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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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-17. .Jahrhunderts durch Herausgabe deS Gesetzbuchs Christians V. das jüdische
Low außer Kraft gesetzt war, so wurde doch -- es ist in der That fast un¬
glaublich -- der Umstand, daß vor Jahrhunderten in Dänemark und Schles¬
wig ein und dasselbe Landrecht gegolten, zur Basis der Forderung gemacht, die
der Jurisprudenz sich widmenden Schleswiger zu verpflichten, auf der kopen¬
hagener Universität, auf welcher eine Professur für schleswigschcs Recht zu er¬
richten beabsichtigt war, ihre Studien zu machen.

Dieser Plan, so wie die Anstellung von Juden und Jnseldänen als Lehrer
der dänischen Sprache in allen Gelehrtenschulen Holsteins und Schleswigs, wurde
im letzten Lebensjahre Christians Viti. mit Vorliebe erörtert, und zu wieder¬
holten Malen wurden sogar amtliche Verhandlungen über diese Gegenstände
gepflogen. Daneben bezeichnete man es als der Erwägung würdig, ob nicht,
wie in Dänemark nach einem Reglement vom Jahre 18is in den untersten
Classen der Gelehrtenschulen die deutsche Sprache statt der lateinischen zum Ge¬
genstande der ersten grammatischen Uebungen vorgeschrieben ist, in den hol¬
steinischen und schleswigschen Gymnasien die dänische Sprache zu gleichem Zwecke
zu benutzen sei.

Ueber den Sinn dieser Vorschläge konnte kein Zweifel obwalten, da der
Landesherr plötzlich, ohne daß die zuständigen Behörden der Herzogtümer ver¬
nommen waren, durch Cabinetsrescript die Verwandlung des haderslebner
Gymnasiums, welches fast drei Jahrhunderte als deutsche Lehranstalt bestanden
hatte, in ein Unterrichtsinstitut mit dänischer Sprache verfügte. Sämmtliche
Stadverordnete Haderslebens kamen sofort um Aufhebung dieser Maßregel ein.
Desgleichen machten die Regierungsbehörden Vorstellungen. Aber wever diese
noch jene fanden Beachtung. Auch der Vorschlag, der erwähnten Gelehrten¬
schule doch mindestens eine solche Einrichtung zu geben, daß die untern Classen
sprachliche Parallclclassen seien und jedem freistehe, zu erklären, ob er den Un¬
terricht in der deutschen oder in der dänischen Sprache haben wolle, wurde an
höchster Stelle zur Gewährung nicht geeignet befunden. Dieser landesherrliche
Act mußte aber um so verletzender erscheinen, als während einer längern
Reihe von Jahren unter mehr als dreißig Abiturienten der haderölebncr
Schule kein einziger die Universität Kopenhagen besucht, alle vielmehr deutsche
Hochschulen bezogen hatten und dem zufolge die Ansicht der Betheiligten über
den Vorzug deutscher oder dänischer Bildung nicht zweifelhaft war.

Die dänischen Fanatiker waren auch damit noch nicht zufrieden gestellt.
Bald erfuhr man, daß von der obersten Collegialbehörde in Kopenhagen weitere
Schritte in dieser Richtung in Anregung gebracht seien. Es gehört hierhin
unter anderm der Vorschlag, den Unterricht in einigen Disciplinen in den vier
Gymnasien des Herzogthums Schleswig lediglich in dänischer Sprache ertheilen


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-17. .Jahrhunderts durch Herausgabe deS Gesetzbuchs Christians V. das jüdische
Low außer Kraft gesetzt war, so wurde doch — es ist in der That fast un¬
glaublich — der Umstand, daß vor Jahrhunderten in Dänemark und Schles¬
wig ein und dasselbe Landrecht gegolten, zur Basis der Forderung gemacht, die
der Jurisprudenz sich widmenden Schleswiger zu verpflichten, auf der kopen¬
hagener Universität, auf welcher eine Professur für schleswigschcs Recht zu er¬
richten beabsichtigt war, ihre Studien zu machen.

Dieser Plan, so wie die Anstellung von Juden und Jnseldänen als Lehrer
der dänischen Sprache in allen Gelehrtenschulen Holsteins und Schleswigs, wurde
im letzten Lebensjahre Christians Viti. mit Vorliebe erörtert, und zu wieder¬
holten Malen wurden sogar amtliche Verhandlungen über diese Gegenstände
gepflogen. Daneben bezeichnete man es als der Erwägung würdig, ob nicht,
wie in Dänemark nach einem Reglement vom Jahre 18is in den untersten
Classen der Gelehrtenschulen die deutsche Sprache statt der lateinischen zum Ge¬
genstande der ersten grammatischen Uebungen vorgeschrieben ist, in den hol¬
steinischen und schleswigschen Gymnasien die dänische Sprache zu gleichem Zwecke
zu benutzen sei.

Ueber den Sinn dieser Vorschläge konnte kein Zweifel obwalten, da der
Landesherr plötzlich, ohne daß die zuständigen Behörden der Herzogtümer ver¬
nommen waren, durch Cabinetsrescript die Verwandlung des haderslebner
Gymnasiums, welches fast drei Jahrhunderte als deutsche Lehranstalt bestanden
hatte, in ein Unterrichtsinstitut mit dänischer Sprache verfügte. Sämmtliche
Stadverordnete Haderslebens kamen sofort um Aufhebung dieser Maßregel ein.
Desgleichen machten die Regierungsbehörden Vorstellungen. Aber wever diese
noch jene fanden Beachtung. Auch der Vorschlag, der erwähnten Gelehrten¬
schule doch mindestens eine solche Einrichtung zu geben, daß die untern Classen
sprachliche Parallclclassen seien und jedem freistehe, zu erklären, ob er den Un¬
terricht in der deutschen oder in der dänischen Sprache haben wolle, wurde an
höchster Stelle zur Gewährung nicht geeignet befunden. Dieser landesherrliche
Act mußte aber um so verletzender erscheinen, als während einer längern
Reihe von Jahren unter mehr als dreißig Abiturienten der haderölebncr
Schule kein einziger die Universität Kopenhagen besucht, alle vielmehr deutsche
Hochschulen bezogen hatten und dem zufolge die Ansicht der Betheiligten über
den Vorzug deutscher oder dänischer Bildung nicht zweifelhaft war.

Die dänischen Fanatiker waren auch damit noch nicht zufrieden gestellt.
Bald erfuhr man, daß von der obersten Collegialbehörde in Kopenhagen weitere
Schritte in dieser Richtung in Anregung gebracht seien. Es gehört hierhin
unter anderm der Vorschlag, den Unterricht in einigen Disciplinen in den vier
Gymnasien des Herzogthums Schleswig lediglich in dänischer Sprache ertheilen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/155>, abgerufen am 23.07.2024.