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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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weiter fortmarschirt, so findet er unsere Artillerie in einem Hohlwege liegen,
ohne einen Mann zur Bedeckung dabei, und es liegen bald die Räder, bald
die Lafetten oben, und bald bleibt gar ein Stück stehen; denn da es an
Ketten fehlte/so hatten die Kanoniers die Kanonen mit Lunten an die Pulver-,
wagen gebunden und diese zerrissen alle Augenblicke, Der Capitän Brandes
bleibt aber mit seiner Mannschaft bei der Artillerie.

Nun muß ich meine gute Veranstaltung besorgen und in Richtigkeit
bringen. Als ich an den Ort Schwallungen herankam, ließ ich mein Volk
und den Wagen Halt machen, ging hin zu dem Geheimenrath und fragte:
wo soll ich Sie hinbringen lassen? worauf er mir halbtodt antwortete: ins
obere Wirthshaus. Das wußte aber der Teufel nicht, bis sich ein Dragoner
fand, der früher da gelegen, und uns hinführte; denn ich wußte weder um
das Dorf, noch wo das.Wirthshaus lag, es war blind Erden finster/und
regnete, als wenn man daS Wasser mit Stützen vom Himmel herunter gießen'
thäte. -- Als ich nun an das bestimmte Wirthshaus ankam, ließ ich das
Thor öffnen und den Wagen in den Hof fahren; der Geheimerath stieg mit
seinem Canzlistcn, der bei ihm war, aus und retirirte sich in eine obere Stube,
da er schon besser als ich da Bescheid wußte. Ich besetzte gleich den Wagen
auf jeder Seite mit einer Schildwache, weil die Kanzlei darin lag, die übrigen
Leute ließ ich das- Gewehr an das Haus vor dem Regen sicher stellen und
setzte noch eine Schildwache dabei, damit Gewehr und Geheimerath zugleich
bewacht würden. Ich bekümmerte mich auch nicht weiter um den Geheimen¬
rath, denn ich hatte ihn auf Anordnung des Majors v. S .. . in Sicherheit
gebracht, ungefähr so, wie die Küchlein vor dem Ratz sicher sind, da es ein
meiningsches Dorf war, und man.nach der Beschreibung keine ärgere Schelme
im ganzen Lande finden konnte, als die Bewohner von Schwallungen.

Ich hatte nun meiner Ordre nachgelebt, und schickte darauf meinen Unter¬
offizier zu dem Lieutenant Kriegsheim, der mit i0 oder L0 Dragonern in be¬
nanntem Dorfe lag, die alle in guter Ruhe lagen und von unsern Händeln
nichts wußten, und ließ ihm sagen: es wäre Lärm im Brotsacke, ich hätte
den Herrn Geheimenrath anhero gebracht, er möchte kommen und mich ablösen.
Eine kurze Weile darauf kam auch der Lieutenant, der sich sehr verwunderte,
daß ich als Adjutant mit einem Commando hierher käme; es käme ihm ganz
so xropos heraus.

Ich sagte: mir kommt es noch bedenklicher vor. Dieses half nun alles
nichts; ich bat ihn, er sollte nur machen und seine Leute herbeischaffen, damit
ich wieder mit meinem Commando "ach Wasungen abmarschiren könnte; wo¬
rauf er sich alle Mühe gab und selbst fortlief. Als er ungefähr fünfzehn
Mann zusammen hatte, sagte ich ' zu ihm, er sollte Posten'fassen, ich wollte
mich einstweilen wieder auf den Marsch begeben, welches er denn auch^that


weiter fortmarschirt, so findet er unsere Artillerie in einem Hohlwege liegen,
ohne einen Mann zur Bedeckung dabei, und es liegen bald die Räder, bald
die Lafetten oben, und bald bleibt gar ein Stück stehen; denn da es an
Ketten fehlte/so hatten die Kanoniers die Kanonen mit Lunten an die Pulver-,
wagen gebunden und diese zerrissen alle Augenblicke, Der Capitän Brandes
bleibt aber mit seiner Mannschaft bei der Artillerie.

Nun muß ich meine gute Veranstaltung besorgen und in Richtigkeit
bringen. Als ich an den Ort Schwallungen herankam, ließ ich mein Volk
und den Wagen Halt machen, ging hin zu dem Geheimenrath und fragte:
wo soll ich Sie hinbringen lassen? worauf er mir halbtodt antwortete: ins
obere Wirthshaus. Das wußte aber der Teufel nicht, bis sich ein Dragoner
fand, der früher da gelegen, und uns hinführte; denn ich wußte weder um
das Dorf, noch wo das.Wirthshaus lag, es war blind Erden finster/und
regnete, als wenn man daS Wasser mit Stützen vom Himmel herunter gießen'
thäte. — Als ich nun an das bestimmte Wirthshaus ankam, ließ ich das
Thor öffnen und den Wagen in den Hof fahren; der Geheimerath stieg mit
seinem Canzlistcn, der bei ihm war, aus und retirirte sich in eine obere Stube,
da er schon besser als ich da Bescheid wußte. Ich besetzte gleich den Wagen
auf jeder Seite mit einer Schildwache, weil die Kanzlei darin lag, die übrigen
Leute ließ ich das- Gewehr an das Haus vor dem Regen sicher stellen und
setzte noch eine Schildwache dabei, damit Gewehr und Geheimerath zugleich
bewacht würden. Ich bekümmerte mich auch nicht weiter um den Geheimen¬
rath, denn ich hatte ihn auf Anordnung des Majors v. S .. . in Sicherheit
gebracht, ungefähr so, wie die Küchlein vor dem Ratz sicher sind, da es ein
meiningsches Dorf war, und man.nach der Beschreibung keine ärgere Schelme
im ganzen Lande finden konnte, als die Bewohner von Schwallungen.

Ich hatte nun meiner Ordre nachgelebt, und schickte darauf meinen Unter¬
offizier zu dem Lieutenant Kriegsheim, der mit i0 oder L0 Dragonern in be¬
nanntem Dorfe lag, die alle in guter Ruhe lagen und von unsern Händeln
nichts wußten, und ließ ihm sagen: es wäre Lärm im Brotsacke, ich hätte
den Herrn Geheimenrath anhero gebracht, er möchte kommen und mich ablösen.
Eine kurze Weile darauf kam auch der Lieutenant, der sich sehr verwunderte,
daß ich als Adjutant mit einem Commando hierher käme; es käme ihm ganz
so xropos heraus.

Ich sagte: mir kommt es noch bedenklicher vor. Dieses half nun alles
nichts; ich bat ihn, er sollte nur machen und seine Leute herbeischaffen, damit
ich wieder mit meinem Commando »ach Wasungen abmarschiren könnte; wo¬
rauf er sich alle Mühe gab und selbst fortlief. Als er ungefähr fünfzehn
Mann zusammen hatte, sagte ich ' zu ihm, er sollte Posten'fassen, ich wollte
mich einstweilen wieder auf den Marsch begeben, welches er denn auch^that


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/30>, abgerufen am 23.07.2024.