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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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gebracht wissen. Er wollte die deutschen Fürsten mit Einschluß Baierns beim
Einrücken der russischen Heere in Deutschland suspendirt und über die besetzten
Länder eine Centralverwaltung eingesetzt haben. Aus ihrer mißbrauchten
Stellung als "erbliche Präfecten" sollten diese Fürsten in die "achtbare
Stellung eines großen ständischen Rathes der ganzen Nation" zusammentreten.
Er predigte dem Grafen Münster die "Einheit als sein Evangelium", damit
Deutschland zwischen Nußland und Frankreich stark und machtvoll sei. Gleichviel
ob Oestreich oder Preußen zum Herrn von Deutschland gemacht werde: jedes von
beiden sei gut, wenn es ausführbar sei. Aber keins von beiden war aus¬
führbar. Die deutschen Staaten wollten sich nicht unterwersen: es war in
Teplitz beschlossen worden, ihre Unabhängigkeit zu erhalten. Gegen Steins
Plan wäre ganz Europa aufgestanden zu einem neuen dreißigjährigen Kriege.

Stein griff nun nach einem "Auskunftsmittel und einem Uebergang":
er faßte den Plan einer Theilung Deutschlands zwischen Oestreich und Preußen.
Aber sowol Hannover als Baiern waren zu mächtig, als daß man sie ein¬
ziehen konnte und Metternich erklärte im October 1814, sein Kaiser wolle
Deutschland nicht in Nord und Süd getheilt, sondern den Bund in vollkom¬
mener Einheit. Metternich wollte diesen Bund thatsächlich allein teilen. In¬
zwischen war in Chaumont festgesetzt worden, Deutschland solle eine Bundes¬
verfassung erhalten. Stein einigte sich nun mit Hardenberg über einen drei-
theiligen Bund. Oestreich sollte in denselben nur mit seinen vordersten
deutschen Landen, selbst ohne das Erzherzogthum; Preußen nur mit seinem
Gebiet diesseits der Elbe eintrete". Beide Mächte sollten aber mit dem deut¬
schen Bunde ein unauflösliches Bündniß schließen und dessen Unverletzlichkeit
und Verfassung gewährleisten. Es sollte ein strenger Bundesstaat mit Ver¬
tretung, mit Gewähr der Landesverfassung, mit freisinnigen Grundrechten ge-
Ichaffen werden, ein Bunveöstaat, dem die eingetretenen Theile der Großstaaten
unbedingt eingefügt waren. Oestreich sollte im Bunde den Vorsitz, Preußen
das Direktorium, die Geschästsleitung erhalten. Aber Metternich wollte nicht
den dualistisch getheilten Vorsitz, die Gleichstellung Oestreichs und Preußens.
Er wollte ferner mit allen ehemals deutschen Staaten Oestreichs in den Bund
treten. Im Fünferausschuß, wo der Plan vorgelegt wurde, erklärten sich
Würtemberg und Bayern gegen jede Bunbesbestimmuugl, welche den Einzel¬
staaten irgendeine innere Beschränkung auflegte. Der Konig von Würtemberg
erklärte, die wiener Verhandlungen dürften keinerlei Einfluß auf das Verhältniß
zwischen Fürst und Unterthan haben, keine Schmälerung oder Einschränkung
seiner vertragsmäßig anerkannten Souveränetätsrechte bezwecken. Er dachte
sich den Bund als eine Allianz nach außen, vie mit dem Innern der Staaten
nichts zu thun habe. Die Bestimmung eines Minimums landständischer Rechte,
die Einrichtung eines beständigen Bundesgerichts bestritten Würtemberg sowol


gebracht wissen. Er wollte die deutschen Fürsten mit Einschluß Baierns beim
Einrücken der russischen Heere in Deutschland suspendirt und über die besetzten
Länder eine Centralverwaltung eingesetzt haben. Aus ihrer mißbrauchten
Stellung als „erbliche Präfecten" sollten diese Fürsten in die „achtbare
Stellung eines großen ständischen Rathes der ganzen Nation" zusammentreten.
Er predigte dem Grafen Münster die „Einheit als sein Evangelium", damit
Deutschland zwischen Nußland und Frankreich stark und machtvoll sei. Gleichviel
ob Oestreich oder Preußen zum Herrn von Deutschland gemacht werde: jedes von
beiden sei gut, wenn es ausführbar sei. Aber keins von beiden war aus¬
führbar. Die deutschen Staaten wollten sich nicht unterwersen: es war in
Teplitz beschlossen worden, ihre Unabhängigkeit zu erhalten. Gegen Steins
Plan wäre ganz Europa aufgestanden zu einem neuen dreißigjährigen Kriege.

Stein griff nun nach einem „Auskunftsmittel und einem Uebergang":
er faßte den Plan einer Theilung Deutschlands zwischen Oestreich und Preußen.
Aber sowol Hannover als Baiern waren zu mächtig, als daß man sie ein¬
ziehen konnte und Metternich erklärte im October 1814, sein Kaiser wolle
Deutschland nicht in Nord und Süd getheilt, sondern den Bund in vollkom¬
mener Einheit. Metternich wollte diesen Bund thatsächlich allein teilen. In¬
zwischen war in Chaumont festgesetzt worden, Deutschland solle eine Bundes¬
verfassung erhalten. Stein einigte sich nun mit Hardenberg über einen drei-
theiligen Bund. Oestreich sollte in denselben nur mit seinen vordersten
deutschen Landen, selbst ohne das Erzherzogthum; Preußen nur mit seinem
Gebiet diesseits der Elbe eintrete». Beide Mächte sollten aber mit dem deut¬
schen Bunde ein unauflösliches Bündniß schließen und dessen Unverletzlichkeit
und Verfassung gewährleisten. Es sollte ein strenger Bundesstaat mit Ver¬
tretung, mit Gewähr der Landesverfassung, mit freisinnigen Grundrechten ge-
Ichaffen werden, ein Bunveöstaat, dem die eingetretenen Theile der Großstaaten
unbedingt eingefügt waren. Oestreich sollte im Bunde den Vorsitz, Preußen
das Direktorium, die Geschästsleitung erhalten. Aber Metternich wollte nicht
den dualistisch getheilten Vorsitz, die Gleichstellung Oestreichs und Preußens.
Er wollte ferner mit allen ehemals deutschen Staaten Oestreichs in den Bund
treten. Im Fünferausschuß, wo der Plan vorgelegt wurde, erklärten sich
Würtemberg und Bayern gegen jede Bunbesbestimmuugl, welche den Einzel¬
staaten irgendeine innere Beschränkung auflegte. Der Konig von Würtemberg
erklärte, die wiener Verhandlungen dürften keinerlei Einfluß auf das Verhältniß
zwischen Fürst und Unterthan haben, keine Schmälerung oder Einschränkung
seiner vertragsmäßig anerkannten Souveränetätsrechte bezwecken. Er dachte
sich den Bund als eine Allianz nach außen, vie mit dem Innern der Staaten
nichts zu thun habe. Die Bestimmung eines Minimums landständischer Rechte,
die Einrichtung eines beständigen Bundesgerichts bestritten Würtemberg sowol


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/79>, abgerufen am 22.07.2024.