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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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Auf den hiesigen Bergen hat man am Funkensonntage einen prachtvollen An¬
blick, denn man steht dann nicht blos in der unmittelbaren Umgebung, sondern
auch in der Schweiz, in Tirol und Vorarlberg Feuer auflodern und feurige
Scheiben steigen. Dieselbe Sitte kommt hier und da in Baiern vor, und selbst
die deutschen Dörfer in Graubündten üben den alten Brauch und haben ähn¬
liche Sprüche dabei.

In Oberschwaben werden am Funkensonntage "Funkenringe" gebacken,
das Slück zu einem Kreuzer. Sie haben die Form von Bretzeln, werden aber
dann mit frischem Teig überschüttet und so in Fett gebacken, wodurch der Ring
größer und zackig wird.

Im Wiesenthale ziehen die Burschen nach dem Scheibenschlagen herum
und sammeln Küchlein von den Mädchen ein, deren sie beim Abschreiten ihrer
Scheiben gedacht. Dabei singen sie:


"I ha euer Tochter Sabtha g'schlage,
Jr wer mers Künste nit versage.
D' Schibe fahre hin und her,
Mer esse d' Kiichli alli gern.
D' Küchli raus, d' Küchli raus,
's is e schöui Tochter im Haus."

Der Aehnlichkeit dieser Vvlkslustbarkeit mit dem friesischen Gebrauche des
Biikenbrenncns ist bereits gedacht. Wie aber erklärt sie sich? Das Christen¬
thum gibt so wenig wie das römische Heidenthum eine Deutung an die Hand.
Eher findet sich eine solche in der Meinung der alten Leute, welche einst der
Ansicht waren, wenn der Mensch an diesem Tage keine Funken mache, so
mache der Herrgott welche durch ein Wetter. Man könnte vermuthen, daß
statt des Herrgotts früher der Gewittergott genannt worden sei, und danach
schließen, die Feier habe dem Donner gegolten, und es sei vielleicht an diesem
Tage dessen Sieg über den Winter gefeiert worden. Andrerseits weisen die
feurigen Scheiben, die durch die Lust laufen, wie das fränkische FastnachtSrad
bergab, aus die Sonne und den Himmelsgott Wuotan. Es wird kaum mög¬
lich sein, hier etwas Gewisses aufzustellen. Nur das scheint gewiß, und wird
durch die zu Ehren der heiligen Dreifaltigkeit geschlagene erste Scheibe und,
durch das am Holzstoß gesungene geistliche Lied bestätigt, daß wir nicht blos
eine Fastnachtspofse, sondern den Nest einer religiösen Feier vor uns haben.
Dies aber gibt uns die Erlaubniß, auch in denjenigen Gebräuchen, Sprüchen
und Meinungen der Zeit von Lichtmesse bis Fastnachten, welche keine An¬
knüpfung an Christliches und Römisches zuzulassen scheinen, bis auf weiteres
Spuren eines deutschheidnischen Frühlingsfestes zu erblicken.




Auf den hiesigen Bergen hat man am Funkensonntage einen prachtvollen An¬
blick, denn man steht dann nicht blos in der unmittelbaren Umgebung, sondern
auch in der Schweiz, in Tirol und Vorarlberg Feuer auflodern und feurige
Scheiben steigen. Dieselbe Sitte kommt hier und da in Baiern vor, und selbst
die deutschen Dörfer in Graubündten üben den alten Brauch und haben ähn¬
liche Sprüche dabei.

In Oberschwaben werden am Funkensonntage „Funkenringe" gebacken,
das Slück zu einem Kreuzer. Sie haben die Form von Bretzeln, werden aber
dann mit frischem Teig überschüttet und so in Fett gebacken, wodurch der Ring
größer und zackig wird.

Im Wiesenthale ziehen die Burschen nach dem Scheibenschlagen herum
und sammeln Küchlein von den Mädchen ein, deren sie beim Abschreiten ihrer
Scheiben gedacht. Dabei singen sie:


„I ha euer Tochter Sabtha g'schlage,
Jr wer mers Künste nit versage.
D' Schibe fahre hin und her,
Mer esse d' Kiichli alli gern.
D' Küchli raus, d' Küchli raus,
's is e schöui Tochter im Haus."

Der Aehnlichkeit dieser Vvlkslustbarkeit mit dem friesischen Gebrauche des
Biikenbrenncns ist bereits gedacht. Wie aber erklärt sie sich? Das Christen¬
thum gibt so wenig wie das römische Heidenthum eine Deutung an die Hand.
Eher findet sich eine solche in der Meinung der alten Leute, welche einst der
Ansicht waren, wenn der Mensch an diesem Tage keine Funken mache, so
mache der Herrgott welche durch ein Wetter. Man könnte vermuthen, daß
statt des Herrgotts früher der Gewittergott genannt worden sei, und danach
schließen, die Feier habe dem Donner gegolten, und es sei vielleicht an diesem
Tage dessen Sieg über den Winter gefeiert worden. Andrerseits weisen die
feurigen Scheiben, die durch die Lust laufen, wie das fränkische FastnachtSrad
bergab, aus die Sonne und den Himmelsgott Wuotan. Es wird kaum mög¬
lich sein, hier etwas Gewisses aufzustellen. Nur das scheint gewiß, und wird
durch die zu Ehren der heiligen Dreifaltigkeit geschlagene erste Scheibe und,
durch das am Holzstoß gesungene geistliche Lied bestätigt, daß wir nicht blos
eine Fastnachtspofse, sondern den Nest einer religiösen Feier vor uns haben.
Dies aber gibt uns die Erlaubniß, auch in denjenigen Gebräuchen, Sprüchen
und Meinungen der Zeit von Lichtmesse bis Fastnachten, welche keine An¬
knüpfung an Christliches und Römisches zuzulassen scheinen, bis auf weiteres
Spuren eines deutschheidnischen Frühlingsfestes zu erblicken.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/180>, abgerufen am 23.07.2024.