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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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Der Amtmann, Graf Arthur Rvventlow, auf Sandberg in Sundewitt ge¬
boren, ist deutsch gebildet, hat in Berlin studirt und ist' ein geschäftstüchtiger
und mit guten Kenntnissen versehener Mann. Als Student von gut Schles-
wig-holsteinischer Gesinnung, war er später Auscultant im Schleswiger Ober¬
gericht, wo er ein Anhänger von Scheel wurde. 1848 ging er nach Däne¬
mark. 1830 wurde er Amtmann in Tondern. Seine deutsche Bildung und
sei" Maugel an rücksichtsloser Energie hallen ihn von extremen Schritten viel¬
fach zurück. Auch ist er zu verständig und mit den Verhältnissen und dem Volks¬
charakter zu gut bekannt, als daß er nicht einsehen sollte, wie die dänischen
Maßregeln auf die Dauer nur dahin führen, das Land von Dänemark völlig
abwendig zu machen. Aber er hat den Dänen sich hingegeben und muß auf
ihrem Wege vorwärts. Als Gesammtstaaller und weil er nicht bis zum Aeußersten
geht, ist er bei den Eiderdänen verhaßt und seine Stellung nicht beneivenswerth.
Wenn der Zwiespalt zwischen Deutschen und Dänen nicht wäre und er nicht im
Sinne der dänischen Politik wirken müßte, würde er ein guter Amtmann sein.
Ich Halle ihn, drückte sich derjenige meiner Berichterstatter, welcher am günstig¬
sten über den Grafen urtheilte, aus, für einen Mann, der nicht grade daS
Schlechte will, aber auch nicht den Muth besitzt, demselben entgegenzutreten.
Ich glaube kaum, daß er für seine Ueberzeugung ein Opfer zu bringen im
' Stande wäre.

Diese Männer nun hatten zu Anfang daS Regiment in Tondern. -- Am
8. Febr. 18S1 aber trat eine neue Figur auf die Bühne in der Person deS con-
stituirten Bürgermeisters und Stadtsecretärö Kiaer, der zugleich zum Hardesvogt
und Actuar der Tonder- und Hoher-Harden constituirt wurde, ein ganz junger
Mann, in Kopenhagen geboren, in Apenrade erzogen, der in Kopenhagen
studirt hatte und ohne genügende Kenntniß deS Rechts, der Verhältnisse und
des Volkscharakters, aber voll Eiser für die dänische Sache herüberkam, grade
der rechte Maun, um das rebellische Tondern zu geißeln. Jung, nicht ohne.
Talente, durchgreifend, rücksichtslos und grob, trat er gleich in seiner wahren
Gestalt auf und geriet!) auf diese Weise mit den Rathsherren und dem Deputirten-
collegium, in welchem damals noch lüchtige und einsichtsvolle Männer saßen,
sehr bald in Kollision. Er verlangte unbedingte Unterordnung ihrer Ansichten
unter die seinigen; sie aber meinten, in Kollegien gelte die Ansicht der Majo¬
rität. Nachdem verschiedene Zusammenstöße erfolgt waren, kam es zwischen
ihm und den Magistratsmitglicdern über die Kirchen- und Schulsprache zum
Bruch. Nachdem man bereits im Februar 1831 Gerüchte von Einführung
der dänischen Schulsprache gehört hatte, wurde der Magistrat von der Negie¬
rung zur Berichterstattung darüber aufgefordert, und Kiaer legte nun in der
Mitte des März ohne vorgängige Besprechung deu Rathsherren einen fertigen
Bericht in dänischer Sprache zur Unterschrist vor, worin natürlich die Ein-


Grcnzbeteu. I. 18no, 59

Der Amtmann, Graf Arthur Rvventlow, auf Sandberg in Sundewitt ge¬
boren, ist deutsch gebildet, hat in Berlin studirt und ist' ein geschäftstüchtiger
und mit guten Kenntnissen versehener Mann. Als Student von gut Schles-
wig-holsteinischer Gesinnung, war er später Auscultant im Schleswiger Ober¬
gericht, wo er ein Anhänger von Scheel wurde. 1848 ging er nach Däne¬
mark. 1830 wurde er Amtmann in Tondern. Seine deutsche Bildung und
sei» Maugel an rücksichtsloser Energie hallen ihn von extremen Schritten viel¬
fach zurück. Auch ist er zu verständig und mit den Verhältnissen und dem Volks¬
charakter zu gut bekannt, als daß er nicht einsehen sollte, wie die dänischen
Maßregeln auf die Dauer nur dahin führen, das Land von Dänemark völlig
abwendig zu machen. Aber er hat den Dänen sich hingegeben und muß auf
ihrem Wege vorwärts. Als Gesammtstaaller und weil er nicht bis zum Aeußersten
geht, ist er bei den Eiderdänen verhaßt und seine Stellung nicht beneivenswerth.
Wenn der Zwiespalt zwischen Deutschen und Dänen nicht wäre und er nicht im
Sinne der dänischen Politik wirken müßte, würde er ein guter Amtmann sein.
Ich Halle ihn, drückte sich derjenige meiner Berichterstatter, welcher am günstig¬
sten über den Grafen urtheilte, aus, für einen Mann, der nicht grade daS
Schlechte will, aber auch nicht den Muth besitzt, demselben entgegenzutreten.
Ich glaube kaum, daß er für seine Ueberzeugung ein Opfer zu bringen im
' Stande wäre.

Diese Männer nun hatten zu Anfang daS Regiment in Tondern. — Am
8. Febr. 18S1 aber trat eine neue Figur auf die Bühne in der Person deS con-
stituirten Bürgermeisters und Stadtsecretärö Kiaer, der zugleich zum Hardesvogt
und Actuar der Tonder- und Hoher-Harden constituirt wurde, ein ganz junger
Mann, in Kopenhagen geboren, in Apenrade erzogen, der in Kopenhagen
studirt hatte und ohne genügende Kenntniß deS Rechts, der Verhältnisse und
des Volkscharakters, aber voll Eiser für die dänische Sache herüberkam, grade
der rechte Maun, um das rebellische Tondern zu geißeln. Jung, nicht ohne.
Talente, durchgreifend, rücksichtslos und grob, trat er gleich in seiner wahren
Gestalt auf und geriet!) auf diese Weise mit den Rathsherren und dem Deputirten-
collegium, in welchem damals noch lüchtige und einsichtsvolle Männer saßen,
sehr bald in Kollision. Er verlangte unbedingte Unterordnung ihrer Ansichten
unter die seinigen; sie aber meinten, in Kollegien gelte die Ansicht der Majo¬
rität. Nachdem verschiedene Zusammenstöße erfolgt waren, kam es zwischen
ihm und den Magistratsmitglicdern über die Kirchen- und Schulsprache zum
Bruch. Nachdem man bereits im Februar 1831 Gerüchte von Einführung
der dänischen Schulsprache gehört hatte, wurde der Magistrat von der Negie¬
rung zur Berichterstattung darüber aufgefordert, und Kiaer legte nun in der
Mitte des März ohne vorgängige Besprechung deu Rathsherren einen fertigen
Bericht in dänischer Sprache zur Unterschrist vor, worin natürlich die Ein-


Grcnzbeteu. I. 18no, 59
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[0473] Der Amtmann, Graf Arthur Rvventlow, auf Sandberg in Sundewitt ge¬ boren, ist deutsch gebildet, hat in Berlin studirt und ist' ein geschäftstüchtiger und mit guten Kenntnissen versehener Mann. Als Student von gut Schles- wig-holsteinischer Gesinnung, war er später Auscultant im Schleswiger Ober¬ gericht, wo er ein Anhänger von Scheel wurde. 1848 ging er nach Däne¬ mark. 1830 wurde er Amtmann in Tondern. Seine deutsche Bildung und sei» Maugel an rücksichtsloser Energie hallen ihn von extremen Schritten viel¬ fach zurück. Auch ist er zu verständig und mit den Verhältnissen und dem Volks¬ charakter zu gut bekannt, als daß er nicht einsehen sollte, wie die dänischen Maßregeln auf die Dauer nur dahin führen, das Land von Dänemark völlig abwendig zu machen. Aber er hat den Dänen sich hingegeben und muß auf ihrem Wege vorwärts. Als Gesammtstaaller und weil er nicht bis zum Aeußersten geht, ist er bei den Eiderdänen verhaßt und seine Stellung nicht beneivenswerth. Wenn der Zwiespalt zwischen Deutschen und Dänen nicht wäre und er nicht im Sinne der dänischen Politik wirken müßte, würde er ein guter Amtmann sein. Ich Halle ihn, drückte sich derjenige meiner Berichterstatter, welcher am günstig¬ sten über den Grafen urtheilte, aus, für einen Mann, der nicht grade daS Schlechte will, aber auch nicht den Muth besitzt, demselben entgegenzutreten. Ich glaube kaum, daß er für seine Ueberzeugung ein Opfer zu bringen im ' Stande wäre. Diese Männer nun hatten zu Anfang daS Regiment in Tondern. — Am 8. Febr. 18S1 aber trat eine neue Figur auf die Bühne in der Person deS con- stituirten Bürgermeisters und Stadtsecretärö Kiaer, der zugleich zum Hardesvogt und Actuar der Tonder- und Hoher-Harden constituirt wurde, ein ganz junger Mann, in Kopenhagen geboren, in Apenrade erzogen, der in Kopenhagen studirt hatte und ohne genügende Kenntniß deS Rechts, der Verhältnisse und des Volkscharakters, aber voll Eiser für die dänische Sache herüberkam, grade der rechte Maun, um das rebellische Tondern zu geißeln. Jung, nicht ohne. Talente, durchgreifend, rücksichtslos und grob, trat er gleich in seiner wahren Gestalt auf und geriet!) auf diese Weise mit den Rathsherren und dem Deputirten- collegium, in welchem damals noch lüchtige und einsichtsvolle Männer saßen, sehr bald in Kollision. Er verlangte unbedingte Unterordnung ihrer Ansichten unter die seinigen; sie aber meinten, in Kollegien gelte die Ansicht der Majo¬ rität. Nachdem verschiedene Zusammenstöße erfolgt waren, kam es zwischen ihm und den Magistratsmitglicdern über die Kirchen- und Schulsprache zum Bruch. Nachdem man bereits im Februar 1831 Gerüchte von Einführung der dänischen Schulsprache gehört hatte, wurde der Magistrat von der Negie¬ rung zur Berichterstattung darüber aufgefordert, und Kiaer legte nun in der Mitte des März ohne vorgängige Besprechung deu Rathsherren einen fertigen Bericht in dänischer Sprache zur Unterschrist vor, worin natürlich die Ein- Grcnzbeteu. I. 18no, 59

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/473>, abgerufen am 23.07.2024.