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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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Pompeji und Herculmmm.
i.

Fast hundert und fünfzig Jahre sind seit der Entdeckung Herculanums
(171-1) und über hundert seit der Entdeckung Pompejis (1748) verflossen: und
in dieser Zeit ist die Literatur über die verschütteten Städte wie billig zu einer
ganzen Bibliothek angewachsen, in der alle Formate vom größten Folio bis
zum niedlichsten Sedez vertreten sind. Die italienischen Gelehrten haben wie
natürlich zuerst die Welt über die wunderbaren Aufgrabungen belehrt, und
zwar wie es die Sitte der damaligen Zeit forverte, in mächtigen Folianten.
Im Jahre 17ii wurde Monsignor Brigardi von Rom eigens zur Erklärung
der herculanischkn Alterthümer nach Neapel berufen, und in den nächsten acht
Jahren veröffentlichte er eine --Einleitung zu denselben (l^rociromo (Zelle au-
Ucliitä "Zi Lreolcmo) in fünf'Bänden. Am Ende des zweiten Bandes war
der Autor (nach 1100 Druckseiten) noch nicht bis zu dem Jahre gediehen,
wo Hercules den Theseus .aus dem Gefängnisse Plutos zu befreien unter¬
nahm ; denn die Schicksale des Hercules, als des Gründers von Hercu-
lanum, sah er als einen unerläßlichen Theil seiner Arbeit an. In allen
fünf Bänden war noch nicht eine einzige Abbildung von herculanischen
Alterthümern enthalten. Rüstiger ging die 17SS gestiftete herculanische Aka¬
demie zu Werke, deren acht Kupferbände in Folio (17-^7 -- 92) noch immer
eine unentbehrliche Grundlage der betreffenden Studien bilden, um so mehr,
als von den darin abgebildeten Gemälden, Bronzen und Geräthen so vieles für
immer verloren gegangen ist. Nach der auch jetzt noch überall, wo es möglich
ist, festgehaltenen italienischen Sitte wollte man aus der Entdeckung ein Mono¬
pol für einheimische Gelehrsamkeit machen, und legte Fremden bei Besichtigung
derselben alle mögliche Hindernisse in den Weg; indessen auf die Länge ward
es unmöglich, dies erbärmliche System durchzuführen. Seit dem Ende des
achtzehnten Jahrhunderts begann der Strom von gelehrten und ungelehrten
Reisenden seine Richtung immer mehr nach Italien zu nehmen; während der
französischen Herrschaft waren die Engländer freilich von Neapel ausgeschlossen,
aber sie holten bald reichlich nach was sie versäumt hatten, und die deutschen,
französischen und englischen Publicationen haben die einheimischen längst in den


Grenzboten. I. -I8ö"). i>6
Pompeji und Herculmmm.
i.

Fast hundert und fünfzig Jahre sind seit der Entdeckung Herculanums
(171-1) und über hundert seit der Entdeckung Pompejis (1748) verflossen: und
in dieser Zeit ist die Literatur über die verschütteten Städte wie billig zu einer
ganzen Bibliothek angewachsen, in der alle Formate vom größten Folio bis
zum niedlichsten Sedez vertreten sind. Die italienischen Gelehrten haben wie
natürlich zuerst die Welt über die wunderbaren Aufgrabungen belehrt, und
zwar wie es die Sitte der damaligen Zeit forverte, in mächtigen Folianten.
Im Jahre 17ii wurde Monsignor Brigardi von Rom eigens zur Erklärung
der herculanischkn Alterthümer nach Neapel berufen, und in den nächsten acht
Jahren veröffentlichte er eine —Einleitung zu denselben (l^rociromo (Zelle au-
Ucliitä «Zi Lreolcmo) in fünf'Bänden. Am Ende des zweiten Bandes war
der Autor (nach 1100 Druckseiten) noch nicht bis zu dem Jahre gediehen,
wo Hercules den Theseus .aus dem Gefängnisse Plutos zu befreien unter¬
nahm ; denn die Schicksale des Hercules, als des Gründers von Hercu-
lanum, sah er als einen unerläßlichen Theil seiner Arbeit an. In allen
fünf Bänden war noch nicht eine einzige Abbildung von herculanischen
Alterthümern enthalten. Rüstiger ging die 17SS gestiftete herculanische Aka¬
demie zu Werke, deren acht Kupferbände in Folio (17-^7 — 92) noch immer
eine unentbehrliche Grundlage der betreffenden Studien bilden, um so mehr,
als von den darin abgebildeten Gemälden, Bronzen und Geräthen so vieles für
immer verloren gegangen ist. Nach der auch jetzt noch überall, wo es möglich
ist, festgehaltenen italienischen Sitte wollte man aus der Entdeckung ein Mono¬
pol für einheimische Gelehrsamkeit machen, und legte Fremden bei Besichtigung
derselben alle mögliche Hindernisse in den Weg; indessen auf die Länge ward
es unmöglich, dies erbärmliche System durchzuführen. Seit dem Ende des
achtzehnten Jahrhunderts begann der Strom von gelehrten und ungelehrten
Reisenden seine Richtung immer mehr nach Italien zu nehmen; während der
französischen Herrschaft waren die Engländer freilich von Neapel ausgeschlossen,
aber sie holten bald reichlich nach was sie versäumt hatten, und die deutschen,
französischen und englischen Publicationen haben die einheimischen längst in den


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[0449] Pompeji und Herculmmm. i. Fast hundert und fünfzig Jahre sind seit der Entdeckung Herculanums (171-1) und über hundert seit der Entdeckung Pompejis (1748) verflossen: und in dieser Zeit ist die Literatur über die verschütteten Städte wie billig zu einer ganzen Bibliothek angewachsen, in der alle Formate vom größten Folio bis zum niedlichsten Sedez vertreten sind. Die italienischen Gelehrten haben wie natürlich zuerst die Welt über die wunderbaren Aufgrabungen belehrt, und zwar wie es die Sitte der damaligen Zeit forverte, in mächtigen Folianten. Im Jahre 17ii wurde Monsignor Brigardi von Rom eigens zur Erklärung der herculanischkn Alterthümer nach Neapel berufen, und in den nächsten acht Jahren veröffentlichte er eine —Einleitung zu denselben (l^rociromo (Zelle au- Ucliitä «Zi Lreolcmo) in fünf'Bänden. Am Ende des zweiten Bandes war der Autor (nach 1100 Druckseiten) noch nicht bis zu dem Jahre gediehen, wo Hercules den Theseus .aus dem Gefängnisse Plutos zu befreien unter¬ nahm ; denn die Schicksale des Hercules, als des Gründers von Hercu- lanum, sah er als einen unerläßlichen Theil seiner Arbeit an. In allen fünf Bänden war noch nicht eine einzige Abbildung von herculanischen Alterthümern enthalten. Rüstiger ging die 17SS gestiftete herculanische Aka¬ demie zu Werke, deren acht Kupferbände in Folio (17-^7 — 92) noch immer eine unentbehrliche Grundlage der betreffenden Studien bilden, um so mehr, als von den darin abgebildeten Gemälden, Bronzen und Geräthen so vieles für immer verloren gegangen ist. Nach der auch jetzt noch überall, wo es möglich ist, festgehaltenen italienischen Sitte wollte man aus der Entdeckung ein Mono¬ pol für einheimische Gelehrsamkeit machen, und legte Fremden bei Besichtigung derselben alle mögliche Hindernisse in den Weg; indessen auf die Länge ward es unmöglich, dies erbärmliche System durchzuführen. Seit dem Ende des achtzehnten Jahrhunderts begann der Strom von gelehrten und ungelehrten Reisenden seine Richtung immer mehr nach Italien zu nehmen; während der französischen Herrschaft waren die Engländer freilich von Neapel ausgeschlossen, aber sie holten bald reichlich nach was sie versäumt hatten, und die deutschen, französischen und englischen Publicationen haben die einheimischen längst in den Grenzboten. I. -I8ö«). i>6

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/449>, abgerufen am 25.08.2024.