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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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Die Reisegesellschaft führte nicht weniger als dreißig und einige Lastthiere
mit sich und da das häufige Umpacken ziemliche Zeit in Anspruch nahm, so
gelang es selten mehr als sieben bis acht Leguas an einem Tage zurückzulegen.
Der Aufbruch geschah meistens schon vor der ersten Morgendämmerung, die
Thiere wurden zusammengetrieben, gesattelt und beladen, zuweilen rasch eine
Tasse Chocolade gemacht und dann wurde der Ritt meistens bis Abend fort¬
gesetzt, -- nur unterbrochen von einer kurzen Mittagsrast an einem Bergwasser,
um einen Imbiß aus Käse, Brot und Pisco (ein nach dem Orte seiner Fa-
brication genannter Traubenbranntwein) einzunehmen. Abends bei der An¬
kunft in einem Dorfe oder einer Poststation wurde ein grade leerstehendes
Gebäude bezogen, oder in Ermanglung eines solchen durch Hilfe der Orts¬
gemeinde ein bewohntes geräumt und so ein Quartier gewonnen, was den
Reisenden freilich weiter nichts darbot, als vier leere Lehmwände. Das La¬
ger wurde aus den mitgebrachten Sätteln und Decken bereitet, und als Speise
mußte man froh sein, wenn die Reisenden nicht selbst Vorräthe mit sich führ¬
ten, die heißgepfefferte Chupe (Kartoffelsuppe) mit einer winzigen Zuthat von
Fleisch oder Eiern, wenn es hoch kam, vorzufinden. Das oft schwer aufzu¬
treibende Pferdefutter besteht in Klee, grüner oder ausgedroschener Gerste,
Maiskorn oder getrockneten Maishalmen, aber in den kältern Theilen der
Puna, oder wenn sich vor Einbruch der Nacht kein Quartier erreichen läßt
und der Reisende mit einem Bivouac im Freien vorlieb nehmen muß, müssen
die an den Vorderfüßen zusammengekoppelten Thiere sich ihre spärliche Nah¬
rung selbst auf dem steinigen Boden suchen.

Am Rio Pampas kamen die Reisenden über die erste der detailler peru¬
anischen Hängebrücken, und erreichten noch dieselbe Nacht Chinchero, wo der
Ortspfarrer, als er den Zweck der Erpedition erfuhr, ihnen eine ganze Reihe
Geschichten von dem Goldreichthum der Montcula, dem Reiseziel der Erpe¬
dition, erzählte, deren Glanzpunkt folgende Sage bildete:

"Zur Zeit, als noch die Portugiesen unsere besten Minen im Besitz hat¬
ten und durch ihre unchristlichen Zaubermaschinen unermeßliche Quantitäten
des Metalls aus den innersten Eingeweiden der Erde heraufzogen, hatte
sich an dem unter dem Namen Goropukno (Goldfett) bekannten Felsen ein
Dom. N. niedergelassen, der die armen Indianer auf die schrecklichste Weise
Preßte, so daß ganze Familien, ganze Dörfer in seinen unterirdischen Gruben
dahinstarben. Aber ihn rührte nicht menschliches Elend, er kannte keine Thrä-^
nen, sein Herz hing am Golde. Seinen Reichthum, der sich von Jahr zu
Jahr mehrte, benutzte er nur, um seine Arbeiten auszudehnen, seine Gänge
weiter und weiter zu treiben, und in diesen schritt der Todesengel. Jedes
neue Thal, das sie berührten, verwandelte sich in eine Wüste, die unbearbei¬
teten Felder überwucherten mit Unkraut, die hirtenlosen Herden zerstreuten


Die Reisegesellschaft führte nicht weniger als dreißig und einige Lastthiere
mit sich und da das häufige Umpacken ziemliche Zeit in Anspruch nahm, so
gelang es selten mehr als sieben bis acht Leguas an einem Tage zurückzulegen.
Der Aufbruch geschah meistens schon vor der ersten Morgendämmerung, die
Thiere wurden zusammengetrieben, gesattelt und beladen, zuweilen rasch eine
Tasse Chocolade gemacht und dann wurde der Ritt meistens bis Abend fort¬
gesetzt, — nur unterbrochen von einer kurzen Mittagsrast an einem Bergwasser,
um einen Imbiß aus Käse, Brot und Pisco (ein nach dem Orte seiner Fa-
brication genannter Traubenbranntwein) einzunehmen. Abends bei der An¬
kunft in einem Dorfe oder einer Poststation wurde ein grade leerstehendes
Gebäude bezogen, oder in Ermanglung eines solchen durch Hilfe der Orts¬
gemeinde ein bewohntes geräumt und so ein Quartier gewonnen, was den
Reisenden freilich weiter nichts darbot, als vier leere Lehmwände. Das La¬
ger wurde aus den mitgebrachten Sätteln und Decken bereitet, und als Speise
mußte man froh sein, wenn die Reisenden nicht selbst Vorräthe mit sich führ¬
ten, die heißgepfefferte Chupe (Kartoffelsuppe) mit einer winzigen Zuthat von
Fleisch oder Eiern, wenn es hoch kam, vorzufinden. Das oft schwer aufzu¬
treibende Pferdefutter besteht in Klee, grüner oder ausgedroschener Gerste,
Maiskorn oder getrockneten Maishalmen, aber in den kältern Theilen der
Puna, oder wenn sich vor Einbruch der Nacht kein Quartier erreichen läßt
und der Reisende mit einem Bivouac im Freien vorlieb nehmen muß, müssen
die an den Vorderfüßen zusammengekoppelten Thiere sich ihre spärliche Nah¬
rung selbst auf dem steinigen Boden suchen.

Am Rio Pampas kamen die Reisenden über die erste der detailler peru¬
anischen Hängebrücken, und erreichten noch dieselbe Nacht Chinchero, wo der
Ortspfarrer, als er den Zweck der Erpedition erfuhr, ihnen eine ganze Reihe
Geschichten von dem Goldreichthum der Montcula, dem Reiseziel der Erpe¬
dition, erzählte, deren Glanzpunkt folgende Sage bildete:

„Zur Zeit, als noch die Portugiesen unsere besten Minen im Besitz hat¬
ten und durch ihre unchristlichen Zaubermaschinen unermeßliche Quantitäten
des Metalls aus den innersten Eingeweiden der Erde heraufzogen, hatte
sich an dem unter dem Namen Goropukno (Goldfett) bekannten Felsen ein
Dom. N. niedergelassen, der die armen Indianer auf die schrecklichste Weise
Preßte, so daß ganze Familien, ganze Dörfer in seinen unterirdischen Gruben
dahinstarben. Aber ihn rührte nicht menschliches Elend, er kannte keine Thrä-^
nen, sein Herz hing am Golde. Seinen Reichthum, der sich von Jahr zu
Jahr mehrte, benutzte er nur, um seine Arbeiten auszudehnen, seine Gänge
weiter und weiter zu treiben, und in diesen schritt der Todesengel. Jedes
neue Thal, das sie berührten, verwandelte sich in eine Wüste, die unbearbei¬
teten Felder überwucherten mit Unkraut, die hirtenlosen Herden zerstreuten


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[0519] Die Reisegesellschaft führte nicht weniger als dreißig und einige Lastthiere mit sich und da das häufige Umpacken ziemliche Zeit in Anspruch nahm, so gelang es selten mehr als sieben bis acht Leguas an einem Tage zurückzulegen. Der Aufbruch geschah meistens schon vor der ersten Morgendämmerung, die Thiere wurden zusammengetrieben, gesattelt und beladen, zuweilen rasch eine Tasse Chocolade gemacht und dann wurde der Ritt meistens bis Abend fort¬ gesetzt, — nur unterbrochen von einer kurzen Mittagsrast an einem Bergwasser, um einen Imbiß aus Käse, Brot und Pisco (ein nach dem Orte seiner Fa- brication genannter Traubenbranntwein) einzunehmen. Abends bei der An¬ kunft in einem Dorfe oder einer Poststation wurde ein grade leerstehendes Gebäude bezogen, oder in Ermanglung eines solchen durch Hilfe der Orts¬ gemeinde ein bewohntes geräumt und so ein Quartier gewonnen, was den Reisenden freilich weiter nichts darbot, als vier leere Lehmwände. Das La¬ ger wurde aus den mitgebrachten Sätteln und Decken bereitet, und als Speise mußte man froh sein, wenn die Reisenden nicht selbst Vorräthe mit sich führ¬ ten, die heißgepfefferte Chupe (Kartoffelsuppe) mit einer winzigen Zuthat von Fleisch oder Eiern, wenn es hoch kam, vorzufinden. Das oft schwer aufzu¬ treibende Pferdefutter besteht in Klee, grüner oder ausgedroschener Gerste, Maiskorn oder getrockneten Maishalmen, aber in den kältern Theilen der Puna, oder wenn sich vor Einbruch der Nacht kein Quartier erreichen läßt und der Reisende mit einem Bivouac im Freien vorlieb nehmen muß, müssen die an den Vorderfüßen zusammengekoppelten Thiere sich ihre spärliche Nah¬ rung selbst auf dem steinigen Boden suchen. Am Rio Pampas kamen die Reisenden über die erste der detailler peru¬ anischen Hängebrücken, und erreichten noch dieselbe Nacht Chinchero, wo der Ortspfarrer, als er den Zweck der Erpedition erfuhr, ihnen eine ganze Reihe Geschichten von dem Goldreichthum der Montcula, dem Reiseziel der Erpe¬ dition, erzählte, deren Glanzpunkt folgende Sage bildete: „Zur Zeit, als noch die Portugiesen unsere besten Minen im Besitz hat¬ ten und durch ihre unchristlichen Zaubermaschinen unermeßliche Quantitäten des Metalls aus den innersten Eingeweiden der Erde heraufzogen, hatte sich an dem unter dem Namen Goropukno (Goldfett) bekannten Felsen ein Dom. N. niedergelassen, der die armen Indianer auf die schrecklichste Weise Preßte, so daß ganze Familien, ganze Dörfer in seinen unterirdischen Gruben dahinstarben. Aber ihn rührte nicht menschliches Elend, er kannte keine Thrä-^ nen, sein Herz hing am Golde. Seinen Reichthum, der sich von Jahr zu Jahr mehrte, benutzte er nur, um seine Arbeiten auszudehnen, seine Gänge weiter und weiter zu treiben, und in diesen schritt der Todesengel. Jedes neue Thal, das sie berührten, verwandelte sich in eine Wüste, die unbearbei¬ teten Felder überwucherten mit Unkraut, die hirtenlosen Herden zerstreuten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/519>, abgerufen am 22.07.2024.