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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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clave, Medici und Madrucci, anempfohlen hatte. Gegen diese Wahl vereinigten
sich Farnese, Este, Sforza und bald auch andre. Die ersteren für ihn aus dem
Grunde, weil sie in dem vorangegangenen Conclave Ercludenten des Sirlcto
gewesen waren, und es eine Conclavemarime ist, in einem solchen Falle ein Jn-
cludcnt zu werden; die letztern gegen ihn veranlaßt durch die Ueberzeugung, daß
Sirleto -- wenngleich ein Mann von Herzensgüte und Gelehrsamkeit -- den Re-
gierungsgeschäften unter den damaligen schwierigen Umständen nicht gewachsen
wäre. Dann war er auch durch Neigung und Interessen eng verbunden mit
dem Cardinal Como, der neunzehn Jahre lang -- unter Pius IV. und Gre¬
gor XIII. -- als Staatssecretär die Leitung der Geschäfte in Händen gehabt
und allen Cardinälen Anlaß zu Mißvergnügen gegeben hatte. Seine Stel¬
lung wäre die frühere geworden, wenn Sirleto Papst geworden wäre.

Altemps hatte die Unterhandlungen für Sirleto mit einiger Ueberstürzung
geführt, so daß seine eignen Freunde ihn in dem Verdacht hatten, es sei seine
Absicht nur gewesen, dem Sirleto seinen guten Willen zu zeigen, seine wirk¬
lichen Bemühungen aber für den Cardinal Ferrerio, seinen Verwandten und
intimen Freund aufzusparen, für den ihm auch Este und Farnese ihre Unter¬
stützung zugesagt hatten. Zu derselben Zeit war von San Sisto eine Praktik
für den^Cardinal Castagna eingeleitet worden. Dieser, wenngleich durch Ge¬
burt und Eigenschaften hochstehend in der öffentlichen Meinung, erlangte als
junger, erst seit kurzem ins Kollegium getretener Cardinal nicht die Zustimmung
der ältern. Erst im folgenden Conclave fiel die Wahl auf ihn. Eine von
Medici ziemlich matt geführte Unterhandlung für Savello führte ebenfalls zu
keinem Resultate. Colonna und CesiS, offene Gegner des Savello, erklärten
dem Medici, daß sie sich von ihm lossagen würden, wenn er auf seiner Absicht
bestände.

Unterdessen hatte Farnese mit aller ihm eignen Energie und Conclave-
praris zu Gunsten des Cardinal Torres eine Operation eingeleitet, deren glück¬
licher Ausgang seine eignen Interessen mächtig gefördert haben würde. Este
und San Sisto hatten dem Farnese ihren Beistand sür ihn zugesagt. Torres
war jedoch nicht in Rom, ein Umstand, der es allein verschuldete, daß von
ihm nicht gleich anfangs die Rede gewesen war. Da er von Tage zu Tage
erwartet wurde, so beschlossen seine drei Jncludenten, bis zu seiner Ankunft
alles aufzubieten, um das Conclave hinzuziehn und die Zwischenzeit zur Wer¬
bung neuer Parteien zu benutzen. Glückte die Verzögerung, so bot der Ein¬
tritt des Candidaten eine außerordentlich günstige Gelegenheit, durch einen
schnellen und unerwarteten Schlag die Entscheidung für ihn herbeizuführen.
Bei der Ankunft eines Nachzüglers versammeln sich nämlich sämmtliche Car¬
dinäle zu seiner Begrüßung; die in das Geheimniß Eingeweihten hätten im
Augenblick des Eintritts daS "Evviva" gerufen und durch ihre Zahl und ihren


clave, Medici und Madrucci, anempfohlen hatte. Gegen diese Wahl vereinigten
sich Farnese, Este, Sforza und bald auch andre. Die ersteren für ihn aus dem
Grunde, weil sie in dem vorangegangenen Conclave Ercludenten des Sirlcto
gewesen waren, und es eine Conclavemarime ist, in einem solchen Falle ein Jn-
cludcnt zu werden; die letztern gegen ihn veranlaßt durch die Ueberzeugung, daß
Sirleto — wenngleich ein Mann von Herzensgüte und Gelehrsamkeit — den Re-
gierungsgeschäften unter den damaligen schwierigen Umständen nicht gewachsen
wäre. Dann war er auch durch Neigung und Interessen eng verbunden mit
dem Cardinal Como, der neunzehn Jahre lang — unter Pius IV. und Gre¬
gor XIII. — als Staatssecretär die Leitung der Geschäfte in Händen gehabt
und allen Cardinälen Anlaß zu Mißvergnügen gegeben hatte. Seine Stel¬
lung wäre die frühere geworden, wenn Sirleto Papst geworden wäre.

Altemps hatte die Unterhandlungen für Sirleto mit einiger Ueberstürzung
geführt, so daß seine eignen Freunde ihn in dem Verdacht hatten, es sei seine
Absicht nur gewesen, dem Sirleto seinen guten Willen zu zeigen, seine wirk¬
lichen Bemühungen aber für den Cardinal Ferrerio, seinen Verwandten und
intimen Freund aufzusparen, für den ihm auch Este und Farnese ihre Unter¬
stützung zugesagt hatten. Zu derselben Zeit war von San Sisto eine Praktik
für den^Cardinal Castagna eingeleitet worden. Dieser, wenngleich durch Ge¬
burt und Eigenschaften hochstehend in der öffentlichen Meinung, erlangte als
junger, erst seit kurzem ins Kollegium getretener Cardinal nicht die Zustimmung
der ältern. Erst im folgenden Conclave fiel die Wahl auf ihn. Eine von
Medici ziemlich matt geführte Unterhandlung für Savello führte ebenfalls zu
keinem Resultate. Colonna und CesiS, offene Gegner des Savello, erklärten
dem Medici, daß sie sich von ihm lossagen würden, wenn er auf seiner Absicht
bestände.

Unterdessen hatte Farnese mit aller ihm eignen Energie und Conclave-
praris zu Gunsten des Cardinal Torres eine Operation eingeleitet, deren glück¬
licher Ausgang seine eignen Interessen mächtig gefördert haben würde. Este
und San Sisto hatten dem Farnese ihren Beistand sür ihn zugesagt. Torres
war jedoch nicht in Rom, ein Umstand, der es allein verschuldete, daß von
ihm nicht gleich anfangs die Rede gewesen war. Da er von Tage zu Tage
erwartet wurde, so beschlossen seine drei Jncludenten, bis zu seiner Ankunft
alles aufzubieten, um das Conclave hinzuziehn und die Zwischenzeit zur Wer¬
bung neuer Parteien zu benutzen. Glückte die Verzögerung, so bot der Ein¬
tritt des Candidaten eine außerordentlich günstige Gelegenheit, durch einen
schnellen und unerwarteten Schlag die Entscheidung für ihn herbeizuführen.
Bei der Ankunft eines Nachzüglers versammeln sich nämlich sämmtliche Car¬
dinäle zu seiner Begrüßung; die in das Geheimniß Eingeweihten hätten im
Augenblick des Eintritts daS „Evviva" gerufen und durch ihre Zahl und ihren


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/300>, abgerufen am 23.07.2024.