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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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Anstellung an Schulen in dem deütschredenden Theile des Herzogtums ge¬
sunden.

Diese Angaben beruhen auf amtlichen Ermittlungen. Sie werden darthun,
wie sehr Grund zur Klage von Seiten Schleswig-Holsteins vorhanden war.
Gleichwol verstattete sich die in Dänemark thätige fanatische Partei, mit solchen
Erfolge" noch nicht zufrieden gestellt, die obenerwähnte Entstellung der That¬
sachen, um ihren Zwecken dadurch einen scheinbaren Halt zu geben.

Sobald in den letzten Decennien eine Pfarrstelle in Nordschleswig sich er¬
ledigte, wurde sofort, je nach dem Einflüsse, den die Propaganda am Orte ge¬
wonnen hatte, ein größerer oder geringerer Theil der Gemeindeglieder veranlaßt,
an höchster Stelle um bestimmte Persönlichkeiten, bei denen allein auf das
Geschick, eine politische Thätigkeit zu entwickeln und auf dänische Gesinnung,
nicht auf Befähigung zum geistlichen Amte gesehen wurde, zu bitten. Ans
Gegenvorstellungen, selbst wenn sie von einer bedeutendern Anzahl von Ein-
gepfarrten unterzeichnet waren, so wie auf die aus Nordschleswig bei der
Ständeversammlung in den Jahren 18i0 und 18ii eingereichten Petitionen,
daß nur in deu Herzogtümern eraminirte Theologen in Nordschleswig an¬
gestellt werden möchten, wurde vom Landesherr" -- der im Stillen das Haupt
der Eiderdänen war -- keine Rücksicht genommen, obschon die schleswigschen
Stände wiederum mit seltener Mäßigung einstimmige Anträge dahin richteten,
es möge verfügt werden, daß in Zukunft in den Herzogtümern Schleswig
und Holstein kein Prediger oder Kandidat, gleichviel ob von Geburt ein Däne
oder Schleswig-Holsteiner, angestellt werden dürfe, welcher sich nicht dem theo¬
logischen Eramen in den Herzogtümern unterworfen habe. Anstatt dieser
billigen Bitte Gehör zu geben, wurden von Chistian VIII. Männer als Geist¬
liche in jenen Districten eingesetzt, welche wie die Pastoren Hertel, Boisen,
Bochen (jetzt Bischof von Schleswig), Feilberg und Jürgensen das ihnen über¬
tragene Predigtamt nur zu sehr vom Standpunkt als Vehikel politischer Zwecke
ansahen und unter den dänischen Eiferern den obersten Rang einnahmen.

So wie auf diese Weise die geistlichen Aetiuer in Nordschleswig fast aus¬
schließlich Bewerbern in die Hände fielen, welche der Geburt und Bildung
nach Dänemark angehörten, war es demnächst Plan der eidervänischen Partei,
auch in Betreff der weltlichen Behörden derartiges zu erreichen. Zu dem
Ende wurde der Umstand benutzt, daß in Schleswig bis auf den heutigen Tag
das jüdische Low gilt, welches jedoch abgesehen von einigen Bestimmungen hin¬
sichtlich des Erbrechts und des ehelichen Güterrechts als autiquirt zu betrachten
ist. Obwol ausschließlich eine im Jahre 1->92 sanctionirte plattdeutsche Über¬
tragung dieses Nechtsbuchö Gesetzeskraft hat und die darin enthaltenen Be¬
stimmungen kaum den hundertsten Theil der in Schleswig geltenden Rechts¬
vorschriften ausmachen, endlich auch in Dänemark bereits gegen Ende des


Anstellung an Schulen in dem deütschredenden Theile des Herzogtums ge¬
sunden.

Diese Angaben beruhen auf amtlichen Ermittlungen. Sie werden darthun,
wie sehr Grund zur Klage von Seiten Schleswig-Holsteins vorhanden war.
Gleichwol verstattete sich die in Dänemark thätige fanatische Partei, mit solchen
Erfolge» noch nicht zufrieden gestellt, die obenerwähnte Entstellung der That¬
sachen, um ihren Zwecken dadurch einen scheinbaren Halt zu geben.

Sobald in den letzten Decennien eine Pfarrstelle in Nordschleswig sich er¬
ledigte, wurde sofort, je nach dem Einflüsse, den die Propaganda am Orte ge¬
wonnen hatte, ein größerer oder geringerer Theil der Gemeindeglieder veranlaßt,
an höchster Stelle um bestimmte Persönlichkeiten, bei denen allein auf das
Geschick, eine politische Thätigkeit zu entwickeln und auf dänische Gesinnung,
nicht auf Befähigung zum geistlichen Amte gesehen wurde, zu bitten. Ans
Gegenvorstellungen, selbst wenn sie von einer bedeutendern Anzahl von Ein-
gepfarrten unterzeichnet waren, so wie auf die aus Nordschleswig bei der
Ständeversammlung in den Jahren 18i0 und 18ii eingereichten Petitionen,
daß nur in deu Herzogtümern eraminirte Theologen in Nordschleswig an¬
gestellt werden möchten, wurde vom Landesherr» — der im Stillen das Haupt
der Eiderdänen war — keine Rücksicht genommen, obschon die schleswigschen
Stände wiederum mit seltener Mäßigung einstimmige Anträge dahin richteten,
es möge verfügt werden, daß in Zukunft in den Herzogtümern Schleswig
und Holstein kein Prediger oder Kandidat, gleichviel ob von Geburt ein Däne
oder Schleswig-Holsteiner, angestellt werden dürfe, welcher sich nicht dem theo¬
logischen Eramen in den Herzogtümern unterworfen habe. Anstatt dieser
billigen Bitte Gehör zu geben, wurden von Chistian VIII. Männer als Geist¬
liche in jenen Districten eingesetzt, welche wie die Pastoren Hertel, Boisen,
Bochen (jetzt Bischof von Schleswig), Feilberg und Jürgensen das ihnen über¬
tragene Predigtamt nur zu sehr vom Standpunkt als Vehikel politischer Zwecke
ansahen und unter den dänischen Eiferern den obersten Rang einnahmen.

So wie auf diese Weise die geistlichen Aetiuer in Nordschleswig fast aus¬
schließlich Bewerbern in die Hände fielen, welche der Geburt und Bildung
nach Dänemark angehörten, war es demnächst Plan der eidervänischen Partei,
auch in Betreff der weltlichen Behörden derartiges zu erreichen. Zu dem
Ende wurde der Umstand benutzt, daß in Schleswig bis auf den heutigen Tag
das jüdische Low gilt, welches jedoch abgesehen von einigen Bestimmungen hin¬
sichtlich des Erbrechts und des ehelichen Güterrechts als autiquirt zu betrachten
ist. Obwol ausschließlich eine im Jahre 1->92 sanctionirte plattdeutsche Über¬
tragung dieses Nechtsbuchö Gesetzeskraft hat und die darin enthaltenen Be¬
stimmungen kaum den hundertsten Theil der in Schleswig geltenden Rechts¬
vorschriften ausmachen, endlich auch in Dänemark bereits gegen Ende des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/154>, abgerufen am 23.07.2024.