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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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zu Gunsten seines Freundes zu verwenden und seinen und des Secretärs Be¬
mühungen gelang es endlich, die Angelegenheit der Amerikaner einem glück¬
lichen Ende zuzuführen. Am Nachmittage konnte der Secretär dem Abgeord¬
neten mittheilen, daß der Präsident Ayacucho mit den Truppen verlassen und .
die Ordnung der Paßangelegenheit ganz der Discretion des Secretärs über¬
lassen habe. Die Versicherung, daß die Fremdlinge sich nicht mit einer in
leeren Worten ausgedrückten Dankbarkeit begnügen würden, blieb nicht ohne
Einfluß und am nächsten Morgen empfing die Gesellschaft die lange ersehnten
Pässe, wogegen der Secretär die Güte hatte, einen schweren Ring von kali¬
fornischen Golde als Andenken anzunehmen. Eben als der Deutschamerikaner
seinen zukünftigen Reisegefährten unter donnernden Cheers den Erfolg seiner
Sendung mittheilte, traf der vor zwei Tagen von Castilla decretirte Verban¬
nungsbefehl ein, der jetzt natürlich ohne weitere Folgen blieb. Man beschäf¬
tigte sich aufs eifrigste mit Packen und Reisevorbereitungen und schon am
nächsten Tage sahen sich die Amerikaner in Stand gesetzt, der Stadt Ayacucho,
der sie unfreiwillig mehre Tage hatten widmen müssen, den Rücken zu kehren.

Der Weg der Reisegesellschaft folgte dem Längsthale, daS sich durch die
ganze Cordillera zieht, vielfach von kleinen, von Westen nach Osten streichen¬
den Höhenketten oder den von den Flüssen gebildeten Querfurchen durchschnit¬
ten. Abgesehen von ven von den Indianern für leichtere Ladungen benutzten
Lamaherden, reist man auf Pferden oder Mauleseln und selbst die Ausdauer
dieser Thiere reicht manchmal kaum aus, um die steinigen Pfade der Legua
weit aufsteigenden Cuestas zu erklimmen, deren dünne Luft bei den noch nicht
an das Klima gewöhnten Reisenden stets die Symptome vollständiger See¬
krankheit hervorruft. Die ganze Erhebung zwischen der Piedra Parada, wo
man von Lima aus zuerst den Kamm überschreitet, bis Cuzco, mag zwischen
6000 und 15,000 Fuß liegen und der Charakter der Gegend wechselt mit
jedem 1000 Fuß höher oder niedriger ost verschiedene Male am Tage von
der kahlen öden Puna, wo nur hin und wieder die blitzschnelle Erscheinung
der schlanken Vicunnas oder der stolz dahinschwebende Condor die Grabesruhe
der Natur unterbricht, bis zu den im lichten Grün der Zuckerfelder erglänzen¬
den Thälern, wo Schlangen in dem Schatten dichter Büsche lauern und Züge
buntgefärbter Papageien die Luft mit ihrem schrillen Kreischen erfüllen.
Zwischen beiden Extremen liegt der mittlere Gürtel, die eigentliche Sierra,
welcher die Kactuspflanzen einen Ausdruck starrer Eintönigkeit ausprägen.
Die Gletscher der hohen schneebedeckten Kette, die man fast nie aus dem Ge¬
sichte verliert, vermeidet der sich an ihrem Fuße hinschlängelnde Weg und
die eigentliche Tropenvegetation erblickt man erst in ihrer ganzen Ueppigkeit,
wenn man sich in den westlichen Abhängen der Küste und noch mehr in den
östlichen der Montana der Meeresfläche nähert.


zu Gunsten seines Freundes zu verwenden und seinen und des Secretärs Be¬
mühungen gelang es endlich, die Angelegenheit der Amerikaner einem glück¬
lichen Ende zuzuführen. Am Nachmittage konnte der Secretär dem Abgeord¬
neten mittheilen, daß der Präsident Ayacucho mit den Truppen verlassen und .
die Ordnung der Paßangelegenheit ganz der Discretion des Secretärs über¬
lassen habe. Die Versicherung, daß die Fremdlinge sich nicht mit einer in
leeren Worten ausgedrückten Dankbarkeit begnügen würden, blieb nicht ohne
Einfluß und am nächsten Morgen empfing die Gesellschaft die lange ersehnten
Pässe, wogegen der Secretär die Güte hatte, einen schweren Ring von kali¬
fornischen Golde als Andenken anzunehmen. Eben als der Deutschamerikaner
seinen zukünftigen Reisegefährten unter donnernden Cheers den Erfolg seiner
Sendung mittheilte, traf der vor zwei Tagen von Castilla decretirte Verban¬
nungsbefehl ein, der jetzt natürlich ohne weitere Folgen blieb. Man beschäf¬
tigte sich aufs eifrigste mit Packen und Reisevorbereitungen und schon am
nächsten Tage sahen sich die Amerikaner in Stand gesetzt, der Stadt Ayacucho,
der sie unfreiwillig mehre Tage hatten widmen müssen, den Rücken zu kehren.

Der Weg der Reisegesellschaft folgte dem Längsthale, daS sich durch die
ganze Cordillera zieht, vielfach von kleinen, von Westen nach Osten streichen¬
den Höhenketten oder den von den Flüssen gebildeten Querfurchen durchschnit¬
ten. Abgesehen von ven von den Indianern für leichtere Ladungen benutzten
Lamaherden, reist man auf Pferden oder Mauleseln und selbst die Ausdauer
dieser Thiere reicht manchmal kaum aus, um die steinigen Pfade der Legua
weit aufsteigenden Cuestas zu erklimmen, deren dünne Luft bei den noch nicht
an das Klima gewöhnten Reisenden stets die Symptome vollständiger See¬
krankheit hervorruft. Die ganze Erhebung zwischen der Piedra Parada, wo
man von Lima aus zuerst den Kamm überschreitet, bis Cuzco, mag zwischen
6000 und 15,000 Fuß liegen und der Charakter der Gegend wechselt mit
jedem 1000 Fuß höher oder niedriger ost verschiedene Male am Tage von
der kahlen öden Puna, wo nur hin und wieder die blitzschnelle Erscheinung
der schlanken Vicunnas oder der stolz dahinschwebende Condor die Grabesruhe
der Natur unterbricht, bis zu den im lichten Grün der Zuckerfelder erglänzen¬
den Thälern, wo Schlangen in dem Schatten dichter Büsche lauern und Züge
buntgefärbter Papageien die Luft mit ihrem schrillen Kreischen erfüllen.
Zwischen beiden Extremen liegt der mittlere Gürtel, die eigentliche Sierra,
welcher die Kactuspflanzen einen Ausdruck starrer Eintönigkeit ausprägen.
Die Gletscher der hohen schneebedeckten Kette, die man fast nie aus dem Ge¬
sichte verliert, vermeidet der sich an ihrem Fuße hinschlängelnde Weg und
die eigentliche Tropenvegetation erblickt man erst in ihrer ganzen Ueppigkeit,
wenn man sich in den westlichen Abhängen der Küste und noch mehr in den
östlichen der Montana der Meeresfläche nähert.


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[0518] zu Gunsten seines Freundes zu verwenden und seinen und des Secretärs Be¬ mühungen gelang es endlich, die Angelegenheit der Amerikaner einem glück¬ lichen Ende zuzuführen. Am Nachmittage konnte der Secretär dem Abgeord¬ neten mittheilen, daß der Präsident Ayacucho mit den Truppen verlassen und . die Ordnung der Paßangelegenheit ganz der Discretion des Secretärs über¬ lassen habe. Die Versicherung, daß die Fremdlinge sich nicht mit einer in leeren Worten ausgedrückten Dankbarkeit begnügen würden, blieb nicht ohne Einfluß und am nächsten Morgen empfing die Gesellschaft die lange ersehnten Pässe, wogegen der Secretär die Güte hatte, einen schweren Ring von kali¬ fornischen Golde als Andenken anzunehmen. Eben als der Deutschamerikaner seinen zukünftigen Reisegefährten unter donnernden Cheers den Erfolg seiner Sendung mittheilte, traf der vor zwei Tagen von Castilla decretirte Verban¬ nungsbefehl ein, der jetzt natürlich ohne weitere Folgen blieb. Man beschäf¬ tigte sich aufs eifrigste mit Packen und Reisevorbereitungen und schon am nächsten Tage sahen sich die Amerikaner in Stand gesetzt, der Stadt Ayacucho, der sie unfreiwillig mehre Tage hatten widmen müssen, den Rücken zu kehren. Der Weg der Reisegesellschaft folgte dem Längsthale, daS sich durch die ganze Cordillera zieht, vielfach von kleinen, von Westen nach Osten streichen¬ den Höhenketten oder den von den Flüssen gebildeten Querfurchen durchschnit¬ ten. Abgesehen von ven von den Indianern für leichtere Ladungen benutzten Lamaherden, reist man auf Pferden oder Mauleseln und selbst die Ausdauer dieser Thiere reicht manchmal kaum aus, um die steinigen Pfade der Legua weit aufsteigenden Cuestas zu erklimmen, deren dünne Luft bei den noch nicht an das Klima gewöhnten Reisenden stets die Symptome vollständiger See¬ krankheit hervorruft. Die ganze Erhebung zwischen der Piedra Parada, wo man von Lima aus zuerst den Kamm überschreitet, bis Cuzco, mag zwischen 6000 und 15,000 Fuß liegen und der Charakter der Gegend wechselt mit jedem 1000 Fuß höher oder niedriger ost verschiedene Male am Tage von der kahlen öden Puna, wo nur hin und wieder die blitzschnelle Erscheinung der schlanken Vicunnas oder der stolz dahinschwebende Condor die Grabesruhe der Natur unterbricht, bis zu den im lichten Grün der Zuckerfelder erglänzen¬ den Thälern, wo Schlangen in dem Schatten dichter Büsche lauern und Züge buntgefärbter Papageien die Luft mit ihrem schrillen Kreischen erfüllen. Zwischen beiden Extremen liegt der mittlere Gürtel, die eigentliche Sierra, welcher die Kactuspflanzen einen Ausdruck starrer Eintönigkeit ausprägen. Die Gletscher der hohen schneebedeckten Kette, die man fast nie aus dem Ge¬ sichte verliert, vermeidet der sich an ihrem Fuße hinschlängelnde Weg und die eigentliche Tropenvegetation erblickt man erst in ihrer ganzen Ueppigkeit, wenn man sich in den westlichen Abhängen der Küste und noch mehr in den östlichen der Montana der Meeresfläche nähert.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/518>, abgerufen am 22.07.2024.