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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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waren in der kaiserlichen Zeit unter die Aussicht der Universität gestellt; die
Bischöfe hatten sie aber immer derselben zu entziehen gesucht, und diesen Zweck
sogleich im Anfange der Restauration erreicht, indem Ludwig X,Vl!l. den
6, Oetober 181/i. durch eine Ordonanz die Bischöfe ermächtigte, in jedem De¬
partement ein solches Mit, Lömincm'ö zu errichten, welches alsdann ausschlie߬
lich unter bischöflicher Jurisdiction stehen sollte. Da nun die Jesuiten sich
nicht der Aufsicht der Universität unterwerfen wollten, so bemächtigten sie sich
mit Hilfe der Bischöfe eines großen Theils dieser pvUls svllnnairss, und be¬
wirkten auch durch ihren anderweitigen Einfluß, daß denselben eine Menge
von jungen Leuten anvertraut wurde", die gar nicht in den geistlichen Stand
zu treten beabsichtigten. Die Zahl der petits semin-riro^ wurde weit über die
gesetzlich bestimmte Norm hinaus vergrößert: es waren im Jahre 1828
deren 179, und in vielen derselben waren nur wenige Zöglinge, welche sich
wirklich dem geistlichen Stande widmeten. Es war klar, daß die Jesuiten
unter diesem Deckmantel allmälig den ganzen Gymnastalunterricht an sich
reißen und der Aufsicht der Universität entziehen wollten, um der Jugend der
gebildeten Stände ihre Grundsätze einzuprägen. Außerdem trat auch jetzt die
sogenannte Kongregation offener hervor, und gewann eine bedeutendere Ver¬
breitung. Diese Gesellschaft zur Verbreitung der römisch-katholischen Kirche
war mit Genehmigung des Papstes 1822 in Lyon von Jesuiten gestiftet, und
wurde von denselben fortwährend geleitet. Es war eine Brüderschaft, welche
sich von Zeit zu Zeit zu gemeinsamen Andachten versammelte und halv in ganz
Frankreich Mitglieder aus allen Ständen zählte, deren höchster Zweck Erhöhung
der katholischen Kirche und des bourbonischen Königthums war. Sie bildete
zu Gesellschaftszwecken eine Kasse, zu welcher jedes Mitglied wöchentlich einen Sou
beitragen mußte, welche aber durch die Menge der Mitglieder zu einem höchst
bedeutenden Beförderungsmittel der Parteizwecke erwuchs. Alle, welche sich
bei der Regierung empfehlen wollten, traten dieser Congregation bei. Diese
Gesellschaft, welche, solange die Bourbons regierten, die vorzüglichste Stütze
derselben war, hat sich auch nachher erhalten und über alle katholische Länder in
Europa und Amerika verbreitet. Die Erziehung des Herzogs von Bordeaux,
des künftigen Thronerben, wurde dem Bischof von Straßburg Thörin, einem
erklärten Jesuitenfreunde, anvertraut. Es wurden strenge Gesetze über die
Presse gegeben und die Censur eingeführt. So war alles, darauf berechnet,
die Herrschaft der katholischen Kirche im ultramontanen Sinne in Frankreich
sest zu gründen. Da der Ultramontanismus sich nicht scheute, die vier Artikel
der gallicanischen Kirchenfreiheit als ein Werk der Ketzerei zu verschreien, sahen
sich vierzehn Cardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe veranlaßt, in Paris zusammen¬
zutreten und den 3. April 1826 eine Deklaration zu erlassen, in welcher sie
sich gegen jene Angriffe auf die gallicanischen Grundsätze erklärten. Endlich


waren in der kaiserlichen Zeit unter die Aussicht der Universität gestellt; die
Bischöfe hatten sie aber immer derselben zu entziehen gesucht, und diesen Zweck
sogleich im Anfange der Restauration erreicht, indem Ludwig X,Vl!l. den
6, Oetober 181/i. durch eine Ordonanz die Bischöfe ermächtigte, in jedem De¬
partement ein solches Mit, Lömincm'ö zu errichten, welches alsdann ausschlie߬
lich unter bischöflicher Jurisdiction stehen sollte. Da nun die Jesuiten sich
nicht der Aufsicht der Universität unterwerfen wollten, so bemächtigten sie sich
mit Hilfe der Bischöfe eines großen Theils dieser pvUls svllnnairss, und be¬
wirkten auch durch ihren anderweitigen Einfluß, daß denselben eine Menge
von jungen Leuten anvertraut wurde", die gar nicht in den geistlichen Stand
zu treten beabsichtigten. Die Zahl der petits semin-riro^ wurde weit über die
gesetzlich bestimmte Norm hinaus vergrößert: es waren im Jahre 1828
deren 179, und in vielen derselben waren nur wenige Zöglinge, welche sich
wirklich dem geistlichen Stande widmeten. Es war klar, daß die Jesuiten
unter diesem Deckmantel allmälig den ganzen Gymnastalunterricht an sich
reißen und der Aufsicht der Universität entziehen wollten, um der Jugend der
gebildeten Stände ihre Grundsätze einzuprägen. Außerdem trat auch jetzt die
sogenannte Kongregation offener hervor, und gewann eine bedeutendere Ver¬
breitung. Diese Gesellschaft zur Verbreitung der römisch-katholischen Kirche
war mit Genehmigung des Papstes 1822 in Lyon von Jesuiten gestiftet, und
wurde von denselben fortwährend geleitet. Es war eine Brüderschaft, welche
sich von Zeit zu Zeit zu gemeinsamen Andachten versammelte und halv in ganz
Frankreich Mitglieder aus allen Ständen zählte, deren höchster Zweck Erhöhung
der katholischen Kirche und des bourbonischen Königthums war. Sie bildete
zu Gesellschaftszwecken eine Kasse, zu welcher jedes Mitglied wöchentlich einen Sou
beitragen mußte, welche aber durch die Menge der Mitglieder zu einem höchst
bedeutenden Beförderungsmittel der Parteizwecke erwuchs. Alle, welche sich
bei der Regierung empfehlen wollten, traten dieser Congregation bei. Diese
Gesellschaft, welche, solange die Bourbons regierten, die vorzüglichste Stütze
derselben war, hat sich auch nachher erhalten und über alle katholische Länder in
Europa und Amerika verbreitet. Die Erziehung des Herzogs von Bordeaux,
des künftigen Thronerben, wurde dem Bischof von Straßburg Thörin, einem
erklärten Jesuitenfreunde, anvertraut. Es wurden strenge Gesetze über die
Presse gegeben und die Censur eingeführt. So war alles, darauf berechnet,
die Herrschaft der katholischen Kirche im ultramontanen Sinne in Frankreich
sest zu gründen. Da der Ultramontanismus sich nicht scheute, die vier Artikel
der gallicanischen Kirchenfreiheit als ein Werk der Ketzerei zu verschreien, sahen
sich vierzehn Cardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe veranlaßt, in Paris zusammen¬
zutreten und den 3. April 1826 eine Deklaration zu erlassen, in welcher sie
sich gegen jene Angriffe auf die gallicanischen Grundsätze erklärten. Endlich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/55>, abgerufen am 02.07.2024.