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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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nicht katholisch werden ließen, die Aussegnung Versagt würde. Der Erzbischof,
welcher jene Vereinigung zu halten versprochen hatte, wurde darüber von der
Regierung zur Rede gestellt, suchte zwar anfangs sich durch Ausreden zu
helfen, erklärte dann aber, daß er jene Vereinigung nur soweit beobachten
könne, als sie dem päpstlichen Breve gemäß sei, wobei er voraussetzte, daß
durch dieses BreVe die Forderung katholischer Kindererziehung nicht ausgehoben
sei. Als sich der Erzbischof nicht weisen lassen wollte, tourbe er den 20. No¬
vember 1837 nach der Festung Minden abgeführt. Dieser Schritt des Staates
gab dem Papste Veranlassung, den 10. December den Cardinälen in einer
Allocution das Ereigniß mitzutheilen und darin die Sache so darzustellen, daß
sich der Erzbischof hinsichtlich der gemischten Ehen streng nach dem päpstlichen
Breve gehalten habe und nur deshalb weggeführt sei, weil er den arglistigen
Verdrehungen desselben', welche die weltliche Macht sich erlaubt, nicht nach-
gegeben habe. Nach jener Erklärung des Papstes traten die Bischöfe des west¬
lichen Preußens von jener Vereinigung zurück; das aber nicht allein, sondern
auch in dem östlichen Theile der Monarchie, in welchem die mildere Praxis
schon seit langer Zeit bestanden hatte, glaubten die Bischöfe der ausdrücklichen
Erklärung des Papstes Folge leisten zu müssen und keine Trauung ohne das
Versprechen katholischer Kindererziehung vollziehen zu dürfen. Der Erzbischof
Durm von Posen wurde deshalb gerichtlich abgesetzt und zu Gefängnißstrafe
verurtheilt. Um mit Rom wieder in Vereinigung zu treten, hat der preußi¬
sche Staat im Punkte der gemischten Ehen nachgeben müssen und damit in
unsrer Zeit den Beweis gegeben, daß der Staat im Streite mit Rom, wenn
er kirchliche Angelegenheiten als Staatssachen behandelt, verliert.

Dagegen verliert Rom, wenn es sich dem in der neuern Zeit erwachten
nationalen Bildungstriebe widersetzt. Zum Beispiel möge die neueste Ge¬
schichte der katholischen Kirche in Frankreich und Deutschland dienen. In
Frankreich wurde das Concordat von 1801 von einer streng katholischen Partei
stets als von der Revolution dem Papstthum abgepreßt betrachtet, und es bildete
sich in tiefster Heimlichkeit die kleine Kirche (la pe-ins "Mso) aus, welche
die Geistlichen der Landeskirche nicht anerkannte, ihre eignen Priester hatte,
und den tiefsten Haß gegen die bestehende Herrschaft nährte. Als Ludwig XVIII.
zurückkehrte, trat er in sehr schwierige Verhältnisse. Zu einer gründlichen
Wiederherstellung einer 'festen und geordneten monarchischen Verfassung und
zur Ausrottung des sich noch sehr häufig regenden revolutionären Geistes schien
die Wiederherstellung der Religiosität und der Anhänglichkeit an die Kirche
durchaus nothwendig. Von diesem Gedanken gingen Ludwig und seine Nach-
geber aus, indem sie die katholische Kirche auf alle Weise wieder zu begünsti¬
gen und dem Volke zu empfehlen suchten. Als Werkzeuge dazu boten sich die
Kongregationen von Priestern an. welche sich seit dein 16. Jahrhundert zu


nicht katholisch werden ließen, die Aussegnung Versagt würde. Der Erzbischof,
welcher jene Vereinigung zu halten versprochen hatte, wurde darüber von der
Regierung zur Rede gestellt, suchte zwar anfangs sich durch Ausreden zu
helfen, erklärte dann aber, daß er jene Vereinigung nur soweit beobachten
könne, als sie dem päpstlichen Breve gemäß sei, wobei er voraussetzte, daß
durch dieses BreVe die Forderung katholischer Kindererziehung nicht ausgehoben
sei. Als sich der Erzbischof nicht weisen lassen wollte, tourbe er den 20. No¬
vember 1837 nach der Festung Minden abgeführt. Dieser Schritt des Staates
gab dem Papste Veranlassung, den 10. December den Cardinälen in einer
Allocution das Ereigniß mitzutheilen und darin die Sache so darzustellen, daß
sich der Erzbischof hinsichtlich der gemischten Ehen streng nach dem päpstlichen
Breve gehalten habe und nur deshalb weggeführt sei, weil er den arglistigen
Verdrehungen desselben', welche die weltliche Macht sich erlaubt, nicht nach-
gegeben habe. Nach jener Erklärung des Papstes traten die Bischöfe des west¬
lichen Preußens von jener Vereinigung zurück; das aber nicht allein, sondern
auch in dem östlichen Theile der Monarchie, in welchem die mildere Praxis
schon seit langer Zeit bestanden hatte, glaubten die Bischöfe der ausdrücklichen
Erklärung des Papstes Folge leisten zu müssen und keine Trauung ohne das
Versprechen katholischer Kindererziehung vollziehen zu dürfen. Der Erzbischof
Durm von Posen wurde deshalb gerichtlich abgesetzt und zu Gefängnißstrafe
verurtheilt. Um mit Rom wieder in Vereinigung zu treten, hat der preußi¬
sche Staat im Punkte der gemischten Ehen nachgeben müssen und damit in
unsrer Zeit den Beweis gegeben, daß der Staat im Streite mit Rom, wenn
er kirchliche Angelegenheiten als Staatssachen behandelt, verliert.

Dagegen verliert Rom, wenn es sich dem in der neuern Zeit erwachten
nationalen Bildungstriebe widersetzt. Zum Beispiel möge die neueste Ge¬
schichte der katholischen Kirche in Frankreich und Deutschland dienen. In
Frankreich wurde das Concordat von 1801 von einer streng katholischen Partei
stets als von der Revolution dem Papstthum abgepreßt betrachtet, und es bildete
sich in tiefster Heimlichkeit die kleine Kirche (la pe-ins «Mso) aus, welche
die Geistlichen der Landeskirche nicht anerkannte, ihre eignen Priester hatte,
und den tiefsten Haß gegen die bestehende Herrschaft nährte. Als Ludwig XVIII.
zurückkehrte, trat er in sehr schwierige Verhältnisse. Zu einer gründlichen
Wiederherstellung einer 'festen und geordneten monarchischen Verfassung und
zur Ausrottung des sich noch sehr häufig regenden revolutionären Geistes schien
die Wiederherstellung der Religiosität und der Anhänglichkeit an die Kirche
durchaus nothwendig. Von diesem Gedanken gingen Ludwig und seine Nach-
geber aus, indem sie die katholische Kirche auf alle Weise wieder zu begünsti¬
gen und dem Volke zu empfehlen suchten. Als Werkzeuge dazu boten sich die
Kongregationen von Priestern an. welche sich seit dein 16. Jahrhundert zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/52>, abgerufen am 23.06.2024.