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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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Vorliebe für das deutsche Element erfolge', endlich auch das Gymnasial- und
Universitätswesen deutsch sei. Zur Würdigung dieser Klagen mag auf einige
Facta und numerische Verhältnisse hingewiesen werden, aus denen theils der
Ungrund dieser Behauptungen, theils die Geduld hervorleuchten wird, mit
welcher die Herzogthümer die systematischen Angriffe einer- fremden Nation aus
ihr Volksthum eine lange Reihe von Jahren ertragen haben.

Ich habe bereits obenerwähnt, daß durch eine Verfügung vom Jahre 18-1-I
den im Königreiche geprüften Kandidaten der Theologie der Zutritt zu geistlichen
Aemtern in den Herzogtümern eröffnet wurde. In gleicher Weise war später,
-18-19, den in Seminarien des Königsreichs gebildeten und eraminirten Semi¬
naristen, verstattet worden, um Schulstellen in Schleswig und Holstein sich zu
bewerben. In welchem Umfange diese Anordnungen benutzt worden sind, um
Predigern und Schullehrern, welche ihrer Geburt oder Bildung nach Dänemark
angehörten, Anstellung in den deutschen Herzogthümern zu verschaffen, mag in
Zahlen dargelegt werden.

In der Propstei Hadersleben, d. h. im östlichen Theile deö gleichnamigen
Amts, sind in den Jahren -1820 bis -18is siebenunddreißig Predigervacanzen
eingetreten. Zu diesen erledigten Aemtern meldeten sich zusammen 732 Sup-
plicanten, von denen 32-1 in den Herzogthümern, in Dänemark ihr
Eramen gemacht hatten. Es wurden von ersten? -12, von letzteren 2S an¬
gestellt.

Die Zahl der Landschulen in diesem Bezirke beträgt L6. An diesen
wurden von -1820 bis -18-is vierundvierzig Lehrerstellen neu besetzt, und von
diesen wiederum vergab man 3!> an Bewerber, die in Dänemark geprüft
waren, ä an sogenannte Autodidakten und uur -i an Seminaristen, die in
Schleswig-Holstein ihre Bildung erhalten und ihre Prüfung bestanden hatten.

Innerhalb der übrigen Theile Schleswigs, in denen das Dänische Kirchen-
und Schulsprache ist, hatten sich die Verhältnisse fast allenthalben in ähnlicher
Weise gestaltet. In dem sogenannten Wcsteramte Hadersleben so wie auf den
Inseln Alsen und Arrve, welche umer dänischer Kirchenhoheit stehen, waren
die in den Herzogthümern geprüften Bewerber fast ganz ausgeschlossen. In
den Propsteien Apcnrade und Tondern, wo meist Gemeindnvahl stattfindet,
und in den vom Herzog von Augustenburg vergebenen Patronatsstellen auf
Alsen dagegen hatte der dänische Einfluß sich nicht so sehr geltend zu machen
vermocht. Bei Besetzung der Schulstellen hatten indeß auch in diesen.Bezirken
die in Dänemark geprüften Seminaristen trotz ihrer mangelhaften Bildung so
oft den Vorzug vor andern davongetragen, daß bei den Schulen mit dänischer
Schulsprache auf acht im Königreiche eraminirte Seminaristen nur ein auf
Seminarien der Herzogthümer gebildeter kam. Ja, was mehr ist, in jenen
fünfundzwanzig Jahren haben über anderthalbhundert dänische Seminaristen


Grcuzboen. l. ILÜ6. - 19

Vorliebe für das deutsche Element erfolge', endlich auch das Gymnasial- und
Universitätswesen deutsch sei. Zur Würdigung dieser Klagen mag auf einige
Facta und numerische Verhältnisse hingewiesen werden, aus denen theils der
Ungrund dieser Behauptungen, theils die Geduld hervorleuchten wird, mit
welcher die Herzogthümer die systematischen Angriffe einer- fremden Nation aus
ihr Volksthum eine lange Reihe von Jahren ertragen haben.

Ich habe bereits obenerwähnt, daß durch eine Verfügung vom Jahre 18-1-I
den im Königreiche geprüften Kandidaten der Theologie der Zutritt zu geistlichen
Aemtern in den Herzogtümern eröffnet wurde. In gleicher Weise war später,
-18-19, den in Seminarien des Königsreichs gebildeten und eraminirten Semi¬
naristen, verstattet worden, um Schulstellen in Schleswig und Holstein sich zu
bewerben. In welchem Umfange diese Anordnungen benutzt worden sind, um
Predigern und Schullehrern, welche ihrer Geburt oder Bildung nach Dänemark
angehörten, Anstellung in den deutschen Herzogthümern zu verschaffen, mag in
Zahlen dargelegt werden.

In der Propstei Hadersleben, d. h. im östlichen Theile deö gleichnamigen
Amts, sind in den Jahren -1820 bis -18is siebenunddreißig Predigervacanzen
eingetreten. Zu diesen erledigten Aemtern meldeten sich zusammen 732 Sup-
plicanten, von denen 32-1 in den Herzogthümern, in Dänemark ihr
Eramen gemacht hatten. Es wurden von ersten? -12, von letzteren 2S an¬
gestellt.

Die Zahl der Landschulen in diesem Bezirke beträgt L6. An diesen
wurden von -1820 bis -18-is vierundvierzig Lehrerstellen neu besetzt, und von
diesen wiederum vergab man 3!> an Bewerber, die in Dänemark geprüft
waren, ä an sogenannte Autodidakten und uur -i an Seminaristen, die in
Schleswig-Holstein ihre Bildung erhalten und ihre Prüfung bestanden hatten.

Innerhalb der übrigen Theile Schleswigs, in denen das Dänische Kirchen-
und Schulsprache ist, hatten sich die Verhältnisse fast allenthalben in ähnlicher
Weise gestaltet. In dem sogenannten Wcsteramte Hadersleben so wie auf den
Inseln Alsen und Arrve, welche umer dänischer Kirchenhoheit stehen, waren
die in den Herzogthümern geprüften Bewerber fast ganz ausgeschlossen. In
den Propsteien Apcnrade und Tondern, wo meist Gemeindnvahl stattfindet,
und in den vom Herzog von Augustenburg vergebenen Patronatsstellen auf
Alsen dagegen hatte der dänische Einfluß sich nicht so sehr geltend zu machen
vermocht. Bei Besetzung der Schulstellen hatten indeß auch in diesen.Bezirken
die in Dänemark geprüften Seminaristen trotz ihrer mangelhaften Bildung so
oft den Vorzug vor andern davongetragen, daß bei den Schulen mit dänischer
Schulsprache auf acht im Königreiche eraminirte Seminaristen nur ein auf
Seminarien der Herzogthümer gebildeter kam. Ja, was mehr ist, in jenen
fünfundzwanzig Jahren haben über anderthalbhundert dänische Seminaristen


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[0153] Vorliebe für das deutsche Element erfolge', endlich auch das Gymnasial- und Universitätswesen deutsch sei. Zur Würdigung dieser Klagen mag auf einige Facta und numerische Verhältnisse hingewiesen werden, aus denen theils der Ungrund dieser Behauptungen, theils die Geduld hervorleuchten wird, mit welcher die Herzogthümer die systematischen Angriffe einer- fremden Nation aus ihr Volksthum eine lange Reihe von Jahren ertragen haben. Ich habe bereits obenerwähnt, daß durch eine Verfügung vom Jahre 18-1-I den im Königreiche geprüften Kandidaten der Theologie der Zutritt zu geistlichen Aemtern in den Herzogtümern eröffnet wurde. In gleicher Weise war später, -18-19, den in Seminarien des Königsreichs gebildeten und eraminirten Semi¬ naristen, verstattet worden, um Schulstellen in Schleswig und Holstein sich zu bewerben. In welchem Umfange diese Anordnungen benutzt worden sind, um Predigern und Schullehrern, welche ihrer Geburt oder Bildung nach Dänemark angehörten, Anstellung in den deutschen Herzogthümern zu verschaffen, mag in Zahlen dargelegt werden. In der Propstei Hadersleben, d. h. im östlichen Theile deö gleichnamigen Amts, sind in den Jahren -1820 bis -18is siebenunddreißig Predigervacanzen eingetreten. Zu diesen erledigten Aemtern meldeten sich zusammen 732 Sup- plicanten, von denen 32-1 in den Herzogthümern, in Dänemark ihr Eramen gemacht hatten. Es wurden von ersten? -12, von letzteren 2S an¬ gestellt. Die Zahl der Landschulen in diesem Bezirke beträgt L6. An diesen wurden von -1820 bis -18-is vierundvierzig Lehrerstellen neu besetzt, und von diesen wiederum vergab man 3!> an Bewerber, die in Dänemark geprüft waren, ä an sogenannte Autodidakten und uur -i an Seminaristen, die in Schleswig-Holstein ihre Bildung erhalten und ihre Prüfung bestanden hatten. Innerhalb der übrigen Theile Schleswigs, in denen das Dänische Kirchen- und Schulsprache ist, hatten sich die Verhältnisse fast allenthalben in ähnlicher Weise gestaltet. In dem sogenannten Wcsteramte Hadersleben so wie auf den Inseln Alsen und Arrve, welche umer dänischer Kirchenhoheit stehen, waren die in den Herzogthümern geprüften Bewerber fast ganz ausgeschlossen. In den Propsteien Apcnrade und Tondern, wo meist Gemeindnvahl stattfindet, und in den vom Herzog von Augustenburg vergebenen Patronatsstellen auf Alsen dagegen hatte der dänische Einfluß sich nicht so sehr geltend zu machen vermocht. Bei Besetzung der Schulstellen hatten indeß auch in diesen.Bezirken die in Dänemark geprüften Seminaristen trotz ihrer mangelhaften Bildung so oft den Vorzug vor andern davongetragen, daß bei den Schulen mit dänischer Schulsprache auf acht im Königreiche eraminirte Seminaristen nur ein auf Seminarien der Herzogthümer gebildeter kam. Ja, was mehr ist, in jenen fünfundzwanzig Jahren haben über anderthalbhundert dänische Seminaristen Grcuzboen. l. ILÜ6. - 19

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/153>, abgerufen am 23.07.2024.