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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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furt eine Commission zusammentreten, um die Grundsätze festzustellen, nach
welchen sie gemeinschaftlich ein Concordat mit Nom abschließen wollten. Bei
dieser Feststellung beabsichtigte man nicht nur die Rechte deS Staates gegen^
die Kirche, sondern auch die Rechte der deutschen Kirche und Bischöfe gegen
den römischen Stuhl nach den Grundsätzen der neuern freisinnigen katholischen
Kanonisten geltend zu machen und eine größere Unabhängigkeit der deutschen
Kirche von Nom, mit derselben aber zugleich die Möglichkeit einer liberalen
wissenschaftlichen Ausbildung des Klerus zu begründen, Der wichtigste Artikel
dieser sogenannten Kirchenpragmatik, von der Wahl der Bischöfe, lautete dahin,
daß ein Wahlcollegium aus den Domcapitularen und ebensovielen Landdiakonen
der Diöces bestehend, drei Candidaten wählen und der Landesherr aus den¬
selben den Bischof ernennen solle, dabei aber auch vor der Wahl die exLlusivairr
ertheilen und auch nachher die Wahl recusiren und eine neue Wahl veran¬
lassen könne. Dieser Schritt ging offenbar dahin, die Kirche dem Staate
unterwürfig zu machen, was dem Streben unsrer Zeit zuwiderlies und der
Erklärung des Papstes wider die Kirchenpragmatik ein solches Gewicht gab, daß
deswegen der nachfolgende Abschluß des Concordates mit Nom zu Gunsten des
letztern ausfiel. Georg Hermes, Professor der Theologie in Münster, dann in
Bonn, l'183-I, ging darauf aus, der katholischen Dogmatik eine festere philo¬
sophische Grundlage zu geben und fand damit allgemeinen Beifall; aber indem
er den Zweifel für das Princip der christlichen Religionswissenschaft erklärte,
gab er dem Papste Gregor XVl. die Gelegenheit in die Hand, in dem Breve
"um ULLrblssima!- vom 26. September 1836 nicht nur seine Philosophie,
sondern überall den Einfluß nationaler Wissenschaft auf die katholische Glaubens¬
lehre zu verdammen.

Unter diesen Umständen allein war es möglich, daß eine ultramontane
Partei in Deutschland zu Einfluß gelangen konnte. Einen ultramontanen
Charakter hatte das Concordat, welches Baiern den ü. Juni 18-17 mit Nom
abschloß, indem der erste Artikel desselben verhieß, daß die katholische Religion
in Baiern geschützt werden solle, mit den Rechten und Prärogativen, welche ihr
nach göttlicher Anordnung und nach den kanonischen Bestimmungen zukämen, und
der siebente Artikel versprach, mehre Klöster sür beiderlei Geschlecht, theils zum
Jugendunterricht, theils zur Krankenpflege, theils zur Unterstützung der Pfarrer
wiederherzustellen. Seit der Thronbesteigung des Königs von Baiern Ludwig I. im
Jahre -1823 wurde in Baiern die streng katholische Partei sehr begünstigt. Die
Negierung ging daraus aus, den Unterricht in vie Hände von Geistlichen zu
dringen; das religiöse Schaugepränge, geistliche Umzüge, geistliche Schauspiele,
wurden wieder hergestellt. Schon im Jahre 183-1 war die Zahl der neu er¬
richteten Klöster bis auf-i2 gestiegen und man gründete namentlich Benedictiner-
klöster, um denselben den Unterricht in den Gymnasien zu überweisen. Das


furt eine Commission zusammentreten, um die Grundsätze festzustellen, nach
welchen sie gemeinschaftlich ein Concordat mit Nom abschließen wollten. Bei
dieser Feststellung beabsichtigte man nicht nur die Rechte deS Staates gegen^
die Kirche, sondern auch die Rechte der deutschen Kirche und Bischöfe gegen
den römischen Stuhl nach den Grundsätzen der neuern freisinnigen katholischen
Kanonisten geltend zu machen und eine größere Unabhängigkeit der deutschen
Kirche von Nom, mit derselben aber zugleich die Möglichkeit einer liberalen
wissenschaftlichen Ausbildung des Klerus zu begründen, Der wichtigste Artikel
dieser sogenannten Kirchenpragmatik, von der Wahl der Bischöfe, lautete dahin,
daß ein Wahlcollegium aus den Domcapitularen und ebensovielen Landdiakonen
der Diöces bestehend, drei Candidaten wählen und der Landesherr aus den¬
selben den Bischof ernennen solle, dabei aber auch vor der Wahl die exLlusivairr
ertheilen und auch nachher die Wahl recusiren und eine neue Wahl veran¬
lassen könne. Dieser Schritt ging offenbar dahin, die Kirche dem Staate
unterwürfig zu machen, was dem Streben unsrer Zeit zuwiderlies und der
Erklärung des Papstes wider die Kirchenpragmatik ein solches Gewicht gab, daß
deswegen der nachfolgende Abschluß des Concordates mit Nom zu Gunsten des
letztern ausfiel. Georg Hermes, Professor der Theologie in Münster, dann in
Bonn, l'183-I, ging darauf aus, der katholischen Dogmatik eine festere philo¬
sophische Grundlage zu geben und fand damit allgemeinen Beifall; aber indem
er den Zweifel für das Princip der christlichen Religionswissenschaft erklärte,
gab er dem Papste Gregor XVl. die Gelegenheit in die Hand, in dem Breve
»um ULLrblssima!- vom 26. September 1836 nicht nur seine Philosophie,
sondern überall den Einfluß nationaler Wissenschaft auf die katholische Glaubens¬
lehre zu verdammen.

Unter diesen Umständen allein war es möglich, daß eine ultramontane
Partei in Deutschland zu Einfluß gelangen konnte. Einen ultramontanen
Charakter hatte das Concordat, welches Baiern den ü. Juni 18-17 mit Nom
abschloß, indem der erste Artikel desselben verhieß, daß die katholische Religion
in Baiern geschützt werden solle, mit den Rechten und Prärogativen, welche ihr
nach göttlicher Anordnung und nach den kanonischen Bestimmungen zukämen, und
der siebente Artikel versprach, mehre Klöster sür beiderlei Geschlecht, theils zum
Jugendunterricht, theils zur Krankenpflege, theils zur Unterstützung der Pfarrer
wiederherzustellen. Seit der Thronbesteigung des Königs von Baiern Ludwig I. im
Jahre -1823 wurde in Baiern die streng katholische Partei sehr begünstigt. Die
Negierung ging daraus aus, den Unterricht in vie Hände von Geistlichen zu
dringen; das religiöse Schaugepränge, geistliche Umzüge, geistliche Schauspiele,
wurden wieder hergestellt. Schon im Jahre 183-1 war die Zahl der neu er¬
richteten Klöster bis auf-i2 gestiegen und man gründete namentlich Benedictiner-
klöster, um denselben den Unterricht in den Gymnasien zu überweisen. Das


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/58>, abgerufen am 04.07.2024.