Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Schößling schoß in den neuen Templern aus. Schon seit dem Anfange des
18. Jahrhunderts halte sich in Paris eine geheime Gesellschaft gebildet, welche
eine Fortsetzung des Templerordens zu sein behauptete. In dieser Gesellschaft
bildete sich eine nach den Ideen des -18. Jahrhunderts gemodelte Vernunft-
religion aus, von welcher anch die Schriften durchdrungen sind, welche als die
Grundlagen der Eigenthümlichkeiten der Gesellschaft zu betrachten sind, daS
Levitikon, das Ritualbuch der Gesellschaft, und ein interpolirtes Evangelium
des Johannes. DaS Glaubensbekenntniß, welches in dein Levitikon enthalten
ist, zeigt ein Gemisch von Pantheismus und Naturalismus. Die neue"
Templer traten im Jahre "83-1 aus ihrer Dunkelheit hervor und behaupteten,
in ihrer Gesellschaft das reine Christenthum zu besitze", welches durch den
Apostel Johannes und die von demselben abstammenden Johanneschristen er¬
halten, im -13. Jahrhunderte von den Tempelherren im Oriente angenommen
worden sei und sich in dieser Verbindung bis auf den heutigen Tag erhalten
habe. Ein ähnliches Product ist die l!.FliLö l^tlroliciue l^nymse des Ubbo
Ferdinand Francois Chatel, die aber diesen Namen nicht verdient, sondern
eher ein Napoleonscult heißen sollte. Chatel eröffnete im August 1830 einen
Bersaal in seiner Wohnung, und veröffentlichte -1832 eine ?rot<zssic>u no loi,
worin er die positiven Lehren der katholischen Kirche festzuhalten schien, wendete
sich aber immer enger den Theophilantropen der Revolution zu und ließ seinen
Cult in dem Napoleonöfeste am -!!>. August eulminiren. Bei dieser Lage der
Sache fehlt es annoch in Frankreich an Elementen, woraus sich ein positives
französisches Kirchenthum entwickeln könnte.

Für Deutschland setzt der -16. Artikel der deutschen Bundesacte vom
Jahre -18-In, invem er den Unterschied in politischen und bürgerlichen Rechten
Zwischen den kirchlichen Confessionen aufhebt, eine endlich herzustellende deutsche
Nationalkirche, und gleich der protestantischen Geistlichkeit hegte auch die über¬
wiegende Mehrzahl der katholischen eine nationale Gesinnung, welche durch die
von Benedict Maria Werkmeister, Oberkirchenrath in Stuttgart, von -1806
bis ->823 herausgegebene Jahresschrift für Theologie und Kirchenrecht der
^"tholiken und durch die (von Johann Anton Theiner, Professor in Breslau)
"erfaßte Schilf,: Die katholische Kirche Schlesiens, unterhalten und gefördert
wurde. Diese nationale Tendenz des katholischen Kirchenthums sollte durch
die änrchenpragmaiik der Staaten der oberrheinischen Kirchenprovinz und durch
dle Philosophisch,. Behandlung der katholischen Religionswissenschaft von
Hermes weiter gefördert werden, es wurden aber dabei solche Mißgriffe begangen,
daß der für die Gestaltung einer deutschen Nation maßgebende Endzweck nicht
nur nicht erreicht, sondern das Gegentheil davon herbeigeführt wurde. Die
Staaten der oberrheinischen Kirchenprovinz Würtemberg, Baden, die beiden
Hessen, Nassau und die hanseatischen Städte ließen im Jahre -18-18 in Frcmk-


jbotc". 111. 7

Schößling schoß in den neuen Templern aus. Schon seit dem Anfange des
18. Jahrhunderts halte sich in Paris eine geheime Gesellschaft gebildet, welche
eine Fortsetzung des Templerordens zu sein behauptete. In dieser Gesellschaft
bildete sich eine nach den Ideen des -18. Jahrhunderts gemodelte Vernunft-
religion aus, von welcher anch die Schriften durchdrungen sind, welche als die
Grundlagen der Eigenthümlichkeiten der Gesellschaft zu betrachten sind, daS
Levitikon, das Ritualbuch der Gesellschaft, und ein interpolirtes Evangelium
des Johannes. DaS Glaubensbekenntniß, welches in dein Levitikon enthalten
ist, zeigt ein Gemisch von Pantheismus und Naturalismus. Die neue»
Templer traten im Jahre »83-1 aus ihrer Dunkelheit hervor und behaupteten,
in ihrer Gesellschaft das reine Christenthum zu besitze», welches durch den
Apostel Johannes und die von demselben abstammenden Johanneschristen er¬
halten, im -13. Jahrhunderte von den Tempelherren im Oriente angenommen
worden sei und sich in dieser Verbindung bis auf den heutigen Tag erhalten
habe. Ein ähnliches Product ist die l!.FliLö l^tlroliciue l^nymse des Ubbo
Ferdinand Francois Chatel, die aber diesen Namen nicht verdient, sondern
eher ein Napoleonscult heißen sollte. Chatel eröffnete im August 1830 einen
Bersaal in seiner Wohnung, und veröffentlichte -1832 eine ?rot<zssic>u no loi,
worin er die positiven Lehren der katholischen Kirche festzuhalten schien, wendete
sich aber immer enger den Theophilantropen der Revolution zu und ließ seinen
Cult in dem Napoleonöfeste am -!!>. August eulminiren. Bei dieser Lage der
Sache fehlt es annoch in Frankreich an Elementen, woraus sich ein positives
französisches Kirchenthum entwickeln könnte.

Für Deutschland setzt der -16. Artikel der deutschen Bundesacte vom
Jahre -18-In, invem er den Unterschied in politischen und bürgerlichen Rechten
Zwischen den kirchlichen Confessionen aufhebt, eine endlich herzustellende deutsche
Nationalkirche, und gleich der protestantischen Geistlichkeit hegte auch die über¬
wiegende Mehrzahl der katholischen eine nationale Gesinnung, welche durch die
von Benedict Maria Werkmeister, Oberkirchenrath in Stuttgart, von -1806
bis ->823 herausgegebene Jahresschrift für Theologie und Kirchenrecht der
^"tholiken und durch die (von Johann Anton Theiner, Professor in Breslau)
"erfaßte Schilf,: Die katholische Kirche Schlesiens, unterhalten und gefördert
wurde. Diese nationale Tendenz des katholischen Kirchenthums sollte durch
die änrchenpragmaiik der Staaten der oberrheinischen Kirchenprovinz und durch
dle Philosophisch,. Behandlung der katholischen Religionswissenschaft von
Hermes weiter gefördert werden, es wurden aber dabei solche Mißgriffe begangen,
daß der für die Gestaltung einer deutschen Nation maßgebende Endzweck nicht
nur nicht erreicht, sondern das Gegentheil davon herbeigeführt wurde. Die
Staaten der oberrheinischen Kirchenprovinz Würtemberg, Baden, die beiden
Hessen, Nassau und die hanseatischen Städte ließen im Jahre -18-18 in Frcmk-


jbotc». 111. 7
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0057" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/99977"/>
          <p xml:id="ID_134" prev="#ID_133"> Schößling schoß in den neuen Templern aus.  Schon seit dem Anfange des<lb/>
18. Jahrhunderts halte sich in Paris eine geheime Gesellschaft gebildet, welche<lb/>
eine Fortsetzung des Templerordens zu sein behauptete. In dieser Gesellschaft<lb/>
bildete sich eine nach den Ideen des -18. Jahrhunderts gemodelte Vernunft-<lb/>
religion aus, von welcher anch die Schriften durchdrungen sind, welche als die<lb/>
Grundlagen der Eigenthümlichkeiten der Gesellschaft zu betrachten sind, daS<lb/>
Levitikon, das Ritualbuch der Gesellschaft, und ein interpolirtes Evangelium<lb/>
des Johannes.  DaS Glaubensbekenntniß, welches in dein Levitikon enthalten<lb/>
ist, zeigt ein Gemisch von Pantheismus und Naturalismus.  Die neue»<lb/>
Templer traten im Jahre »83-1 aus ihrer Dunkelheit hervor und behaupteten,<lb/>
in ihrer Gesellschaft das reine Christenthum zu besitze», welches durch den<lb/>
Apostel Johannes und die von demselben abstammenden Johanneschristen er¬<lb/>
halten, im -13. Jahrhunderte von den Tempelherren im Oriente angenommen<lb/>
worden sei und sich in dieser Verbindung bis auf den heutigen Tag erhalten<lb/>
habe.  Ein ähnliches Product ist die l!.FliLö l^tlroliciue l^nymse des Ubbo<lb/>
Ferdinand Francois Chatel, die aber diesen Namen nicht verdient, sondern<lb/>
eher ein Napoleonscult heißen sollte.  Chatel eröffnete im August 1830 einen<lb/>
Bersaal in seiner Wohnung, und veröffentlichte -1832 eine ?rot&lt;zssic&gt;u no loi,<lb/>
worin er die positiven Lehren der katholischen Kirche festzuhalten schien, wendete<lb/>
sich aber immer enger den Theophilantropen der Revolution zu und ließ seinen<lb/>
Cult in dem Napoleonöfeste am -!!&gt;. August eulminiren.  Bei dieser Lage der<lb/>
Sache fehlt es annoch in Frankreich an Elementen, woraus sich ein positives<lb/>
französisches Kirchenthum entwickeln könnte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_135" next="#ID_136"> Für Deutschland setzt der -16. Artikel der deutschen Bundesacte vom<lb/>
Jahre -18-In, invem er den Unterschied in politischen und bürgerlichen Rechten<lb/>
Zwischen den kirchlichen Confessionen aufhebt, eine endlich herzustellende deutsche<lb/>
Nationalkirche, und gleich der protestantischen Geistlichkeit hegte auch die über¬<lb/>
wiegende Mehrzahl der katholischen eine nationale Gesinnung, welche durch die<lb/>
von Benedict Maria Werkmeister, Oberkirchenrath in Stuttgart, von -1806<lb/>
bis -&gt;823 herausgegebene Jahresschrift für Theologie und Kirchenrecht der<lb/>
^"tholiken und durch die (von Johann Anton Theiner, Professor in Breslau)<lb/>
"erfaßte Schilf,: Die katholische Kirche Schlesiens, unterhalten und gefördert<lb/>
wurde. Diese nationale Tendenz des katholischen Kirchenthums sollte durch<lb/>
die änrchenpragmaiik der Staaten der oberrheinischen Kirchenprovinz und durch<lb/>
dle Philosophisch,. Behandlung der katholischen Religionswissenschaft von<lb/>
Hermes weiter gefördert werden, es wurden aber dabei solche Mißgriffe begangen,<lb/>
daß der für die Gestaltung einer deutschen Nation maßgebende Endzweck nicht<lb/>
nur nicht erreicht, sondern das Gegentheil davon herbeigeführt wurde. Die<lb/>
Staaten der oberrheinischen Kirchenprovinz Würtemberg, Baden, die beiden<lb/>
Hessen, Nassau und die hanseatischen Städte ließen im Jahre -18-18 in Frcmk-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> jbotc». 111. 7</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0057] Schößling schoß in den neuen Templern aus. Schon seit dem Anfange des 18. Jahrhunderts halte sich in Paris eine geheime Gesellschaft gebildet, welche eine Fortsetzung des Templerordens zu sein behauptete. In dieser Gesellschaft bildete sich eine nach den Ideen des -18. Jahrhunderts gemodelte Vernunft- religion aus, von welcher anch die Schriften durchdrungen sind, welche als die Grundlagen der Eigenthümlichkeiten der Gesellschaft zu betrachten sind, daS Levitikon, das Ritualbuch der Gesellschaft, und ein interpolirtes Evangelium des Johannes. DaS Glaubensbekenntniß, welches in dein Levitikon enthalten ist, zeigt ein Gemisch von Pantheismus und Naturalismus. Die neue» Templer traten im Jahre »83-1 aus ihrer Dunkelheit hervor und behaupteten, in ihrer Gesellschaft das reine Christenthum zu besitze», welches durch den Apostel Johannes und die von demselben abstammenden Johanneschristen er¬ halten, im -13. Jahrhunderte von den Tempelherren im Oriente angenommen worden sei und sich in dieser Verbindung bis auf den heutigen Tag erhalten habe. Ein ähnliches Product ist die l!.FliLö l^tlroliciue l^nymse des Ubbo Ferdinand Francois Chatel, die aber diesen Namen nicht verdient, sondern eher ein Napoleonscult heißen sollte. Chatel eröffnete im August 1830 einen Bersaal in seiner Wohnung, und veröffentlichte -1832 eine ?rot<zssic>u no loi, worin er die positiven Lehren der katholischen Kirche festzuhalten schien, wendete sich aber immer enger den Theophilantropen der Revolution zu und ließ seinen Cult in dem Napoleonöfeste am -!!>. August eulminiren. Bei dieser Lage der Sache fehlt es annoch in Frankreich an Elementen, woraus sich ein positives französisches Kirchenthum entwickeln könnte. Für Deutschland setzt der -16. Artikel der deutschen Bundesacte vom Jahre -18-In, invem er den Unterschied in politischen und bürgerlichen Rechten Zwischen den kirchlichen Confessionen aufhebt, eine endlich herzustellende deutsche Nationalkirche, und gleich der protestantischen Geistlichkeit hegte auch die über¬ wiegende Mehrzahl der katholischen eine nationale Gesinnung, welche durch die von Benedict Maria Werkmeister, Oberkirchenrath in Stuttgart, von -1806 bis ->823 herausgegebene Jahresschrift für Theologie und Kirchenrecht der ^"tholiken und durch die (von Johann Anton Theiner, Professor in Breslau) "erfaßte Schilf,: Die katholische Kirche Schlesiens, unterhalten und gefördert wurde. Diese nationale Tendenz des katholischen Kirchenthums sollte durch die änrchenpragmaiik der Staaten der oberrheinischen Kirchenprovinz und durch dle Philosophisch,. Behandlung der katholischen Religionswissenschaft von Hermes weiter gefördert werden, es wurden aber dabei solche Mißgriffe begangen, daß der für die Gestaltung einer deutschen Nation maßgebende Endzweck nicht nur nicht erreicht, sondern das Gegentheil davon herbeigeführt wurde. Die Staaten der oberrheinischen Kirchenprovinz Würtemberg, Baden, die beiden Hessen, Nassau und die hanseatischen Städte ließen im Jahre -18-18 in Frcmk- jbotc». 111. 7

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/57
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/57>, abgerufen am 22.12.2024.