprache in den Elementarschulen eingeführt
und Kinder, die bisher nur deutsch gelernt hatten, mußten jetzt ihren Unter¬
richt ausschließlich auf dänisch empfangen. Viele Bürger zogen ihre Kinder
ganz aus den Schulen heraus und suchten durch Privatstunden den Unterricht
fortzusetzen. Gegen diese fand sich aber in der Schulordnung von 181t daS
stets wirksame Mittel des Schulzwangs, das, früher nur gegen pflichtvcrgessne
Eltern angewandt, jetzt grade auf solche Anwendung fand, deren eifrigstes Be¬
streben dahin ging, ihren Kindern guten Unterricht zu verschaffen. Die Eltern
wurden zu Rathhaus citirt und mit Strafen bedroht. Infolge dessen gaben
einige nach und schickten ihre Kinder in die Schule, andre nicht. — Den
Winter hindurch hatte ein abgesetzter Prediger Grauer der Rectorclasse vor¬
gestanden, der höchsten Knabenclasse in Tondern. Der Rector Petersen gehörte
nämlich zu den'Flüchtlingen. Am 23. April wurde die Stelle durch Wahl des
Magistrats nach vorausgegangener Probe wieder besetzt. Drei dänische (Kan¬
didaten waren präsentirt. Kiaer mit seinen neuen Rathsherrn wählte, gegen
den Rath des mit votum oonLultativum zugezogenen Pröpste» Ahlmann, den
am wenigsten befähigten, Müller, und derselbe trat am 7. Mai ohne Intro-
duction seine noch völlig deutsche Schule an. Vielleicht bot der Gewählte dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/474>, abgerufen am 23.07.2024.