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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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indeß -- fährt er fort -- dagegen einige Einwendungen machen. Die Ent¬
fernung Jupiters von der Sonne ist so groß, daß die Wärme und das Licht,
welches er von letzterer empfängt, nicht hinreichen, dasselbe vegetabilische und
animalische Leben zu erhalten, welches auf Erden eristirt. Die Kälte müßte,
wenn eS wahr wäre, daß die Wärme auf den Planeten allein von den Ein¬
wirkungen der Sonnenstrahlen herrührt, auf dem Jupiter so groß sein, daß
Wasser nur als Eis eristiren kann. Allein die Temperatur beruht auch auf
andern Ursachen, auf dem Zustande der Atmosphäre und auf der innern Hitze
seiner Masse. Die Temperatur unsrer Erde nimmt ab, je mehr wir uns in die
Atmosphäre erheben und uns der Sonne nähern, sie nimmt zu, je tiefer wir
in die Erde hinabsteigen und uns von der Sonne entfernen. Im ersten dieser
Fälle wird die Vermehrung der Wärme beim Herabsteigen aus der Höhe durch
die Atmosphäre hervorgebracht und quf dem Jupiter kann (man sieht, der Ver¬
fasser widerlegt Gründe zu Gunsten.einer vorgefaßten Meinung mit Ver¬
muthungen, Gewißheiten mit Möglichkeiten) die Atmosphäre so eingerichtet sein,
daß sie bis zu einem gewissen Grade die aus der großen Entfernung des Pla¬
neten hervorgehende Verminderung der directen Erwärmung durch die Sonne
ausgleicht. Im letztern Falle aber kann die innere Hitze des Jupiters so groß
sein, daß sie seine Flüsse und Meere in flüssigem Zustande erhält. Wirst man
ein, daß diese Einrichtung nicht dazu beitragen könne, das schwache Licht,
welches Jupiter von der Sonne empfängt, zu verstärken, so ist der Verfasser so¬
fort mit einer andern Hypothese bei der Hand. Dann wird die Pupille der
Jupitcrbewohner größer und die Retina ihres Auges reizbarer als bei uns
sein, nicht zu gedenken des brillanten phosphorescirenden Lichts, welches
die Sonnenstrahlen den Jupitermonden -- vielleicht -- entlocken mögen.

Einen andern Einwurf fertigt das Buch ebenso kurz ab. Eine Nacht von
fünf Stunden scheint nicht auszureichen zur Erholung von den Arbeiten des
Tages. Brewster sagt kurz und bündig, daß sie ausreiche. Eine dritte Schwie¬
rigkeit ist die Vermehrung der Schwerkraft auf einem so gigantischen Planeten
wie Jupiter. Die Stämme der Bäume, die Materialien von Bauwerken, der
menschliche Körper selbst würden, so scheint eS, durch ihr eignes ungeheures
Gewicht erdrückt werden. Brewster zeigt durch eine Berechnung, daß dem nicht
so ist. Er sagt: Die Masse des Jupiter ist1 300mal größer als die der Erde, so
daß, wenn beide Planeten aus derselben Materie beständen, ein ISO Pfund
schwerer Erdbewohner in einer Entfernung vom Mittelpunkt des Jupiter, die
dem Radius der Erde gleich wäre, ISOmal 1300 oder 19ü,000 Pfund wiegen
würde. Da aber der Radius des Jupiter elfmal größer, als der unsers Pla¬
neten ist, so wird das Gewicht von Körpern auf seiner Oberfläche sich im Ver¬
hältniß des. Quadrats seines Radius vermindern d. h. im Verhältniß von 11
mal oder 121 zu 1. Ein Mensch von 1ö0 Pfund Schwere würde deshalb,


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indeß — fährt er fort — dagegen einige Einwendungen machen. Die Ent¬
fernung Jupiters von der Sonne ist so groß, daß die Wärme und das Licht,
welches er von letzterer empfängt, nicht hinreichen, dasselbe vegetabilische und
animalische Leben zu erhalten, welches auf Erden eristirt. Die Kälte müßte,
wenn eS wahr wäre, daß die Wärme auf den Planeten allein von den Ein¬
wirkungen der Sonnenstrahlen herrührt, auf dem Jupiter so groß sein, daß
Wasser nur als Eis eristiren kann. Allein die Temperatur beruht auch auf
andern Ursachen, auf dem Zustande der Atmosphäre und auf der innern Hitze
seiner Masse. Die Temperatur unsrer Erde nimmt ab, je mehr wir uns in die
Atmosphäre erheben und uns der Sonne nähern, sie nimmt zu, je tiefer wir
in die Erde hinabsteigen und uns von der Sonne entfernen. Im ersten dieser
Fälle wird die Vermehrung der Wärme beim Herabsteigen aus der Höhe durch
die Atmosphäre hervorgebracht und quf dem Jupiter kann (man sieht, der Ver¬
fasser widerlegt Gründe zu Gunsten.einer vorgefaßten Meinung mit Ver¬
muthungen, Gewißheiten mit Möglichkeiten) die Atmosphäre so eingerichtet sein,
daß sie bis zu einem gewissen Grade die aus der großen Entfernung des Pla¬
neten hervorgehende Verminderung der directen Erwärmung durch die Sonne
ausgleicht. Im letztern Falle aber kann die innere Hitze des Jupiters so groß
sein, daß sie seine Flüsse und Meere in flüssigem Zustande erhält. Wirst man
ein, daß diese Einrichtung nicht dazu beitragen könne, das schwache Licht,
welches Jupiter von der Sonne empfängt, zu verstärken, so ist der Verfasser so¬
fort mit einer andern Hypothese bei der Hand. Dann wird die Pupille der
Jupitcrbewohner größer und die Retina ihres Auges reizbarer als bei uns
sein, nicht zu gedenken des brillanten phosphorescirenden Lichts, welches
die Sonnenstrahlen den Jupitermonden — vielleicht — entlocken mögen.

Einen andern Einwurf fertigt das Buch ebenso kurz ab. Eine Nacht von
fünf Stunden scheint nicht auszureichen zur Erholung von den Arbeiten des
Tages. Brewster sagt kurz und bündig, daß sie ausreiche. Eine dritte Schwie¬
rigkeit ist die Vermehrung der Schwerkraft auf einem so gigantischen Planeten
wie Jupiter. Die Stämme der Bäume, die Materialien von Bauwerken, der
menschliche Körper selbst würden, so scheint eS, durch ihr eignes ungeheures
Gewicht erdrückt werden. Brewster zeigt durch eine Berechnung, daß dem nicht
so ist. Er sagt: Die Masse des Jupiter ist1 300mal größer als die der Erde, so
daß, wenn beide Planeten aus derselben Materie beständen, ein ISO Pfund
schwerer Erdbewohner in einer Entfernung vom Mittelpunkt des Jupiter, die
dem Radius der Erde gleich wäre, ISOmal 1300 oder 19ü,000 Pfund wiegen
würde. Da aber der Radius des Jupiter elfmal größer, als der unsers Pla¬
neten ist, so wird das Gewicht von Körpern auf seiner Oberfläche sich im Ver¬
hältniß des. Quadrats seines Radius vermindern d. h. im Verhältniß von 11
mal oder 121 zu 1. Ein Mensch von 1ö0 Pfund Schwere würde deshalb,


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[0315] indeß — fährt er fort — dagegen einige Einwendungen machen. Die Ent¬ fernung Jupiters von der Sonne ist so groß, daß die Wärme und das Licht, welches er von letzterer empfängt, nicht hinreichen, dasselbe vegetabilische und animalische Leben zu erhalten, welches auf Erden eristirt. Die Kälte müßte, wenn eS wahr wäre, daß die Wärme auf den Planeten allein von den Ein¬ wirkungen der Sonnenstrahlen herrührt, auf dem Jupiter so groß sein, daß Wasser nur als Eis eristiren kann. Allein die Temperatur beruht auch auf andern Ursachen, auf dem Zustande der Atmosphäre und auf der innern Hitze seiner Masse. Die Temperatur unsrer Erde nimmt ab, je mehr wir uns in die Atmosphäre erheben und uns der Sonne nähern, sie nimmt zu, je tiefer wir in die Erde hinabsteigen und uns von der Sonne entfernen. Im ersten dieser Fälle wird die Vermehrung der Wärme beim Herabsteigen aus der Höhe durch die Atmosphäre hervorgebracht und quf dem Jupiter kann (man sieht, der Ver¬ fasser widerlegt Gründe zu Gunsten.einer vorgefaßten Meinung mit Ver¬ muthungen, Gewißheiten mit Möglichkeiten) die Atmosphäre so eingerichtet sein, daß sie bis zu einem gewissen Grade die aus der großen Entfernung des Pla¬ neten hervorgehende Verminderung der directen Erwärmung durch die Sonne ausgleicht. Im letztern Falle aber kann die innere Hitze des Jupiters so groß sein, daß sie seine Flüsse und Meere in flüssigem Zustande erhält. Wirst man ein, daß diese Einrichtung nicht dazu beitragen könne, das schwache Licht, welches Jupiter von der Sonne empfängt, zu verstärken, so ist der Verfasser so¬ fort mit einer andern Hypothese bei der Hand. Dann wird die Pupille der Jupitcrbewohner größer und die Retina ihres Auges reizbarer als bei uns sein, nicht zu gedenken des brillanten phosphorescirenden Lichts, welches die Sonnenstrahlen den Jupitermonden — vielleicht — entlocken mögen. Einen andern Einwurf fertigt das Buch ebenso kurz ab. Eine Nacht von fünf Stunden scheint nicht auszureichen zur Erholung von den Arbeiten des Tages. Brewster sagt kurz und bündig, daß sie ausreiche. Eine dritte Schwie¬ rigkeit ist die Vermehrung der Schwerkraft auf einem so gigantischen Planeten wie Jupiter. Die Stämme der Bäume, die Materialien von Bauwerken, der menschliche Körper selbst würden, so scheint eS, durch ihr eignes ungeheures Gewicht erdrückt werden. Brewster zeigt durch eine Berechnung, daß dem nicht so ist. Er sagt: Die Masse des Jupiter ist1 300mal größer als die der Erde, so daß, wenn beide Planeten aus derselben Materie beständen, ein ISO Pfund schwerer Erdbewohner in einer Entfernung vom Mittelpunkt des Jupiter, die dem Radius der Erde gleich wäre, ISOmal 1300 oder 19ü,000 Pfund wiegen würde. Da aber der Radius des Jupiter elfmal größer, als der unsers Pla¬ neten ist, so wird das Gewicht von Körpern auf seiner Oberfläche sich im Ver¬ hältniß des. Quadrats seines Radius vermindern d. h. im Verhältniß von 11 mal oder 121 zu 1. Ein Mensch von 1ö0 Pfund Schwere würde deshalb, 39*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/315>, abgerufen am 23.07.2024.