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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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verlieren, und infolge dessen eine Deplacirung der Stärkenverhältnisse vor
sich gehen wird, vermöge welcher letztlich die numerische und namentlich mora¬
lische Ueberlegenheit sich auf die Seite der seitherigen Mindermacht neigen,
und dieselbe eben dadurch in den Stand setzen wird, aus der Defensive, die
sie bis dahin innegehalten, zur Offensive überzugehen, oder mit anderen
Worten, den Angreifenden, nachdem er seine Kräfte resultatlos abgenutzt, in die
Situation der Vertheidigung zurückzuwerfen.

Terrains, in welchen die Minderzahl ein Gefecht in der Hoffnung auf
einen derartigen Umschlag in dem Gleichgewicht der Kräfte anzunehmen im Stande
ist, finden sich durchaus nicht selten. Man erinnert sich wol des Ausspruchs
von Friedrich dem Großen, wonach man auf dem Raume von wenigen Q-uadrat-
meilen zuweilen hundert Positionen für eine Division oder eine Armee auf¬
zufinden vermöge. Unter einer so großen Zahl von Stellungen wird selbstredend
eine bedeutende Verschiedenheit in Hinsicht auf die Stärke, oder die Nutzbarkeit
zu den Zwecken der Vertheidigung, stattfinden. Aber darin werden alle einan¬
der ähneln, daß die Kunst im Stande ist, sie zu verbessern.

Man begreift diese Verbesserungen des Terrains zu Gunsten einer Min¬
dermacht, welche sich auf demselben gegen eine angreifende Uebermacht ver¬
theidigen will, unter dem Namen der Feldbefestigungen, und zwar hat man
bei demselben zwei Hauptgesichtspunkte im Auge: einmal den, die taktische Be¬
wegung deö Gegners zu erschweren, und die unsrige zu erleichtern, -- und
sodann, sein Feuer für unsre Truppen so unschädlich wie möglich, dagegen das
unsrige um so wirksamer zu machen. Ersterer Gesichtspunkt führt auf Be-
wegungshindenusse für den Feind und auf Communicationen für uns -- der
andere auf Deckungen und Feuerpositionen hin. ^.

Ich will hier zunächst einige Worte den Bewegungshindernissen widmen.

Wie jedermann weiß, können Fußgänger, Reiter und Geschütze auf der
ebenen Fläche sich am leichtesten und schnellsten bewegen. Je schräger die
Fläche ist, oder jemehr sie sich böscht, desto schwieriger und langsamer werden
sämmtliche Waffen auf ihr vorzuschreiten vermögen. Diese Bewegungsfähigkeit
hört für Cavalerie und Artillerie am frühesten auf; Infanterie vermag, in
zerstreuter Ordnung, noch eine um 40 Grad geböschte Fläche hineinzusteigen;
mit 45 Grad hört alle Bewegung durch Bewaffnete auf. Die Feldbefestigungs¬
kunst wird daher unter dem Gesichtspunkt der Annäherungsverhindcrnng des
Feindes es als ihre Hauptaufgabe zu erkennen haben, demselben Flächen oder
Böschungen von />ii Grad Neigung und darüber in den Weg zu legen. Die¬
sen Zweck erreicht sie im bergigen Terrain meistens dadurch, daß sie den flachen
Abhängen durch Abstechen (Escarpiren) die nothwendige Steilheit ertheilt, und
in der Ebene durch Aushebung von Gräben. Die letzteren sind insofern wirk¬
samere Hindernisse als die einfachen Abstechungen (Eöcarpirungen) weil sie


verlieren, und infolge dessen eine Deplacirung der Stärkenverhältnisse vor
sich gehen wird, vermöge welcher letztlich die numerische und namentlich mora¬
lische Ueberlegenheit sich auf die Seite der seitherigen Mindermacht neigen,
und dieselbe eben dadurch in den Stand setzen wird, aus der Defensive, die
sie bis dahin innegehalten, zur Offensive überzugehen, oder mit anderen
Worten, den Angreifenden, nachdem er seine Kräfte resultatlos abgenutzt, in die
Situation der Vertheidigung zurückzuwerfen.

Terrains, in welchen die Minderzahl ein Gefecht in der Hoffnung auf
einen derartigen Umschlag in dem Gleichgewicht der Kräfte anzunehmen im Stande
ist, finden sich durchaus nicht selten. Man erinnert sich wol des Ausspruchs
von Friedrich dem Großen, wonach man auf dem Raume von wenigen Q-uadrat-
meilen zuweilen hundert Positionen für eine Division oder eine Armee auf¬
zufinden vermöge. Unter einer so großen Zahl von Stellungen wird selbstredend
eine bedeutende Verschiedenheit in Hinsicht auf die Stärke, oder die Nutzbarkeit
zu den Zwecken der Vertheidigung, stattfinden. Aber darin werden alle einan¬
der ähneln, daß die Kunst im Stande ist, sie zu verbessern.

Man begreift diese Verbesserungen des Terrains zu Gunsten einer Min¬
dermacht, welche sich auf demselben gegen eine angreifende Uebermacht ver¬
theidigen will, unter dem Namen der Feldbefestigungen, und zwar hat man
bei demselben zwei Hauptgesichtspunkte im Auge: einmal den, die taktische Be¬
wegung deö Gegners zu erschweren, und die unsrige zu erleichtern, — und
sodann, sein Feuer für unsre Truppen so unschädlich wie möglich, dagegen das
unsrige um so wirksamer zu machen. Ersterer Gesichtspunkt führt auf Be-
wegungshindenusse für den Feind und auf Communicationen für uns — der
andere auf Deckungen und Feuerpositionen hin. ^.

Ich will hier zunächst einige Worte den Bewegungshindernissen widmen.

Wie jedermann weiß, können Fußgänger, Reiter und Geschütze auf der
ebenen Fläche sich am leichtesten und schnellsten bewegen. Je schräger die
Fläche ist, oder jemehr sie sich böscht, desto schwieriger und langsamer werden
sämmtliche Waffen auf ihr vorzuschreiten vermögen. Diese Bewegungsfähigkeit
hört für Cavalerie und Artillerie am frühesten auf; Infanterie vermag, in
zerstreuter Ordnung, noch eine um 40 Grad geböschte Fläche hineinzusteigen;
mit 45 Grad hört alle Bewegung durch Bewaffnete auf. Die Feldbefestigungs¬
kunst wird daher unter dem Gesichtspunkt der Annäherungsverhindcrnng des
Feindes es als ihre Hauptaufgabe zu erkennen haben, demselben Flächen oder
Böschungen von />ii Grad Neigung und darüber in den Weg zu legen. Die¬
sen Zweck erreicht sie im bergigen Terrain meistens dadurch, daß sie den flachen
Abhängen durch Abstechen (Escarpiren) die nothwendige Steilheit ertheilt, und
in der Ebene durch Aushebung von Gräben. Die letzteren sind insofern wirk¬
samere Hindernisse als die einfachen Abstechungen (Eöcarpirungen) weil sie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/62>, abgerufen am 22.07.2024.