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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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Dänenthum die beste Garantie; wenigstens war dies insofern der Fall, als
derselbe der deutschen Sprache ganz ebensowenig mächtig war, als er über¬
haupt zum Unterrichten Befähigung besaß.

Der Propst entdeckte die Unkenntnis) und das Ungeschick deS neuen Schul¬
monarchen schon beim ersten Eramen. Mein Berichterstatter hörte, wie er dem
Amtmann dringende Vorstellungen machte, aber ängstlich um Schweigen ge¬
beten wurde. Der Amtmann fürchtet alle Aufregung, er liebt es, von den
Parteien in Frieden gelassen zu werden. Die Sache kam aber doch aus
Tageslicht. Denn^die Bürgerschaft sah der Verwüstung ihrer Schulen keines¬
wegs ruhig und unthätig zu. Man schickte erst zwei deputirte Bürger an
Tillisch in Flensburg, die um Abhilfe bitten sollten. Solche unbequeme Gäste
fertigte Tillisch stets mit Scheltworten ab, aber in diesem Falle mußte er
wenigstens die Wahrheit hören. Später sollten der erste Seminarlehrer Pro¬
fessor Bahnsen und der Maler Petersen nach Kopenhagen zum König. Sie
kamen aber nur nach Flensburg, wo sie mit Redensarten und Versprechungen
von der Weiterreise abgehalten wurden. Auch an den am 28. Juli -I8S-I
anwesenden General Krogh, einen Bruder deS frühern Amtmanns in Ton-
dern wandte man sich. Er versprach seine Verwendung bei dem Monarchen.
Eine Petition an den König wurde ihm nach Flensburg nachgeschickt und
übergeben. Es ist keine Antwort darauf erfolgt. -- Auch mündliche Vor¬
stellungen bei bei" am 3. September anwesenden Minister Bardenfleth waren
ohne Erfolg. Endlich aber wurde eine Bittschrift aufgesetzt und von den
meisten Bürgern und Einwohnern unterschrieben. In derselben wurde darauf
angetragen, die althergebrachte und gesetzlich bestehende deutsche Kirchen- und
Schulsprache wieder herzustellen oder wenigstens eine deutsche Schule zuzulassen,
und man berief sich zur Begründung darauf, daß nach der ausdrücklichen Be¬
stimmung in der Schulordnung von -18-Il in allen deutschen Schulen der Un¬
terricht ausschließlich in hochdeutscher Sprache ertheilt werden solle, daß aber
die Schulen Tondcrns von jeher deutsche Schulen seien, daß kein Gesetz
eristire, welches diesen gesetzlich bestehenden Zustand aufhebe oder abändere,
daß namentlich daS königliche Rescript von 18-10 kein solches Gesetz, vielmehr
lediglich ein vorbereitender Schritt zu einer gesetzlichen Aenderung sei, indem
durch dasselbe die Kanzlei nur aufgefordert worden, Berichte von den Behör¬
den einzuziehen und demnächst Vorschläge zu machen, zur Ausführung des
Wunsches Sr. Majestät (Friedrich Vl.) die dünische Kirchen- und Schulsprache
dort einzuführen, wo die dänische Sprache als Umgangssprache sich finde,
daß aber die- Behörden sich in ihren Berichten dagegen ausgesprochen hätten
Und die Sache daher nicht zur Ausführung gekommen sei, daß seitdem
kein Gesetz in dieser Richtung erschienen sei, namentlich der jetzige König
nach vorgängiger Berathung mit den Ständen kein solches Gesetz er-


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Dänenthum die beste Garantie; wenigstens war dies insofern der Fall, als
derselbe der deutschen Sprache ganz ebensowenig mächtig war, als er über¬
haupt zum Unterrichten Befähigung besaß.

Der Propst entdeckte die Unkenntnis) und das Ungeschick deS neuen Schul¬
monarchen schon beim ersten Eramen. Mein Berichterstatter hörte, wie er dem
Amtmann dringende Vorstellungen machte, aber ängstlich um Schweigen ge¬
beten wurde. Der Amtmann fürchtet alle Aufregung, er liebt es, von den
Parteien in Frieden gelassen zu werden. Die Sache kam aber doch aus
Tageslicht. Denn^die Bürgerschaft sah der Verwüstung ihrer Schulen keines¬
wegs ruhig und unthätig zu. Man schickte erst zwei deputirte Bürger an
Tillisch in Flensburg, die um Abhilfe bitten sollten. Solche unbequeme Gäste
fertigte Tillisch stets mit Scheltworten ab, aber in diesem Falle mußte er
wenigstens die Wahrheit hören. Später sollten der erste Seminarlehrer Pro¬
fessor Bahnsen und der Maler Petersen nach Kopenhagen zum König. Sie
kamen aber nur nach Flensburg, wo sie mit Redensarten und Versprechungen
von der Weiterreise abgehalten wurden. Auch an den am 28. Juli -I8S-I
anwesenden General Krogh, einen Bruder deS frühern Amtmanns in Ton-
dern wandte man sich. Er versprach seine Verwendung bei dem Monarchen.
Eine Petition an den König wurde ihm nach Flensburg nachgeschickt und
übergeben. Es ist keine Antwort darauf erfolgt. — Auch mündliche Vor¬
stellungen bei bei» am 3. September anwesenden Minister Bardenfleth waren
ohne Erfolg. Endlich aber wurde eine Bittschrift aufgesetzt und von den
meisten Bürgern und Einwohnern unterschrieben. In derselben wurde darauf
angetragen, die althergebrachte und gesetzlich bestehende deutsche Kirchen- und
Schulsprache wieder herzustellen oder wenigstens eine deutsche Schule zuzulassen,
und man berief sich zur Begründung darauf, daß nach der ausdrücklichen Be¬
stimmung in der Schulordnung von -18-Il in allen deutschen Schulen der Un¬
terricht ausschließlich in hochdeutscher Sprache ertheilt werden solle, daß aber
die Schulen Tondcrns von jeher deutsche Schulen seien, daß kein Gesetz
eristire, welches diesen gesetzlich bestehenden Zustand aufhebe oder abändere,
daß namentlich daS königliche Rescript von 18-10 kein solches Gesetz, vielmehr
lediglich ein vorbereitender Schritt zu einer gesetzlichen Aenderung sei, indem
durch dasselbe die Kanzlei nur aufgefordert worden, Berichte von den Behör¬
den einzuziehen und demnächst Vorschläge zu machen, zur Ausführung des
Wunsches Sr. Majestät (Friedrich Vl.) die dünische Kirchen- und Schulsprache
dort einzuführen, wo die dänische Sprache als Umgangssprache sich finde,
daß aber die- Behörden sich in ihren Berichten dagegen ausgesprochen hätten
Und die Sache daher nicht zur Ausführung gekommen sei, daß seitdem
kein Gesetz in dieser Richtung erschienen sei, namentlich der jetzige König
nach vorgängiger Berathung mit den Ständen kein solches Gesetz er-


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[0475] Dänenthum die beste Garantie; wenigstens war dies insofern der Fall, als derselbe der deutschen Sprache ganz ebensowenig mächtig war, als er über¬ haupt zum Unterrichten Befähigung besaß. Der Propst entdeckte die Unkenntnis) und das Ungeschick deS neuen Schul¬ monarchen schon beim ersten Eramen. Mein Berichterstatter hörte, wie er dem Amtmann dringende Vorstellungen machte, aber ängstlich um Schweigen ge¬ beten wurde. Der Amtmann fürchtet alle Aufregung, er liebt es, von den Parteien in Frieden gelassen zu werden. Die Sache kam aber doch aus Tageslicht. Denn^die Bürgerschaft sah der Verwüstung ihrer Schulen keines¬ wegs ruhig und unthätig zu. Man schickte erst zwei deputirte Bürger an Tillisch in Flensburg, die um Abhilfe bitten sollten. Solche unbequeme Gäste fertigte Tillisch stets mit Scheltworten ab, aber in diesem Falle mußte er wenigstens die Wahrheit hören. Später sollten der erste Seminarlehrer Pro¬ fessor Bahnsen und der Maler Petersen nach Kopenhagen zum König. Sie kamen aber nur nach Flensburg, wo sie mit Redensarten und Versprechungen von der Weiterreise abgehalten wurden. Auch an den am 28. Juli -I8S-I anwesenden General Krogh, einen Bruder deS frühern Amtmanns in Ton- dern wandte man sich. Er versprach seine Verwendung bei dem Monarchen. Eine Petition an den König wurde ihm nach Flensburg nachgeschickt und übergeben. Es ist keine Antwort darauf erfolgt. — Auch mündliche Vor¬ stellungen bei bei» am 3. September anwesenden Minister Bardenfleth waren ohne Erfolg. Endlich aber wurde eine Bittschrift aufgesetzt und von den meisten Bürgern und Einwohnern unterschrieben. In derselben wurde darauf angetragen, die althergebrachte und gesetzlich bestehende deutsche Kirchen- und Schulsprache wieder herzustellen oder wenigstens eine deutsche Schule zuzulassen, und man berief sich zur Begründung darauf, daß nach der ausdrücklichen Be¬ stimmung in der Schulordnung von -18-Il in allen deutschen Schulen der Un¬ terricht ausschließlich in hochdeutscher Sprache ertheilt werden solle, daß aber die Schulen Tondcrns von jeher deutsche Schulen seien, daß kein Gesetz eristire, welches diesen gesetzlich bestehenden Zustand aufhebe oder abändere, daß namentlich daS königliche Rescript von 18-10 kein solches Gesetz, vielmehr lediglich ein vorbereitender Schritt zu einer gesetzlichen Aenderung sei, indem durch dasselbe die Kanzlei nur aufgefordert worden, Berichte von den Behör¬ den einzuziehen und demnächst Vorschläge zu machen, zur Ausführung des Wunsches Sr. Majestät (Friedrich Vl.) die dünische Kirchen- und Schulsprache dort einzuführen, wo die dänische Sprache als Umgangssprache sich finde, daß aber die- Behörden sich in ihren Berichten dagegen ausgesprochen hätten Und die Sache daher nicht zur Ausführung gekommen sei, daß seitdem kein Gesetz in dieser Richtung erschienen sei, namentlich der jetzige König nach vorgängiger Berathung mit den Ständen kein solches Gesetz er- s9*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/475>, abgerufen am 23.07.2024.