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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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lich von Haus und Hof vertrieben und über die Eider gejagt hätte, um an
ihrer Stelle Dänen anzusiedeln. Es war lediglich der Geist der Zeit, der dies
verbot. Andre kaum weniger himmelschreiende, wenn auch nicht so auffallende
Maßregeln ließ er zu. Der deutsche Bund hatte nichts dagegen einzuwenden
gehabt, daß ein wesentliches Recht eines seiner Glieder, das Recht Holsteins
auf Zusammenhang mit Schleswig und auf strenge Geschiedenhcit von Däne¬
mark ausgestrichen wurde. Die deutschen Fürsten hatten nichts dagegen ge¬
sagt, daß das ebenso gute Recht eines Mannes, der vermöge dieses Rechtes
nach Aussterben des Mannsstammes der dänischen Oldenburger mit der
Doppelkrone Schleswig-Holsteins geschmückt, als Gleichstehender ihrem Bunde
beigetreten sein würde, mit. demselben 'raschen Federstriche vernichtet wurde.
Das deutsche Volk hatte bereits wieder zu andern Dingen geschwiegen, um
nicht hier ebenfalls zu schweigen. Man hatte allenthalben klares Wasser und
freie Hand und man kourtke nun wahr machen, was man früher gedroht,
konnte den Schleswigern auf den Rücken schreiben, daß sie Dänen seien. Man
verjagte alle deutschgcsinnten Beamten und Prediger und, trieb die Advocaten
massenweise aus. Mit Ausnahme von zwölf wurden alle teuschen Justiz-
bcamten abgesetzt, ebenso alle Bürgermeister, ebenso über achtzig Geistliche,
darunter die beiden Superintendenten, ebenso eine große Anzahl von Lehrern',
keiner aus andern Gründen, als weil er deutsch war und deutsch dachte und
weil er Platz machen sollte für Dänen, die nun haufenweise ins Land strömten.
DaS deutsche Schullehrerseminar in sondern wurde zu einem dänischen, die
deutsche Gelehrtenschule in Schleswig erhielt dänische Lehrer. Die dänische
Zollgrenze wurde erst bis zur Eider, dann bis zur Elbe vorgeschoben, die
dänische Branntweinsteuer zum Schaden der großen Güter eingeführt, der Kanal
zwischen Nord- und Ostsee aus einem Schleswig-holsteinischen in einen Eider-
kancil umgetauft, die deutschen Zeitungen in den Herzogtlnimern verboten, da¬
mit das Verständniß der neuen Zeit ungehindert von Norden einströmen könne,
die deutsche Festung Rendsburg geschleift, damit diesen Verständnissen unter
allen Umständen Nachdruck gegeben werden konnte. Die deutschen Soldaten,
welche aus den Herzogthümern nuögehvben waren, schickte man nach Kopenhagen
und dafür kamen fünftausend Juden und Seeländer ins Land/denen in Schles¬
wig noch eine starke, fast nur zur Niederhaltung der Gemüther geschaffene
Gendarmerie zur Seite trat. In den Schulen mußten statt nach dem
alten Schleswig-holsteinischen Courantgelde, dem wohlverbrieften, aus Hamburg,
der commerziellen Metropole beider Herzogtümer fortwährend einströmenden,
nach dänischer Reichsmünze gerechnet werden. Die Rechnung nach Courant
wurde sodann völlig aus Handel und Wandel verbannt, endlich die Courant-
münze selbst.

Schleswig wie Holstein waren auf diese Weise so gut wie von Dänemark


lich von Haus und Hof vertrieben und über die Eider gejagt hätte, um an
ihrer Stelle Dänen anzusiedeln. Es war lediglich der Geist der Zeit, der dies
verbot. Andre kaum weniger himmelschreiende, wenn auch nicht so auffallende
Maßregeln ließ er zu. Der deutsche Bund hatte nichts dagegen einzuwenden
gehabt, daß ein wesentliches Recht eines seiner Glieder, das Recht Holsteins
auf Zusammenhang mit Schleswig und auf strenge Geschiedenhcit von Däne¬
mark ausgestrichen wurde. Die deutschen Fürsten hatten nichts dagegen ge¬
sagt, daß das ebenso gute Recht eines Mannes, der vermöge dieses Rechtes
nach Aussterben des Mannsstammes der dänischen Oldenburger mit der
Doppelkrone Schleswig-Holsteins geschmückt, als Gleichstehender ihrem Bunde
beigetreten sein würde, mit. demselben 'raschen Federstriche vernichtet wurde.
Das deutsche Volk hatte bereits wieder zu andern Dingen geschwiegen, um
nicht hier ebenfalls zu schweigen. Man hatte allenthalben klares Wasser und
freie Hand und man kourtke nun wahr machen, was man früher gedroht,
konnte den Schleswigern auf den Rücken schreiben, daß sie Dänen seien. Man
verjagte alle deutschgcsinnten Beamten und Prediger und, trieb die Advocaten
massenweise aus. Mit Ausnahme von zwölf wurden alle teuschen Justiz-
bcamten abgesetzt, ebenso alle Bürgermeister, ebenso über achtzig Geistliche,
darunter die beiden Superintendenten, ebenso eine große Anzahl von Lehrern',
keiner aus andern Gründen, als weil er deutsch war und deutsch dachte und
weil er Platz machen sollte für Dänen, die nun haufenweise ins Land strömten.
DaS deutsche Schullehrerseminar in sondern wurde zu einem dänischen, die
deutsche Gelehrtenschule in Schleswig erhielt dänische Lehrer. Die dänische
Zollgrenze wurde erst bis zur Eider, dann bis zur Elbe vorgeschoben, die
dänische Branntweinsteuer zum Schaden der großen Güter eingeführt, der Kanal
zwischen Nord- und Ostsee aus einem Schleswig-holsteinischen in einen Eider-
kancil umgetauft, die deutschen Zeitungen in den Herzogtlnimern verboten, da¬
mit das Verständniß der neuen Zeit ungehindert von Norden einströmen könne,
die deutsche Festung Rendsburg geschleift, damit diesen Verständnissen unter
allen Umständen Nachdruck gegeben werden konnte. Die deutschen Soldaten,
welche aus den Herzogthümern nuögehvben waren, schickte man nach Kopenhagen
und dafür kamen fünftausend Juden und Seeländer ins Land/denen in Schles¬
wig noch eine starke, fast nur zur Niederhaltung der Gemüther geschaffene
Gendarmerie zur Seite trat. In den Schulen mußten statt nach dem
alten Schleswig-holsteinischen Courantgelde, dem wohlverbrieften, aus Hamburg,
der commerziellen Metropole beider Herzogtümer fortwährend einströmenden,
nach dänischer Reichsmünze gerechnet werden. Die Rechnung nach Courant
wurde sodann völlig aus Handel und Wandel verbannt, endlich die Courant-
münze selbst.

Schleswig wie Holstein waren auf diese Weise so gut wie von Dänemark


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[0158] lich von Haus und Hof vertrieben und über die Eider gejagt hätte, um an ihrer Stelle Dänen anzusiedeln. Es war lediglich der Geist der Zeit, der dies verbot. Andre kaum weniger himmelschreiende, wenn auch nicht so auffallende Maßregeln ließ er zu. Der deutsche Bund hatte nichts dagegen einzuwenden gehabt, daß ein wesentliches Recht eines seiner Glieder, das Recht Holsteins auf Zusammenhang mit Schleswig und auf strenge Geschiedenhcit von Däne¬ mark ausgestrichen wurde. Die deutschen Fürsten hatten nichts dagegen ge¬ sagt, daß das ebenso gute Recht eines Mannes, der vermöge dieses Rechtes nach Aussterben des Mannsstammes der dänischen Oldenburger mit der Doppelkrone Schleswig-Holsteins geschmückt, als Gleichstehender ihrem Bunde beigetreten sein würde, mit. demselben 'raschen Federstriche vernichtet wurde. Das deutsche Volk hatte bereits wieder zu andern Dingen geschwiegen, um nicht hier ebenfalls zu schweigen. Man hatte allenthalben klares Wasser und freie Hand und man kourtke nun wahr machen, was man früher gedroht, konnte den Schleswigern auf den Rücken schreiben, daß sie Dänen seien. Man verjagte alle deutschgcsinnten Beamten und Prediger und, trieb die Advocaten massenweise aus. Mit Ausnahme von zwölf wurden alle teuschen Justiz- bcamten abgesetzt, ebenso alle Bürgermeister, ebenso über achtzig Geistliche, darunter die beiden Superintendenten, ebenso eine große Anzahl von Lehrern', keiner aus andern Gründen, als weil er deutsch war und deutsch dachte und weil er Platz machen sollte für Dänen, die nun haufenweise ins Land strömten. DaS deutsche Schullehrerseminar in sondern wurde zu einem dänischen, die deutsche Gelehrtenschule in Schleswig erhielt dänische Lehrer. Die dänische Zollgrenze wurde erst bis zur Eider, dann bis zur Elbe vorgeschoben, die dänische Branntweinsteuer zum Schaden der großen Güter eingeführt, der Kanal zwischen Nord- und Ostsee aus einem Schleswig-holsteinischen in einen Eider- kancil umgetauft, die deutschen Zeitungen in den Herzogtlnimern verboten, da¬ mit das Verständniß der neuen Zeit ungehindert von Norden einströmen könne, die deutsche Festung Rendsburg geschleift, damit diesen Verständnissen unter allen Umständen Nachdruck gegeben werden konnte. Die deutschen Soldaten, welche aus den Herzogthümern nuögehvben waren, schickte man nach Kopenhagen und dafür kamen fünftausend Juden und Seeländer ins Land/denen in Schles¬ wig noch eine starke, fast nur zur Niederhaltung der Gemüther geschaffene Gendarmerie zur Seite trat. In den Schulen mußten statt nach dem alten Schleswig-holsteinischen Courantgelde, dem wohlverbrieften, aus Hamburg, der commerziellen Metropole beider Herzogtümer fortwährend einströmenden, nach dänischer Reichsmünze gerechnet werden. Die Rechnung nach Courant wurde sodann völlig aus Handel und Wandel verbannt, endlich die Courant- münze selbst. Schleswig wie Holstein waren auf diese Weise so gut wie von Dänemark

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/158>, abgerufen am 23.07.2024.