Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

testantischen Lehrer bei denselben aller Stellen. Ueberall erhoben sich wieder
Klöster, besonders Frauenkloster, in großer Menge, ungeachtet das Gesetz,
durch welches alle geistlichen Orden aufgehoben waren, nicht zurückgenommen
wurde. Selbst die Trappisten kehrten zurück, kauften im October 181!5 die
Abtei la Trappe in der Normandie wieder an sich, und vermehrten sich so zahl¬
reich, daß nach und nach 16 Klöster für Trappisten und Trappistinnen ent¬
standen. Besonders zeigte sich der Geist der herrschenden Partei in dem neuen,
1817 mit dem Papste abgeschlossenen Concordate, in welchem das Concordat
von 1801 und die organischen Artikel von 1802 aufgehoben, und dagegen das
Concordat von 1316 wieder hergestellt wurde. Die Bisthümer, welche 1801
aufgehoben waren, sollten wieder errichtet, also die Zahl der bisherigen 60 auf
92 vermehrt werden, und der französische Klerus statt der Besoldung, welche
er jetzt vom Staate bezog, liegende Gründe und Renten erhalten wie vorher.
Gegen dieses Concordat erhob sich aber die liberale Partei, welche schon so
vielfach gereizt worden war, mit dem größten Ungestüm, und deshalb wurde
dasselbe den Kammern gar nicht vorgelegt. Jedoch wurden 1822 die Bezirke
der Bisthümer so geordnet, daß sie größtentheils mit den Departements zu¬
sammenfielen, so daß infolge davon die Zahl aller erzbischöflichen und bischöf¬
lichen Kirchen auf 80 erhöhet wurde. Die herrschende aristokratisch-kirchliche
Partei betrachtete aber nicht nur die durch die Revolution begründeten Frei¬
heiten, sondern alle Freiheiten, auch die der gallicanischen Kirche, welche von
dem alten französischen Klerus mit so großem Eifer vertheidigt worden waren,
mit Abscheu. Die vorzüglichsten Verfechter des ultramontanischen oder, wie
seine Anhänger es nannten, des theokratischen Systems waren der Vicomte de
Bonald, der sardinische Graf und Staatsminister Joseph de Maistre (1-1821 in
Turin) und vorzüglich der Abb" de la Mennais. Der Gras de Maistre suchte
in den Schriften Du ?app (1819) und l'vKlisv KMioans (1821) besonders
vom politischen Standpunkte aus den Ultramontanismus als die festeste Stütze
der Staaten zu empfehlen. Nach de la Mennais sind die Völker, nachdem
die Fürsten sich der päpstlichen Gewalt zu widersetzen angefangen haben und
das päpstliche Recht nicht anerkennen, die Unterthanen vom Gehorsam gegen
ihre Fürsten zu entbinden, wenn dieselben vom göttlichen Gesetz abgewichen
seien, wieder in ihr altes Recht eingetreten, den Fürsten den Gehorsam aufzu¬
kündigen, wenn sich dieselben nach ihrer Meinung von dem Gehorsam gegen
Gott lossagten, und deshalb ist durch jene Losreißung vom Papste zuerst durch
die Reformation, dann aber auch durch die vier Propositionen der gallicani¬
schen Kirche der Thron ebenso wie der Altar erschüttert. Ludwig XV>>>. starb
den 16. September 1824, und ihm folgte sein Bruder, der bisher als Graf
von Artois das Haupt der absolutistischen Hofpartei war, unter dem Namen
Karl X. Die sogenannten pfeils svminmres oder geistlichen Secundärschulen


testantischen Lehrer bei denselben aller Stellen. Ueberall erhoben sich wieder
Klöster, besonders Frauenkloster, in großer Menge, ungeachtet das Gesetz,
durch welches alle geistlichen Orden aufgehoben waren, nicht zurückgenommen
wurde. Selbst die Trappisten kehrten zurück, kauften im October 181!5 die
Abtei la Trappe in der Normandie wieder an sich, und vermehrten sich so zahl¬
reich, daß nach und nach 16 Klöster für Trappisten und Trappistinnen ent¬
standen. Besonders zeigte sich der Geist der herrschenden Partei in dem neuen,
1817 mit dem Papste abgeschlossenen Concordate, in welchem das Concordat
von 1801 und die organischen Artikel von 1802 aufgehoben, und dagegen das
Concordat von 1316 wieder hergestellt wurde. Die Bisthümer, welche 1801
aufgehoben waren, sollten wieder errichtet, also die Zahl der bisherigen 60 auf
92 vermehrt werden, und der französische Klerus statt der Besoldung, welche
er jetzt vom Staate bezog, liegende Gründe und Renten erhalten wie vorher.
Gegen dieses Concordat erhob sich aber die liberale Partei, welche schon so
vielfach gereizt worden war, mit dem größten Ungestüm, und deshalb wurde
dasselbe den Kammern gar nicht vorgelegt. Jedoch wurden 1822 die Bezirke
der Bisthümer so geordnet, daß sie größtentheils mit den Departements zu¬
sammenfielen, so daß infolge davon die Zahl aller erzbischöflichen und bischöf¬
lichen Kirchen auf 80 erhöhet wurde. Die herrschende aristokratisch-kirchliche
Partei betrachtete aber nicht nur die durch die Revolution begründeten Frei¬
heiten, sondern alle Freiheiten, auch die der gallicanischen Kirche, welche von
dem alten französischen Klerus mit so großem Eifer vertheidigt worden waren,
mit Abscheu. Die vorzüglichsten Verfechter des ultramontanischen oder, wie
seine Anhänger es nannten, des theokratischen Systems waren der Vicomte de
Bonald, der sardinische Graf und Staatsminister Joseph de Maistre (1-1821 in
Turin) und vorzüglich der Abb« de la Mennais. Der Gras de Maistre suchte
in den Schriften Du ?app (1819) und l'vKlisv KMioans (1821) besonders
vom politischen Standpunkte aus den Ultramontanismus als die festeste Stütze
der Staaten zu empfehlen. Nach de la Mennais sind die Völker, nachdem
die Fürsten sich der päpstlichen Gewalt zu widersetzen angefangen haben und
das päpstliche Recht nicht anerkennen, die Unterthanen vom Gehorsam gegen
ihre Fürsten zu entbinden, wenn dieselben vom göttlichen Gesetz abgewichen
seien, wieder in ihr altes Recht eingetreten, den Fürsten den Gehorsam aufzu¬
kündigen, wenn sich dieselben nach ihrer Meinung von dem Gehorsam gegen
Gott lossagten, und deshalb ist durch jene Losreißung vom Papste zuerst durch
die Reformation, dann aber auch durch die vier Propositionen der gallicani¬
schen Kirche der Thron ebenso wie der Altar erschüttert. Ludwig XV>>>. starb
den 16. September 1824, und ihm folgte sein Bruder, der bisher als Graf
von Artois das Haupt der absolutistischen Hofpartei war, unter dem Namen
Karl X. Die sogenannten pfeils svminmres oder geistlichen Secundärschulen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0054" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/99974"/>
          <p xml:id="ID_130" prev="#ID_129" next="#ID_131"> testantischen Lehrer bei denselben aller Stellen. Ueberall erhoben sich wieder<lb/>
Klöster, besonders Frauenkloster, in großer Menge, ungeachtet das Gesetz,<lb/>
durch welches alle geistlichen Orden aufgehoben waren, nicht zurückgenommen<lb/>
wurde. Selbst die Trappisten kehrten zurück, kauften im October 181!5 die<lb/>
Abtei la Trappe in der Normandie wieder an sich, und vermehrten sich so zahl¬<lb/>
reich, daß nach und nach 16 Klöster für Trappisten und Trappistinnen ent¬<lb/>
standen. Besonders zeigte sich der Geist der herrschenden Partei in dem neuen,<lb/>
1817 mit dem Papste abgeschlossenen Concordate, in welchem das Concordat<lb/>
von 1801 und die organischen Artikel von 1802 aufgehoben, und dagegen das<lb/>
Concordat von 1316 wieder hergestellt wurde. Die Bisthümer, welche 1801<lb/>
aufgehoben waren, sollten wieder errichtet, also die Zahl der bisherigen 60 auf<lb/>
92 vermehrt werden, und der französische Klerus statt der Besoldung, welche<lb/>
er jetzt vom Staate bezog, liegende Gründe und Renten erhalten wie vorher.<lb/>
Gegen dieses Concordat erhob sich aber die liberale Partei, welche schon so<lb/>
vielfach gereizt worden war, mit dem größten Ungestüm, und deshalb wurde<lb/>
dasselbe den Kammern gar nicht vorgelegt. Jedoch wurden 1822 die Bezirke<lb/>
der Bisthümer so geordnet, daß sie größtentheils mit den Departements zu¬<lb/>
sammenfielen, so daß infolge davon die Zahl aller erzbischöflichen und bischöf¬<lb/>
lichen Kirchen auf 80 erhöhet wurde. Die herrschende aristokratisch-kirchliche<lb/>
Partei betrachtete aber nicht nur die durch die Revolution begründeten Frei¬<lb/>
heiten, sondern alle Freiheiten, auch die der gallicanischen Kirche, welche von<lb/>
dem alten französischen Klerus mit so großem Eifer vertheidigt worden waren,<lb/>
mit Abscheu. Die vorzüglichsten Verfechter des ultramontanischen oder, wie<lb/>
seine Anhänger es nannten, des theokratischen Systems waren der Vicomte de<lb/>
Bonald, der sardinische Graf und Staatsminister Joseph de Maistre (1-1821 in<lb/>
Turin) und vorzüglich der Abb« de la Mennais. Der Gras de Maistre suchte<lb/>
in den Schriften Du ?app (1819) und l'vKlisv KMioans (1821) besonders<lb/>
vom politischen Standpunkte aus den Ultramontanismus als die festeste Stütze<lb/>
der Staaten zu empfehlen. Nach de la Mennais sind die Völker, nachdem<lb/>
die Fürsten sich der päpstlichen Gewalt zu widersetzen angefangen haben und<lb/>
das päpstliche Recht nicht anerkennen, die Unterthanen vom Gehorsam gegen<lb/>
ihre Fürsten zu entbinden, wenn dieselben vom göttlichen Gesetz abgewichen<lb/>
seien, wieder in ihr altes Recht eingetreten, den Fürsten den Gehorsam aufzu¬<lb/>
kündigen, wenn sich dieselben nach ihrer Meinung von dem Gehorsam gegen<lb/>
Gott lossagten, und deshalb ist durch jene Losreißung vom Papste zuerst durch<lb/>
die Reformation, dann aber auch durch die vier Propositionen der gallicani¬<lb/>
schen Kirche der Thron ebenso wie der Altar erschüttert. Ludwig XV&gt;&gt;&gt;. starb<lb/>
den 16. September 1824, und ihm folgte sein Bruder, der bisher als Graf<lb/>
von Artois das Haupt der absolutistischen Hofpartei war, unter dem Namen<lb/>
Karl X.  Die sogenannten pfeils svminmres oder geistlichen Secundärschulen</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0054] testantischen Lehrer bei denselben aller Stellen. Ueberall erhoben sich wieder Klöster, besonders Frauenkloster, in großer Menge, ungeachtet das Gesetz, durch welches alle geistlichen Orden aufgehoben waren, nicht zurückgenommen wurde. Selbst die Trappisten kehrten zurück, kauften im October 181!5 die Abtei la Trappe in der Normandie wieder an sich, und vermehrten sich so zahl¬ reich, daß nach und nach 16 Klöster für Trappisten und Trappistinnen ent¬ standen. Besonders zeigte sich der Geist der herrschenden Partei in dem neuen, 1817 mit dem Papste abgeschlossenen Concordate, in welchem das Concordat von 1801 und die organischen Artikel von 1802 aufgehoben, und dagegen das Concordat von 1316 wieder hergestellt wurde. Die Bisthümer, welche 1801 aufgehoben waren, sollten wieder errichtet, also die Zahl der bisherigen 60 auf 92 vermehrt werden, und der französische Klerus statt der Besoldung, welche er jetzt vom Staate bezog, liegende Gründe und Renten erhalten wie vorher. Gegen dieses Concordat erhob sich aber die liberale Partei, welche schon so vielfach gereizt worden war, mit dem größten Ungestüm, und deshalb wurde dasselbe den Kammern gar nicht vorgelegt. Jedoch wurden 1822 die Bezirke der Bisthümer so geordnet, daß sie größtentheils mit den Departements zu¬ sammenfielen, so daß infolge davon die Zahl aller erzbischöflichen und bischöf¬ lichen Kirchen auf 80 erhöhet wurde. Die herrschende aristokratisch-kirchliche Partei betrachtete aber nicht nur die durch die Revolution begründeten Frei¬ heiten, sondern alle Freiheiten, auch die der gallicanischen Kirche, welche von dem alten französischen Klerus mit so großem Eifer vertheidigt worden waren, mit Abscheu. Die vorzüglichsten Verfechter des ultramontanischen oder, wie seine Anhänger es nannten, des theokratischen Systems waren der Vicomte de Bonald, der sardinische Graf und Staatsminister Joseph de Maistre (1-1821 in Turin) und vorzüglich der Abb« de la Mennais. Der Gras de Maistre suchte in den Schriften Du ?app (1819) und l'vKlisv KMioans (1821) besonders vom politischen Standpunkte aus den Ultramontanismus als die festeste Stütze der Staaten zu empfehlen. Nach de la Mennais sind die Völker, nachdem die Fürsten sich der päpstlichen Gewalt zu widersetzen angefangen haben und das päpstliche Recht nicht anerkennen, die Unterthanen vom Gehorsam gegen ihre Fürsten zu entbinden, wenn dieselben vom göttlichen Gesetz abgewichen seien, wieder in ihr altes Recht eingetreten, den Fürsten den Gehorsam aufzu¬ kündigen, wenn sich dieselben nach ihrer Meinung von dem Gehorsam gegen Gott lossagten, und deshalb ist durch jene Losreißung vom Papste zuerst durch die Reformation, dann aber auch durch die vier Propositionen der gallicani¬ schen Kirche der Thron ebenso wie der Altar erschüttert. Ludwig XV>>>. starb den 16. September 1824, und ihm folgte sein Bruder, der bisher als Graf von Artois das Haupt der absolutistischen Hofpartei war, unter dem Namen Karl X. Die sogenannten pfeils svminmres oder geistlichen Secundärschulen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/54
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/54>, abgerufen am 30.06.2024.