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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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Ungestüm die Zweifelhaften zur Adoration fortgerissen. Der Anschlag, von
Medici entdeckt, machte ihm und allen den zahlreichen Gegnern des Farnese
große Sorge. In einer unter Medicis Vorsitz gehaltenen Berathung wurden
alle noch vorhandenen Kandidaten seiner Partei in Betracht gezogen, doch fand
sich keiner unter ihnen, dessen Aussichten die des Torres überwogen hätten
oder dessen Vorschlagung den Gang der farnesischcn Operation auch nur auf¬
zuhalten vermocht hätte. Für Farneses Gegner war alles verloren, sobald die
Wahl des Torres durchging. Der neue Papst hätte sich dem Einflüsse des
schon jetzt übermächtigen Farnese nicht entziehen können; von ihm bestimmt,
hätte er eine so große Anzahl neuer Cardinäle erwählt, daß durch diese, natür¬
lich dem Farnese ergebenen, dessen Wahl nach dem Tode deS bejahrten Torres
gesichert war. Dieselben Betrachtungen waren es ohne Zweifel, welche den Este
bewogen, im Geheimen anderweitige Anknüpfungen zu versuchen^ während er
anscheinend noch sür Farneses und San Sistos Plan wirkte.

Zu einem andern, für den ersten Augenblick seltsam erscheinenden Versuche
hatten sich die Cardinäle Alessandrino und Nusticucci vereinigt. Der Cardinal
Montalto galt allgemein für einen schwachsinnigen, zu jedem Geschäfte un¬
tauglichen, dabei alten und gebrechlichen Menschen. Nun aber verdankte er
seine Erhebung zum Cardinal der Fürsprache des Alessandrino bei dessen Oheim,
Pius IV.; es war somit alle Aussicht vorhanden, daß unter Montaltos Re¬
gierung Alessandrino das Nuder des Staats in seine Hand bekommen würde.
Mit derselben Hoffnung und nicht geringerm Rechte durfte sich Rusticucci
schmeicheln, den Montalto bei jeder Gelegenheit demüthig und bescheiden um
Rath und Beistand angegangen war und für dessen dankbaren und ergebenen
Schützling er sich ebenso oft erklärt hatte: "Wir werden ihn drehen und wen¬
den nach unserm Gefallen, wie einen Spielball" sagte einer zum andern, nach¬
dem sich beide über die aus der Wahl Montaltos zu ziehenden Vortheile unter¬
halten hatten.

In der Nothwendigkeit, Verbündete für ihren Plan heranzuziehen, .glaubten
sie zunächst ihr Augenmerk ans Este richten zu müssen, zu dessen Verfügung
alle französischen Cardinäle und viele Mitglieder andrer Factionen standen.
Rusticucci, auf vertrautem Fuße mit Este stehend, unternahm es, diesen für
das Unternehmen zu gewinnen. Wie erwähnt, hatte Este schon bei sich be¬
schlossen, Farneses Sache zu verlassen; Nusticuccis Vorschlag fand deshalb
williges Ohr bei ihm, um so mehr, als er gegen Montalto, als ein ruhiges,
unschädliches Subject, nichts einzuwenden hatte und als er bedachte, daß ihm
selbst, als dem vertrauten Freunde des Rusticucci, sein Antheil an Einfluß nicht
entgehen könne, sobald Montalto auf dem Throne saß.

Mit der größten Vorsicht kehrten beide zur Zelle Alessandrinos zurück, um
gemeinschaftlich weiter einzuschlagende Wege in Berathung zu ziehen. Alle


Ungestüm die Zweifelhaften zur Adoration fortgerissen. Der Anschlag, von
Medici entdeckt, machte ihm und allen den zahlreichen Gegnern des Farnese
große Sorge. In einer unter Medicis Vorsitz gehaltenen Berathung wurden
alle noch vorhandenen Kandidaten seiner Partei in Betracht gezogen, doch fand
sich keiner unter ihnen, dessen Aussichten die des Torres überwogen hätten
oder dessen Vorschlagung den Gang der farnesischcn Operation auch nur auf¬
zuhalten vermocht hätte. Für Farneses Gegner war alles verloren, sobald die
Wahl des Torres durchging. Der neue Papst hätte sich dem Einflüsse des
schon jetzt übermächtigen Farnese nicht entziehen können; von ihm bestimmt,
hätte er eine so große Anzahl neuer Cardinäle erwählt, daß durch diese, natür¬
lich dem Farnese ergebenen, dessen Wahl nach dem Tode deS bejahrten Torres
gesichert war. Dieselben Betrachtungen waren es ohne Zweifel, welche den Este
bewogen, im Geheimen anderweitige Anknüpfungen zu versuchen^ während er
anscheinend noch sür Farneses und San Sistos Plan wirkte.

Zu einem andern, für den ersten Augenblick seltsam erscheinenden Versuche
hatten sich die Cardinäle Alessandrino und Nusticucci vereinigt. Der Cardinal
Montalto galt allgemein für einen schwachsinnigen, zu jedem Geschäfte un¬
tauglichen, dabei alten und gebrechlichen Menschen. Nun aber verdankte er
seine Erhebung zum Cardinal der Fürsprache des Alessandrino bei dessen Oheim,
Pius IV.; es war somit alle Aussicht vorhanden, daß unter Montaltos Re¬
gierung Alessandrino das Nuder des Staats in seine Hand bekommen würde.
Mit derselben Hoffnung und nicht geringerm Rechte durfte sich Rusticucci
schmeicheln, den Montalto bei jeder Gelegenheit demüthig und bescheiden um
Rath und Beistand angegangen war und für dessen dankbaren und ergebenen
Schützling er sich ebenso oft erklärt hatte: „Wir werden ihn drehen und wen¬
den nach unserm Gefallen, wie einen Spielball" sagte einer zum andern, nach¬
dem sich beide über die aus der Wahl Montaltos zu ziehenden Vortheile unter¬
halten hatten.

In der Nothwendigkeit, Verbündete für ihren Plan heranzuziehen, .glaubten
sie zunächst ihr Augenmerk ans Este richten zu müssen, zu dessen Verfügung
alle französischen Cardinäle und viele Mitglieder andrer Factionen standen.
Rusticucci, auf vertrautem Fuße mit Este stehend, unternahm es, diesen für
das Unternehmen zu gewinnen. Wie erwähnt, hatte Este schon bei sich be¬
schlossen, Farneses Sache zu verlassen; Nusticuccis Vorschlag fand deshalb
williges Ohr bei ihm, um so mehr, als er gegen Montalto, als ein ruhiges,
unschädliches Subject, nichts einzuwenden hatte und als er bedachte, daß ihm
selbst, als dem vertrauten Freunde des Rusticucci, sein Antheil an Einfluß nicht
entgehen könne, sobald Montalto auf dem Throne saß.

Mit der größten Vorsicht kehrten beide zur Zelle Alessandrinos zurück, um
gemeinschaftlich weiter einzuschlagende Wege in Berathung zu ziehen. Alle


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[0301] Ungestüm die Zweifelhaften zur Adoration fortgerissen. Der Anschlag, von Medici entdeckt, machte ihm und allen den zahlreichen Gegnern des Farnese große Sorge. In einer unter Medicis Vorsitz gehaltenen Berathung wurden alle noch vorhandenen Kandidaten seiner Partei in Betracht gezogen, doch fand sich keiner unter ihnen, dessen Aussichten die des Torres überwogen hätten oder dessen Vorschlagung den Gang der farnesischcn Operation auch nur auf¬ zuhalten vermocht hätte. Für Farneses Gegner war alles verloren, sobald die Wahl des Torres durchging. Der neue Papst hätte sich dem Einflüsse des schon jetzt übermächtigen Farnese nicht entziehen können; von ihm bestimmt, hätte er eine so große Anzahl neuer Cardinäle erwählt, daß durch diese, natür¬ lich dem Farnese ergebenen, dessen Wahl nach dem Tode deS bejahrten Torres gesichert war. Dieselben Betrachtungen waren es ohne Zweifel, welche den Este bewogen, im Geheimen anderweitige Anknüpfungen zu versuchen^ während er anscheinend noch sür Farneses und San Sistos Plan wirkte. Zu einem andern, für den ersten Augenblick seltsam erscheinenden Versuche hatten sich die Cardinäle Alessandrino und Nusticucci vereinigt. Der Cardinal Montalto galt allgemein für einen schwachsinnigen, zu jedem Geschäfte un¬ tauglichen, dabei alten und gebrechlichen Menschen. Nun aber verdankte er seine Erhebung zum Cardinal der Fürsprache des Alessandrino bei dessen Oheim, Pius IV.; es war somit alle Aussicht vorhanden, daß unter Montaltos Re¬ gierung Alessandrino das Nuder des Staats in seine Hand bekommen würde. Mit derselben Hoffnung und nicht geringerm Rechte durfte sich Rusticucci schmeicheln, den Montalto bei jeder Gelegenheit demüthig und bescheiden um Rath und Beistand angegangen war und für dessen dankbaren und ergebenen Schützling er sich ebenso oft erklärt hatte: „Wir werden ihn drehen und wen¬ den nach unserm Gefallen, wie einen Spielball" sagte einer zum andern, nach¬ dem sich beide über die aus der Wahl Montaltos zu ziehenden Vortheile unter¬ halten hatten. In der Nothwendigkeit, Verbündete für ihren Plan heranzuziehen, .glaubten sie zunächst ihr Augenmerk ans Este richten zu müssen, zu dessen Verfügung alle französischen Cardinäle und viele Mitglieder andrer Factionen standen. Rusticucci, auf vertrautem Fuße mit Este stehend, unternahm es, diesen für das Unternehmen zu gewinnen. Wie erwähnt, hatte Este schon bei sich be¬ schlossen, Farneses Sache zu verlassen; Nusticuccis Vorschlag fand deshalb williges Ohr bei ihm, um so mehr, als er gegen Montalto, als ein ruhiges, unschädliches Subject, nichts einzuwenden hatte und als er bedachte, daß ihm selbst, als dem vertrauten Freunde des Rusticucci, sein Antheil an Einfluß nicht entgehen könne, sobald Montalto auf dem Throne saß. Mit der größten Vorsicht kehrten beide zur Zelle Alessandrinos zurück, um gemeinschaftlich weiter einzuschlagende Wege in Berathung zu ziehen. Alle

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/301>, abgerufen am 23.07.2024.