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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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dem Zwecke gebildet hatten, den ordentlichen Pfarrern in der Seelsorge zu
Hilfe zu kommen, und namentlich als Bußprediger umherzureisen und in außer-
ordentlich veranstalteten gottesdienstlichen Versammlungen durch Predigten und
feierliche Ceremonien die Gemüther für die Kirche zu gewinnen; dazu gehörten
namentlich die Lazaristen, eine von Vincenz de Paula am Ende des 16. Jahrhun ¬
teres gestiftete Congregation. Zu den älteren kam im Jahre 1815 eine neue Kon¬
gregation, die der Priester der Missionen in Frankreich. Auch die Jesuiten
schlössen sich unter dem Namen l'si-k" den ihnen an. Diese Missionare
fingen an, von der Regierung begünstigt, Frankreich zu durchziehen und dem
Volke Buße und Anhänglichkeit an die Kirche, ebenso wie Gehorsam und Liebe
gegen die Bourbonen zu predigen. Sie boten alle geistlichen Künste auf,
Visionen, Wunder, kirchlichen Pomp, eifrige Predigt, um Eindruck zu machen.
Sie behandelten das französische Volk als ein von seinem Glauben abgef-ille
uns, welches daher ganz neu demselben wieder gewonnen werden und sich förm¬
lich demselben wieder widmen müsse. In ihren Predigten wurden alle Hand¬
lungen der Revolution als schwere von dem Volke zu sühnende Verbrechen ge¬
schildert, und insbesondere unter denselben die Wegnahme der Kirchengüter
und die Aufhebung der geistlichen Orden hervorgehoben. Zugleich erhoben sie
das neu aufgerichtete Königthum des heiligen Ludwig, da dessen Sache mit
der Sache der Kirche auf das engste verbunden sei. Sie pflegten ihre Mission
an jedem Orte mit einer feierlichen Ceremonie, der Aufrichtung des Kreuzes,
zu beendigen. Um die Gläubigen zugleich durch eine sinnliche Andacht noch
mehr zu fesseln und durch eine Verbindung enger zu vereinigen, wurde die
Andacht zum geheiligten Herzen Jesu und die Brüderschaft des geheiligten
Herzens Jesu allgemein verbreitet, eine Andacht, welche zur Zeit Ludwig XIV.
von den Jesuiten erfunden worden war. Diese Brüderschaft verbreitete sich
durch die Thätigkeit der Missionäre über ganz Frankreich und vereinigte die
fanatischen Anhänger der Kirche und das Königthum zu einem engen Bunde.
So gelang es denn, eine Menge Gesuche an den König zu Stande zu bringen,
denen er angegangen wurde, die Jesuiten zurückzurufen und die Charte
abzuschaffen. Eine Aeußerung dieses Fanatismus war die Verfolgung der
Protestanten im Departement du Gard im Jahre -1815, die Verfolgung der
beeidigten Priester, d. h. derjenigen Priester, welche den von der Nationalversamm¬
lung 1790 vorgeschriebenen Eid aus die damalige Constitution geleistet hatten.
Durch ein Gesetz vom 8. Mai 1813 wurde die Ehescheidung, welche durch das
bürgerliche Gesetzbuch erlaubt, aber immer noch hinlänglich erschwert war, ge¬
mäß den Grundsätzen der katholischen Kirche verboten; durch ein anderes vom
16. November 181k wurde den geistlichen Stiftungen wieder gestattet, beweg¬
liche und unbewegliche Güter zu erwerben und unveräußerlich zu besitzen. Der
Inspektor der öffentlichen Schulen im Garddepartement entsetzte 1813 alle pro-


dem Zwecke gebildet hatten, den ordentlichen Pfarrern in der Seelsorge zu
Hilfe zu kommen, und namentlich als Bußprediger umherzureisen und in außer-
ordentlich veranstalteten gottesdienstlichen Versammlungen durch Predigten und
feierliche Ceremonien die Gemüther für die Kirche zu gewinnen; dazu gehörten
namentlich die Lazaristen, eine von Vincenz de Paula am Ende des 16. Jahrhun ¬
teres gestiftete Congregation. Zu den älteren kam im Jahre 1815 eine neue Kon¬
gregation, die der Priester der Missionen in Frankreich. Auch die Jesuiten
schlössen sich unter dem Namen l'si-k» den ihnen an. Diese Missionare
fingen an, von der Regierung begünstigt, Frankreich zu durchziehen und dem
Volke Buße und Anhänglichkeit an die Kirche, ebenso wie Gehorsam und Liebe
gegen die Bourbonen zu predigen. Sie boten alle geistlichen Künste auf,
Visionen, Wunder, kirchlichen Pomp, eifrige Predigt, um Eindruck zu machen.
Sie behandelten das französische Volk als ein von seinem Glauben abgef-ille
uns, welches daher ganz neu demselben wieder gewonnen werden und sich förm¬
lich demselben wieder widmen müsse. In ihren Predigten wurden alle Hand¬
lungen der Revolution als schwere von dem Volke zu sühnende Verbrechen ge¬
schildert, und insbesondere unter denselben die Wegnahme der Kirchengüter
und die Aufhebung der geistlichen Orden hervorgehoben. Zugleich erhoben sie
das neu aufgerichtete Königthum des heiligen Ludwig, da dessen Sache mit
der Sache der Kirche auf das engste verbunden sei. Sie pflegten ihre Mission
an jedem Orte mit einer feierlichen Ceremonie, der Aufrichtung des Kreuzes,
zu beendigen. Um die Gläubigen zugleich durch eine sinnliche Andacht noch
mehr zu fesseln und durch eine Verbindung enger zu vereinigen, wurde die
Andacht zum geheiligten Herzen Jesu und die Brüderschaft des geheiligten
Herzens Jesu allgemein verbreitet, eine Andacht, welche zur Zeit Ludwig XIV.
von den Jesuiten erfunden worden war. Diese Brüderschaft verbreitete sich
durch die Thätigkeit der Missionäre über ganz Frankreich und vereinigte die
fanatischen Anhänger der Kirche und das Königthum zu einem engen Bunde.
So gelang es denn, eine Menge Gesuche an den König zu Stande zu bringen,
denen er angegangen wurde, die Jesuiten zurückzurufen und die Charte
abzuschaffen. Eine Aeußerung dieses Fanatismus war die Verfolgung der
Protestanten im Departement du Gard im Jahre -1815, die Verfolgung der
beeidigten Priester, d. h. derjenigen Priester, welche den von der Nationalversamm¬
lung 1790 vorgeschriebenen Eid aus die damalige Constitution geleistet hatten.
Durch ein Gesetz vom 8. Mai 1813 wurde die Ehescheidung, welche durch das
bürgerliche Gesetzbuch erlaubt, aber immer noch hinlänglich erschwert war, ge¬
mäß den Grundsätzen der katholischen Kirche verboten; durch ein anderes vom
16. November 181k wurde den geistlichen Stiftungen wieder gestattet, beweg¬
liche und unbewegliche Güter zu erwerben und unveräußerlich zu besitzen. Der
Inspektor der öffentlichen Schulen im Garddepartement entsetzte 1813 alle pro-


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[0053] dem Zwecke gebildet hatten, den ordentlichen Pfarrern in der Seelsorge zu Hilfe zu kommen, und namentlich als Bußprediger umherzureisen und in außer- ordentlich veranstalteten gottesdienstlichen Versammlungen durch Predigten und feierliche Ceremonien die Gemüther für die Kirche zu gewinnen; dazu gehörten namentlich die Lazaristen, eine von Vincenz de Paula am Ende des 16. Jahrhun ¬ teres gestiftete Congregation. Zu den älteren kam im Jahre 1815 eine neue Kon¬ gregation, die der Priester der Missionen in Frankreich. Auch die Jesuiten schlössen sich unter dem Namen l'si-k» den ihnen an. Diese Missionare fingen an, von der Regierung begünstigt, Frankreich zu durchziehen und dem Volke Buße und Anhänglichkeit an die Kirche, ebenso wie Gehorsam und Liebe gegen die Bourbonen zu predigen. Sie boten alle geistlichen Künste auf, Visionen, Wunder, kirchlichen Pomp, eifrige Predigt, um Eindruck zu machen. Sie behandelten das französische Volk als ein von seinem Glauben abgef-ille uns, welches daher ganz neu demselben wieder gewonnen werden und sich förm¬ lich demselben wieder widmen müsse. In ihren Predigten wurden alle Hand¬ lungen der Revolution als schwere von dem Volke zu sühnende Verbrechen ge¬ schildert, und insbesondere unter denselben die Wegnahme der Kirchengüter und die Aufhebung der geistlichen Orden hervorgehoben. Zugleich erhoben sie das neu aufgerichtete Königthum des heiligen Ludwig, da dessen Sache mit der Sache der Kirche auf das engste verbunden sei. Sie pflegten ihre Mission an jedem Orte mit einer feierlichen Ceremonie, der Aufrichtung des Kreuzes, zu beendigen. Um die Gläubigen zugleich durch eine sinnliche Andacht noch mehr zu fesseln und durch eine Verbindung enger zu vereinigen, wurde die Andacht zum geheiligten Herzen Jesu und die Brüderschaft des geheiligten Herzens Jesu allgemein verbreitet, eine Andacht, welche zur Zeit Ludwig XIV. von den Jesuiten erfunden worden war. Diese Brüderschaft verbreitete sich durch die Thätigkeit der Missionäre über ganz Frankreich und vereinigte die fanatischen Anhänger der Kirche und das Königthum zu einem engen Bunde. So gelang es denn, eine Menge Gesuche an den König zu Stande zu bringen, denen er angegangen wurde, die Jesuiten zurückzurufen und die Charte abzuschaffen. Eine Aeußerung dieses Fanatismus war die Verfolgung der Protestanten im Departement du Gard im Jahre -1815, die Verfolgung der beeidigten Priester, d. h. derjenigen Priester, welche den von der Nationalversamm¬ lung 1790 vorgeschriebenen Eid aus die damalige Constitution geleistet hatten. Durch ein Gesetz vom 8. Mai 1813 wurde die Ehescheidung, welche durch das bürgerliche Gesetzbuch erlaubt, aber immer noch hinlänglich erschwert war, ge¬ mäß den Grundsätzen der katholischen Kirche verboten; durch ein anderes vom 16. November 181k wurde den geistlichen Stiftungen wieder gestattet, beweg¬ liche und unbewegliche Güter zu erwerben und unveräußerlich zu besitzen. Der Inspektor der öffentlichen Schulen im Garddepartement entsetzte 1813 alle pro-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/53>, abgerufen am 28.06.2024.