Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

und ablösen ließ. Nun mußte ich ja wol respectswegen zum Herrn Geheimen-
rath gehen und ihn fragen: ob er etwas nach Weisungen zu befehlen habe,
worauf mich der Mann anfuhr als einen Scheundrescher, und mich fragte:
ob ich keine Disposition oder Ordre habe, hier zu bleiben? Ich war aber auch
geputzt und begegnete ihm mit der schönsten, unvergleichlichsten Antwort: Nein,
der Teufel hat mir weder Ordre noch Disposition gegeben, hier zu bleiben,
und es ist auch meine Function nicht gewesen, Sie hierher zu bringen. --
Das sollte ich mit dem Major S . . . ausmachen. -- Worauf ich ihm wieder
antwortete: das werde ich auch thun. -- Darauf redete er mir zu und fragte:
was ich in Wasungen thun wollte? das ganze Commando marschire ja aus
und würde gleich kommen. -- So, sing ich an, ist die Karte so gemischt?
Da's ist recht gut. --- Als ich nun noch in der Stube des Herrn Geheimeraths
stand, hörte ich Pferde trappeln, und ich hinaus, die Treppe hinunter' und
fragte, wer da wäre. Da bekam ich die Autwort: wir sind es. Da erschrak
ich, daß mir fast Hören und Sehen verging, da waren es die beiden Herren
Majors, die sogleich vom Pferde herab und der Treppe hinauf sprangen nach
des Kriegsraths Stube zu und ich hinterdrein. Da wollten sie nun wol ein¬
ander Rapport thun, daß sie für ihre Person glücklich aus -5em belagerten
Wasungen gekommen wären; aber ich ließ den Herrn Major v. S . . . nicht
zu Worte kommen, sondern fragte ihn: Herr Major, was für eine Manier ist
das, daß man mich mit einer solchen List aus Wasungen schickt, auch mir
nicht sagt, daß man aufmarschiren will, und ich noch Frau und Kind und
mein ganzes bischen Vermögen darin habe? Ist das Kriegsgebrauch? Ich
weiß nicht, ob diese Dinge mit Geld erkauft sind, oder was ich denken soll.
Sind das die Projecte, die heute am Tage gemacht worden? Ins Teufels
Namen, ich bin heute nicht jung oder Soldat geworden, vielleicht weiß ich so
gut und besser als Sie, was zum Handwerk gehört. Ich war in einer solche"
Wuth, daß ich auch mein Leben gleich mit ihm angesetzt. --

Nun, mein lieber Leser, ist hier zu merken, daß bis dato noch nicht ein
einziger Mann vom ganzen Commando weder zu hören noch zu sehen, und ich
noch nicht wußte, wie der ganze Umstand war. Der Major v. S. . . wollte
mich "rösten, ich sollte, sagte er, mir wegen meiner Sachen nicht leid sein lassen,
er stände mir dafür; ich antwortete ihm aber gleich: Herr Major, wie können
Sie für meine Sachen stehen? Warum sind Sie denn nicht gestanden
und haben mich mit einem solchen Betrug aus Wasungen geschickt? das ist
nicht erlaubt. Endlich wollte der Herr Geheimerath seine Worte auch dazu
geben, und zwar mit einer solchen Bedingung" als der Herr Major sollte mich
doch abführen, so viel war seine Meinung. Ich fing aber an und sagte:
Mord Sacrament, hier hat mir kein Schreiber etwas zu befehlen; wenn ich
ein Commandant bin und etwas thun will, so muß ich auch meinen Unter-


und ablösen ließ. Nun mußte ich ja wol respectswegen zum Herrn Geheimen-
rath gehen und ihn fragen: ob er etwas nach Weisungen zu befehlen habe,
worauf mich der Mann anfuhr als einen Scheundrescher, und mich fragte:
ob ich keine Disposition oder Ordre habe, hier zu bleiben? Ich war aber auch
geputzt und begegnete ihm mit der schönsten, unvergleichlichsten Antwort: Nein,
der Teufel hat mir weder Ordre noch Disposition gegeben, hier zu bleiben,
und es ist auch meine Function nicht gewesen, Sie hierher zu bringen. —
Das sollte ich mit dem Major S . . . ausmachen. — Worauf ich ihm wieder
antwortete: das werde ich auch thun. — Darauf redete er mir zu und fragte:
was ich in Wasungen thun wollte? das ganze Commando marschire ja aus
und würde gleich kommen. — So, sing ich an, ist die Karte so gemischt?
Da's ist recht gut. -— Als ich nun noch in der Stube des Herrn Geheimeraths
stand, hörte ich Pferde trappeln, und ich hinaus, die Treppe hinunter' und
fragte, wer da wäre. Da bekam ich die Autwort: wir sind es. Da erschrak
ich, daß mir fast Hören und Sehen verging, da waren es die beiden Herren
Majors, die sogleich vom Pferde herab und der Treppe hinauf sprangen nach
des Kriegsraths Stube zu und ich hinterdrein. Da wollten sie nun wol ein¬
ander Rapport thun, daß sie für ihre Person glücklich aus -5em belagerten
Wasungen gekommen wären; aber ich ließ den Herrn Major v. S . . . nicht
zu Worte kommen, sondern fragte ihn: Herr Major, was für eine Manier ist
das, daß man mich mit einer solchen List aus Wasungen schickt, auch mir
nicht sagt, daß man aufmarschiren will, und ich noch Frau und Kind und
mein ganzes bischen Vermögen darin habe? Ist das Kriegsgebrauch? Ich
weiß nicht, ob diese Dinge mit Geld erkauft sind, oder was ich denken soll.
Sind das die Projecte, die heute am Tage gemacht worden? Ins Teufels
Namen, ich bin heute nicht jung oder Soldat geworden, vielleicht weiß ich so
gut und besser als Sie, was zum Handwerk gehört. Ich war in einer solche»
Wuth, daß ich auch mein Leben gleich mit ihm angesetzt. —

Nun, mein lieber Leser, ist hier zu merken, daß bis dato noch nicht ein
einziger Mann vom ganzen Commando weder zu hören noch zu sehen, und ich
noch nicht wußte, wie der ganze Umstand war. Der Major v. S. . . wollte
mich »rösten, ich sollte, sagte er, mir wegen meiner Sachen nicht leid sein lassen,
er stände mir dafür; ich antwortete ihm aber gleich: Herr Major, wie können
Sie für meine Sachen stehen? Warum sind Sie denn nicht gestanden
und haben mich mit einem solchen Betrug aus Wasungen geschickt? das ist
nicht erlaubt. Endlich wollte der Herr Geheimerath seine Worte auch dazu
geben, und zwar mit einer solchen Bedingung» als der Herr Major sollte mich
doch abführen, so viel war seine Meinung. Ich fing aber an und sagte:
Mord Sacrament, hier hat mir kein Schreiber etwas zu befehlen; wenn ich
ein Commandant bin und etwas thun will, so muß ich auch meinen Unter-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0031" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101024"/>
            <p xml:id="ID_70" prev="#ID_69"> und ablösen ließ. Nun mußte ich ja wol respectswegen zum Herrn Geheimen-<lb/>
rath gehen und ihn fragen: ob er etwas nach Weisungen zu befehlen habe,<lb/>
worauf mich der Mann anfuhr als einen Scheundrescher, und mich fragte:<lb/>
ob ich keine Disposition oder Ordre habe, hier zu bleiben? Ich war aber auch<lb/>
geputzt und begegnete ihm mit der schönsten, unvergleichlichsten Antwort: Nein,<lb/>
der Teufel hat mir weder Ordre noch Disposition gegeben, hier zu bleiben,<lb/>
und es ist auch meine Function nicht gewesen, Sie hierher zu bringen. &#x2014;<lb/>
Das sollte ich mit dem Major S . . . ausmachen. &#x2014; Worauf ich ihm wieder<lb/>
antwortete: das werde ich auch thun. &#x2014; Darauf redete er mir zu und fragte:<lb/>
was ich in Wasungen thun wollte? das ganze Commando marschire ja aus<lb/>
und würde gleich kommen. &#x2014; So, sing ich an, ist die Karte so gemischt?<lb/>
Da's ist recht gut. -&#x2014; Als ich nun noch in der Stube des Herrn Geheimeraths<lb/>
stand, hörte ich Pferde trappeln, und ich hinaus, die Treppe hinunter' und<lb/>
fragte, wer da wäre. Da bekam ich die Autwort: wir sind es. Da erschrak<lb/>
ich, daß mir fast Hören und Sehen verging, da waren es die beiden Herren<lb/>
Majors, die sogleich vom Pferde herab und der Treppe hinauf sprangen nach<lb/>
des Kriegsraths Stube zu und ich hinterdrein. Da wollten sie nun wol ein¬<lb/>
ander Rapport thun, daß sie für ihre Person glücklich aus -5em belagerten<lb/>
Wasungen gekommen wären; aber ich ließ den Herrn Major v. S . . . nicht<lb/>
zu Worte kommen, sondern fragte ihn: Herr Major, was für eine Manier ist<lb/>
das, daß man mich mit einer solchen List aus Wasungen schickt, auch mir<lb/>
nicht sagt, daß man aufmarschiren will, und ich noch Frau und Kind und<lb/>
mein ganzes bischen Vermögen darin habe? Ist das Kriegsgebrauch? Ich<lb/>
weiß nicht, ob diese Dinge mit Geld erkauft sind, oder was ich denken soll.<lb/>
Sind das die Projecte, die heute am Tage gemacht worden? Ins Teufels<lb/>
Namen, ich bin heute nicht jung oder Soldat geworden, vielleicht weiß ich so<lb/>
gut und besser als Sie, was zum Handwerk gehört. Ich war in einer solche»<lb/>
Wuth, daß ich auch mein Leben gleich mit ihm angesetzt. &#x2014;</p><lb/>
            <p xml:id="ID_71" next="#ID_72"> Nun, mein lieber Leser, ist hier zu merken, daß bis dato noch nicht ein<lb/>
einziger Mann vom ganzen Commando weder zu hören noch zu sehen, und ich<lb/>
noch nicht wußte, wie der ganze Umstand war. Der Major v. S. . . wollte<lb/>
mich »rösten, ich sollte, sagte er, mir wegen meiner Sachen nicht leid sein lassen,<lb/>
er stände mir dafür; ich antwortete ihm aber gleich: Herr Major, wie können<lb/>
Sie für meine Sachen stehen? Warum sind Sie denn nicht gestanden<lb/>
und haben mich mit einem solchen Betrug aus Wasungen geschickt? das ist<lb/>
nicht erlaubt. Endlich wollte der Herr Geheimerath seine Worte auch dazu<lb/>
geben, und zwar mit einer solchen Bedingung» als der Herr Major sollte mich<lb/>
doch abführen, so viel war seine Meinung. Ich fing aber an und sagte:<lb/>
Mord Sacrament, hier hat mir kein Schreiber etwas zu befehlen; wenn ich<lb/>
ein Commandant bin und etwas thun will, so muß ich auch meinen Unter-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0031] und ablösen ließ. Nun mußte ich ja wol respectswegen zum Herrn Geheimen- rath gehen und ihn fragen: ob er etwas nach Weisungen zu befehlen habe, worauf mich der Mann anfuhr als einen Scheundrescher, und mich fragte: ob ich keine Disposition oder Ordre habe, hier zu bleiben? Ich war aber auch geputzt und begegnete ihm mit der schönsten, unvergleichlichsten Antwort: Nein, der Teufel hat mir weder Ordre noch Disposition gegeben, hier zu bleiben, und es ist auch meine Function nicht gewesen, Sie hierher zu bringen. — Das sollte ich mit dem Major S . . . ausmachen. — Worauf ich ihm wieder antwortete: das werde ich auch thun. — Darauf redete er mir zu und fragte: was ich in Wasungen thun wollte? das ganze Commando marschire ja aus und würde gleich kommen. — So, sing ich an, ist die Karte so gemischt? Da's ist recht gut. -— Als ich nun noch in der Stube des Herrn Geheimeraths stand, hörte ich Pferde trappeln, und ich hinaus, die Treppe hinunter' und fragte, wer da wäre. Da bekam ich die Autwort: wir sind es. Da erschrak ich, daß mir fast Hören und Sehen verging, da waren es die beiden Herren Majors, die sogleich vom Pferde herab und der Treppe hinauf sprangen nach des Kriegsraths Stube zu und ich hinterdrein. Da wollten sie nun wol ein¬ ander Rapport thun, daß sie für ihre Person glücklich aus -5em belagerten Wasungen gekommen wären; aber ich ließ den Herrn Major v. S . . . nicht zu Worte kommen, sondern fragte ihn: Herr Major, was für eine Manier ist das, daß man mich mit einer solchen List aus Wasungen schickt, auch mir nicht sagt, daß man aufmarschiren will, und ich noch Frau und Kind und mein ganzes bischen Vermögen darin habe? Ist das Kriegsgebrauch? Ich weiß nicht, ob diese Dinge mit Geld erkauft sind, oder was ich denken soll. Sind das die Projecte, die heute am Tage gemacht worden? Ins Teufels Namen, ich bin heute nicht jung oder Soldat geworden, vielleicht weiß ich so gut und besser als Sie, was zum Handwerk gehört. Ich war in einer solche» Wuth, daß ich auch mein Leben gleich mit ihm angesetzt. — Nun, mein lieber Leser, ist hier zu merken, daß bis dato noch nicht ein einziger Mann vom ganzen Commando weder zu hören noch zu sehen, und ich noch nicht wußte, wie der ganze Umstand war. Der Major v. S. . . wollte mich »rösten, ich sollte, sagte er, mir wegen meiner Sachen nicht leid sein lassen, er stände mir dafür; ich antwortete ihm aber gleich: Herr Major, wie können Sie für meine Sachen stehen? Warum sind Sie denn nicht gestanden und haben mich mit einem solchen Betrug aus Wasungen geschickt? das ist nicht erlaubt. Endlich wollte der Herr Geheimerath seine Worte auch dazu geben, und zwar mit einer solchen Bedingung» als der Herr Major sollte mich doch abführen, so viel war seine Meinung. Ich fing aber an und sagte: Mord Sacrament, hier hat mir kein Schreiber etwas zu befehlen; wenn ich ein Commandant bin und etwas thun will, so muß ich auch meinen Unter-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/31
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/31>, abgerufen am 25.08.2024.