Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.sich in den Einöden und unbegraben lagen die Leichen der vorher in ihrer sich in den Einöden und unbegraben lagen die Leichen der vorher in ihrer <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0520" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100440"/> <p xml:id="ID_1484" prev="#ID_1483" next="#ID_1485"> sich in den Einöden und unbegraben lagen die Leichen der vorher in ihrer<lb/> friedlichen Abgeschlossenheit so glücklichen Bewohner. Da erschien das Gesetz<lb/> des Rey, wonach jeder Portugiese bei Todesstrafe innerhalb eines Monats<lb/> das Land zu verlassen hatte, und er, der den allgemeinen Haß gegen sich<lb/> kannte und die Unfähigkeit sah, die angesammelten Schätze in der kurzen Zeit<lb/> außer Landes zu schaffen, floh, ewige Rache schwörend allen Spaniern und<lb/> ihren Abkömmlingen, in die Wildnisse der Montaüa. Dort traf er die wilden<lb/> Chunchus und vereint mit diesen Barbaren, deren Verachtung des göttlichen<lb/> Gesetzes seinem lästerlichen Sinne zusagte, nahm er Theil an jenen mörderi¬<lb/> schen Einfällen, die manchem heiligen Priester die ersehnte Märtyrerkrone aus¬<lb/> drückten, und die einst blühenden Missionen von Paucartambo in ihren heu¬<lb/> tigen Zustand des Ruins brachten. Auch nach Carabayo trug er Feuer und<lb/> Schwert und hoffte sich der Veden von San Juan del Oro zu bemächtigen,<lb/> wo der 400 Pfund wiegende Goldklumpen gefunden worden war, dessen<lb/> Uebersendung Karl V. mit der Verleihung deS Adelspatentes an alle daselbst<lb/> Ansässigen belohnt hatte. Dort indeß wurde er mit seiner ordnungslosen Bande<lb/> zurückgetrieben, und um ihn zu trösten versprachen die Chunchus ihm größere<lb/> Reichthümer denn jene zu zeigen; Reichthümer, die sie seit dem Falle des<lb/> Inkareiches sorgfältig gegen alle Bearbeitung bewacht hätten. Sie führten<lb/> ihn zum Berge des Camanti, wo noch gegenwärtig die Spuren der Straße zu<lb/> sehen sind, auf welcher der Inka alljährlich seinen Zug von Cuzco dahin machte,<lb/> um die goldenen Thränen seines Vaters, der Sonne, zu sammeln, und<lb/> dem Portugiesen schwanden seine Sinne, als seine geübten Blicke auf diesen<lb/> seit Jahrhunderten unberührten Hort fielen, gegen den alles, was er bisher<lb/> gekannt hatte, in nichts zurücktrat. In wenigen Tagen war der ganze Berg<lb/> in eine ungeheuere Werkstatt verwandelt. Mit der Hilfe seiner Freunde höhlte<lb/> er das Centrum desselben in ein großes Bett aus, und dahin leitete er alle die<lb/> auf verschiedenen Punkten entspringenden Gebirgswasser. Es bildete sich ein<lb/> weiter, tiefer See, und ein See von Gold. Gold brachte jede Welle, jeder<lb/> Strom führte Gold; Gold wusch jeder Regentropfen aus der Erde, und alles<lb/> dieses Gold sank in den See, füllte seinen Boden, bedeckte seine Wände, und<lb/> hob sich langsam wachsend nach der Oberfläche empor. Gierig schauten die<lb/> Augen des Portugiesen vom Morgen bis zum Abend in die funkelnde Masse,<lb/> täglich sah er, wie sie mehr und mehr sich füllte, und berechnete ohne Unter¬<lb/> laß den Tag und die Stunde, wenn der letzte Tropfen Wassers erstarrt sein<lb/> würde. Die Chunchus kamen oft ihn zu besuchen, freuten sich über seine gu¬<lb/> ten Erfolge, aber riethen ihm, zufrieden zu sein mit dem, was er habe, es<lb/> sei genug. Mit höhnischem Lachen antwortete er ihnen: Wie kann es genug<lb/> sein, wenn ich nicht alles habe? Noch fehlt mir der beste Theil. Und neue<lb/> Kanäle wurden gegraben, mehr Wasser rauschte herbei von allen Seiten und</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0520]
sich in den Einöden und unbegraben lagen die Leichen der vorher in ihrer
friedlichen Abgeschlossenheit so glücklichen Bewohner. Da erschien das Gesetz
des Rey, wonach jeder Portugiese bei Todesstrafe innerhalb eines Monats
das Land zu verlassen hatte, und er, der den allgemeinen Haß gegen sich
kannte und die Unfähigkeit sah, die angesammelten Schätze in der kurzen Zeit
außer Landes zu schaffen, floh, ewige Rache schwörend allen Spaniern und
ihren Abkömmlingen, in die Wildnisse der Montaüa. Dort traf er die wilden
Chunchus und vereint mit diesen Barbaren, deren Verachtung des göttlichen
Gesetzes seinem lästerlichen Sinne zusagte, nahm er Theil an jenen mörderi¬
schen Einfällen, die manchem heiligen Priester die ersehnte Märtyrerkrone aus¬
drückten, und die einst blühenden Missionen von Paucartambo in ihren heu¬
tigen Zustand des Ruins brachten. Auch nach Carabayo trug er Feuer und
Schwert und hoffte sich der Veden von San Juan del Oro zu bemächtigen,
wo der 400 Pfund wiegende Goldklumpen gefunden worden war, dessen
Uebersendung Karl V. mit der Verleihung deS Adelspatentes an alle daselbst
Ansässigen belohnt hatte. Dort indeß wurde er mit seiner ordnungslosen Bande
zurückgetrieben, und um ihn zu trösten versprachen die Chunchus ihm größere
Reichthümer denn jene zu zeigen; Reichthümer, die sie seit dem Falle des
Inkareiches sorgfältig gegen alle Bearbeitung bewacht hätten. Sie führten
ihn zum Berge des Camanti, wo noch gegenwärtig die Spuren der Straße zu
sehen sind, auf welcher der Inka alljährlich seinen Zug von Cuzco dahin machte,
um die goldenen Thränen seines Vaters, der Sonne, zu sammeln, und
dem Portugiesen schwanden seine Sinne, als seine geübten Blicke auf diesen
seit Jahrhunderten unberührten Hort fielen, gegen den alles, was er bisher
gekannt hatte, in nichts zurücktrat. In wenigen Tagen war der ganze Berg
in eine ungeheuere Werkstatt verwandelt. Mit der Hilfe seiner Freunde höhlte
er das Centrum desselben in ein großes Bett aus, und dahin leitete er alle die
auf verschiedenen Punkten entspringenden Gebirgswasser. Es bildete sich ein
weiter, tiefer See, und ein See von Gold. Gold brachte jede Welle, jeder
Strom führte Gold; Gold wusch jeder Regentropfen aus der Erde, und alles
dieses Gold sank in den See, füllte seinen Boden, bedeckte seine Wände, und
hob sich langsam wachsend nach der Oberfläche empor. Gierig schauten die
Augen des Portugiesen vom Morgen bis zum Abend in die funkelnde Masse,
täglich sah er, wie sie mehr und mehr sich füllte, und berechnete ohne Unter¬
laß den Tag und die Stunde, wenn der letzte Tropfen Wassers erstarrt sein
würde. Die Chunchus kamen oft ihn zu besuchen, freuten sich über seine gu¬
ten Erfolge, aber riethen ihm, zufrieden zu sein mit dem, was er habe, es
sei genug. Mit höhnischem Lachen antwortete er ihnen: Wie kann es genug
sein, wenn ich nicht alles habe? Noch fehlt mir der beste Theil. Und neue
Kanäle wurden gegraben, mehr Wasser rauschte herbei von allen Seiten und
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