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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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die Verhandlungen mehrer Factionen schon so weit gediehen sind, daß die
Majorität für ihn hinlänglich gesichert erscheint. Nach einer einfachen Ver¬
beugung vor dem Gewählten begibt sich jeder wieder an seinen Platz zurück;
hat die Zahl der Zustimmenden zwei Drittel der Stimmen erreicht od.er über¬
schritten, so ist die Wahl erfolgt, andernfalls muß eine neue angeordnet werden.
Die dritte Art der Wahl heißt die Adoration: beim Eintritt des Candidaten rufen
seine Anhänger: lZvviva it stürzen auf ihn zu und fallen vor ihm aufs
Knie. Es ist dies eine etwas stürmische Art, darauf berechnet, die Zweifel¬
haften zu überraschen und fortzureißen; mehre Päpste haben deshalb angeordnet,
daß die Adoration jedenfalls durch ein regelmäßiges Scrutinium zu bethäti¬
gen sei.

Die ersten Scrutinien sind selten mehr als ein Versuchen und Tasten,
Plänkeleien zu dem Zwecke, sich eine Uebersicht über den Kampfplatz, Kennt¬
niß von den Vortheilen und Hindernissen desselben und von der Stärke und
Schwäche der Parteien zu verschaffen. Nur ausnahmsweise geschieht es, daß
eine sehr starke Faction durch Überraschung gleich am ersten Tage eine Wahl
zu Stande bringt, denn die ältern, in die Conclaveintriguen eingeweihten Car¬
dinäle sind auf ihrer Hut und vereiteln in der Regel derartige Versuche. So
geschah es auch hier. Altcmps, Medici und Alessandrino hatten sich dahin
vereinigt, sogleich nach dem Eintritt" ins Conclave die Wahl des Donato Cesiö
zu versuchen und ihr dahinziclendes Manöver war in folgender Art entworfen:
Mit der Nöthigung, bis zur erfolgten Wahl im Conclave zu verharren, wird
eS am ersten Tage nicht so genau genommen und es steht den Cardinälen frei,
den Vatican noch einmal zu verlassen und bis zum Sonnenuntergang aus¬
zubleiben; sobald nun die Ercludenten des Cesis sich entfernt haben würden,
wollten die drei genannten Häupter mit ihrem Anhange sich in der Kapelle
versammeln, die Adoration des Cesis ausführen und durch ein schnell vorgenom¬
menes Scrutinium die Wahl durchsetzen. Dieser Anschlag konnte jedoch nicht
so geheim gehalten werden, daß San Sisto, der Hauptercludent des Cesis nicht
Nachricht davon erhielt. Sein Dableiben vereitelte die Ausführung des Plans.
Auch in der Folge wagten es die Jncludenten nicht, ihren Candidaten wieder
aufs Tapet zu setzen, da sich eine Menge Cardinäle als seine Gegner gezeigt
hatten, die vorher für seine Begünstiger galten.

Am folgenden Tage fand ein zweites Scrutinium statt, welches für den
Cardinal Albano die meisten Stimmen, dreizehn, ergab. Auch diesem Scruti¬
nium merkte man an, daß es noch nicht ernstlich gemeint war; wogegen sich
am Nachmittage desselben Tages die meisten Häupter zu einer ernstlich gemein¬
ten Praktik anschickten. Altemps, im Verein mit Medici und sämmtlichen
Kreaturen Pius IV. (Gregors XUI. Vorgänger) agitirte stark sür Guiglielmo
Sirleto, eine der vier Cardinäle, die Philipp le. seinen Vertrauten im Cor-


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die Verhandlungen mehrer Factionen schon so weit gediehen sind, daß die
Majorität für ihn hinlänglich gesichert erscheint. Nach einer einfachen Ver¬
beugung vor dem Gewählten begibt sich jeder wieder an seinen Platz zurück;
hat die Zahl der Zustimmenden zwei Drittel der Stimmen erreicht od.er über¬
schritten, so ist die Wahl erfolgt, andernfalls muß eine neue angeordnet werden.
Die dritte Art der Wahl heißt die Adoration: beim Eintritt des Candidaten rufen
seine Anhänger: lZvviva it stürzen auf ihn zu und fallen vor ihm aufs
Knie. Es ist dies eine etwas stürmische Art, darauf berechnet, die Zweifel¬
haften zu überraschen und fortzureißen; mehre Päpste haben deshalb angeordnet,
daß die Adoration jedenfalls durch ein regelmäßiges Scrutinium zu bethäti¬
gen sei.

Die ersten Scrutinien sind selten mehr als ein Versuchen und Tasten,
Plänkeleien zu dem Zwecke, sich eine Uebersicht über den Kampfplatz, Kennt¬
niß von den Vortheilen und Hindernissen desselben und von der Stärke und
Schwäche der Parteien zu verschaffen. Nur ausnahmsweise geschieht es, daß
eine sehr starke Faction durch Überraschung gleich am ersten Tage eine Wahl
zu Stande bringt, denn die ältern, in die Conclaveintriguen eingeweihten Car¬
dinäle sind auf ihrer Hut und vereiteln in der Regel derartige Versuche. So
geschah es auch hier. Altcmps, Medici und Alessandrino hatten sich dahin
vereinigt, sogleich nach dem Eintritt« ins Conclave die Wahl des Donato Cesiö
zu versuchen und ihr dahinziclendes Manöver war in folgender Art entworfen:
Mit der Nöthigung, bis zur erfolgten Wahl im Conclave zu verharren, wird
eS am ersten Tage nicht so genau genommen und es steht den Cardinälen frei,
den Vatican noch einmal zu verlassen und bis zum Sonnenuntergang aus¬
zubleiben; sobald nun die Ercludenten des Cesis sich entfernt haben würden,
wollten die drei genannten Häupter mit ihrem Anhange sich in der Kapelle
versammeln, die Adoration des Cesis ausführen und durch ein schnell vorgenom¬
menes Scrutinium die Wahl durchsetzen. Dieser Anschlag konnte jedoch nicht
so geheim gehalten werden, daß San Sisto, der Hauptercludent des Cesis nicht
Nachricht davon erhielt. Sein Dableiben vereitelte die Ausführung des Plans.
Auch in der Folge wagten es die Jncludenten nicht, ihren Candidaten wieder
aufs Tapet zu setzen, da sich eine Menge Cardinäle als seine Gegner gezeigt
hatten, die vorher für seine Begünstiger galten.

Am folgenden Tage fand ein zweites Scrutinium statt, welches für den
Cardinal Albano die meisten Stimmen, dreizehn, ergab. Auch diesem Scruti¬
nium merkte man an, daß es noch nicht ernstlich gemeint war; wogegen sich
am Nachmittage desselben Tages die meisten Häupter zu einer ernstlich gemein¬
ten Praktik anschickten. Altemps, im Verein mit Medici und sämmtlichen
Kreaturen Pius IV. (Gregors XUI. Vorgänger) agitirte stark sür Guiglielmo
Sirleto, eine der vier Cardinäle, die Philipp le. seinen Vertrauten im Cor-


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[0299] die Verhandlungen mehrer Factionen schon so weit gediehen sind, daß die Majorität für ihn hinlänglich gesichert erscheint. Nach einer einfachen Ver¬ beugung vor dem Gewählten begibt sich jeder wieder an seinen Platz zurück; hat die Zahl der Zustimmenden zwei Drittel der Stimmen erreicht od.er über¬ schritten, so ist die Wahl erfolgt, andernfalls muß eine neue angeordnet werden. Die dritte Art der Wahl heißt die Adoration: beim Eintritt des Candidaten rufen seine Anhänger: lZvviva it stürzen auf ihn zu und fallen vor ihm aufs Knie. Es ist dies eine etwas stürmische Art, darauf berechnet, die Zweifel¬ haften zu überraschen und fortzureißen; mehre Päpste haben deshalb angeordnet, daß die Adoration jedenfalls durch ein regelmäßiges Scrutinium zu bethäti¬ gen sei. Die ersten Scrutinien sind selten mehr als ein Versuchen und Tasten, Plänkeleien zu dem Zwecke, sich eine Uebersicht über den Kampfplatz, Kennt¬ niß von den Vortheilen und Hindernissen desselben und von der Stärke und Schwäche der Parteien zu verschaffen. Nur ausnahmsweise geschieht es, daß eine sehr starke Faction durch Überraschung gleich am ersten Tage eine Wahl zu Stande bringt, denn die ältern, in die Conclaveintriguen eingeweihten Car¬ dinäle sind auf ihrer Hut und vereiteln in der Regel derartige Versuche. So geschah es auch hier. Altcmps, Medici und Alessandrino hatten sich dahin vereinigt, sogleich nach dem Eintritt« ins Conclave die Wahl des Donato Cesiö zu versuchen und ihr dahinziclendes Manöver war in folgender Art entworfen: Mit der Nöthigung, bis zur erfolgten Wahl im Conclave zu verharren, wird eS am ersten Tage nicht so genau genommen und es steht den Cardinälen frei, den Vatican noch einmal zu verlassen und bis zum Sonnenuntergang aus¬ zubleiben; sobald nun die Ercludenten des Cesis sich entfernt haben würden, wollten die drei genannten Häupter mit ihrem Anhange sich in der Kapelle versammeln, die Adoration des Cesis ausführen und durch ein schnell vorgenom¬ menes Scrutinium die Wahl durchsetzen. Dieser Anschlag konnte jedoch nicht so geheim gehalten werden, daß San Sisto, der Hauptercludent des Cesis nicht Nachricht davon erhielt. Sein Dableiben vereitelte die Ausführung des Plans. Auch in der Folge wagten es die Jncludenten nicht, ihren Candidaten wieder aufs Tapet zu setzen, da sich eine Menge Cardinäle als seine Gegner gezeigt hatten, die vorher für seine Begünstiger galten. Am folgenden Tage fand ein zweites Scrutinium statt, welches für den Cardinal Albano die meisten Stimmen, dreizehn, ergab. Auch diesem Scruti¬ nium merkte man an, daß es noch nicht ernstlich gemeint war; wogegen sich am Nachmittage desselben Tages die meisten Häupter zu einer ernstlich gemein¬ ten Praktik anschickten. Altemps, im Verein mit Medici und sämmtlichen Kreaturen Pius IV. (Gregors XUI. Vorgänger) agitirte stark sür Guiglielmo Sirleto, eine der vier Cardinäle, die Philipp le. seinen Vertrauten im Cor- 37*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/299>, abgerufen am 23.07.2024.